Frage an Axel Schäfer von Henning P. bezüglich Recht
Guten Tag, auch ich hätte gerne nochmal etwas zum BKA-Gesetz eingeworfen,
da Sie bei der Abstimmung mit JA gestimmt haben, kann ich ja davon ausgehen, dass sie sich bei einem derartig tiefen Einschnitt in die Privatsphäre der Bürger ausgezeichnet über das Für und Wider dieses Gesetzes informiert haben.
Ich habe nämlich eine Grundsätzliche Verständnisfrage zum Thema Onlinedurchsuchung:
Wie soll dieses Gesetzt auch nur einen einzigen ernstgemeinten Terroranschlag verhindern?
Jeder potentielle Terrorist braucht doch nur einen 2ten Netzwerkunabhängigen Rechner, auf welchem er seine Dokumente unkontrolliert verschlüsseln und per USB-Stick von jedem X-Beliebigen anderen Netzwerkangschlossenem Rechner verschicken kann. Mehr ist nicht nötig. Ein kleiner Rechner für nichtmal100€ der nichts weiter installiert hat als eine Verschlüsselungssoftware. MIt diesem Gesetz können doch nur vollkommen unbedarfte Computerbenutzer ausspioniert werden. Jeder der auch nur ein bisschen nachdenkt kann ohne jeglichen nennenswerten technischen und finanziellen Aufwand innerhalb weniger Minuten diese Überprüfung umgehen.
Aufgrund dieser Tatsache verschliesst sich mir einfach der Zusammenhang zwischen dem BKA-Gesetz und einer Abwehr des (ohnehin nicht vorhandenem) Terrorismus in Deutschland.
mit freundlichen Grüßen
Henning Poelker
Sehr geehrter Herr Pölker,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Meine grundsätzliche Einstellung und meine Erläuterungen zu dem betroffenen Gesetz bitte ich Sie der Antwort an Frau Wissmann auf diesem Portal zu entnehmen.
Was Ihre konkrete Frage zum praktischen Nutzen der Online-Durchsuchung angeht, möchte ich Folgendes ergänzen:
Natürlich haben Sie Recht, wenn Sie sagen, dass mit technischem Sachverstand und logischem Vorgehen einer Online-Durchsuchung ausgewichen werden kann. Es ist jedoch zu erwarten, dass mit diesem Gesetz trotzdem ein Terroranschlag verhindert werden kann. Auch wenn dies nur in ein paar wenigen Fällen im Jahr der Fall sein wird, so kann aus diesen Regelungen ein großer Mehrwert gezogen werden.
Die Erfahrung zeigt einfach, dass Straftäter nicht immer mit höchster Vorsicht und logischem Sachverstand bei der Planung ihrer Verbrechen vorgehen – auch wenn dies im Voraus noch so detailliert geplant wurde. Ich möchte Ihnen zwei Beispiele nennen:
Jeder Bürger weiß heutzutage, dass Waren in deutschen Geschäften mit elektronischen Diebstahlsicherungen ausgestattet sind, die sich beim Verlassen des Geschäfts durch die Sensorenschranke akustisch bemerkbar machen. Dies sollte eigentlich jeden potenziellen Dieb davon abhalten, mit den geklauten Waren durch diese Schranke zu laufen. Polizeiliche Erhebungen bestätigen jedoch, dass dies die Täter nicht vom Diebstahl abhält und diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jedes Mal auf frischer Tat ertappt werden.
Darüber hinaus ist es heute eine gängige Maßnahme der Polizei nach einem Verbrechen das Mobiltelefon des Täters zu orten, um Hinweise auf dessen Aufenthaltsort zu erhalten. Man sollte meinen, dass jemand, der ein schweres Verbrechen geplant und begangen hat, dies in Betracht zieht und entweder ein Zweithandy mit Prepaidkarte benutzt oder erst gar kein Mobiltelefon mit sich trägt, das geortet werden könnte. Noch polizeilichen Erkenntnissen wird jedoch eine Vielzahl von Verbrechern genau über diese Methode innerhalb weniger Stunden oder Tage geortet und überführt.
Ich will einen Terroranschlag auf keinen Fall mit einem Ladendiebstahl vergleichen, sondern möchte Ihnen anhand dieser Beispiele nur verdeutlichen, dass kein Verbrecher perfekt ist. Wir versuchen Methoden zu finden, die sich genau diese Tatsache zunutze machen und an dem Punkt greifen, an dem der Täter einen Denkfehler begangen hat.
Die Erkenntnisse aus der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass bei der Planung terroristischer Anschläge auch das Internet genutzt wird. Deshalb reichen die herkömmlichen Instrumente - etwa der Telefonüberwachung - nicht aus. Das bedeutet aber nicht, dass das Grundrecht der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme nicht mehr gewährleistet wäre. Eine Online-Durchsuchung hat hohe Hürden. Nach dem Gesetz ist eine konkrete, im Kontext des internationalen Terrorismus stehende und auf Tatsachen gegründete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder solcher Güter der Allgemeinheit vorausgesetzt, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt. Der Einsatz der Online-Durchsuchung ist nur zulässig, wenn mildere Mittel nicht ausreichen. Soweit Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht vermieden werden können, unterliegen diese einem Verwertungsverbot und müssen gelöscht werden. Schließlich kann die Online-Durchsuchung nur durch den Präsidenten des Bundeskriminalamtes beantragt werden und bedarf der Anordnung durch ein Gericht. Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass die Online-Durchsuchung eine extreme Ausnahme bleiben wird. Sie ist rechtsstaatlich unbedenklich und wird unsere Freiheit, um deren Gewährleistung es uns geht, nicht beeinträchtigen.
Die Erfahrung zeigt uns, dass nicht nur repressive sondern vor allem auch präventive Methoden angewandt werden müssen, um Straftaten zu verhindern. Es ist zum momentanen Zeitpunkt noch nicht theoretisch prognostizierbar, wie häufig jährlich Online-Durchsuchungen stattfinden. Die eben von mir beschriebenen, extrem hohen rechtlichen Hürden lassen jedoch die Vermutung zu, dass dies nicht häufiger als fünf Mal im Jahr in ganz Deutschland der Fall sein dürfte.
Sie schreiben weiter, in Deutschland sei „ohnehin kein Terrorismus vorhanden“. Das ist so nicht richtig. Wir hatten bereits einige Fälle, wie z.B. die sog. „Kofferbombenanschläge“ im Sommer 2006, wo lediglich ein glücklicher Zufall verhindert hat, dass hunderte Bahnreisende ums Leben gekommen sind. Darüber hinaus erhält Deutschland regelmäßig Drohungen von terroristischen Gruppen aus dem Ausland. Die genaue Anzahl der bereits verhinderten Anschläge kennt nur der Bundesnachrichtendienst, aber wenn auch nur ein einziger Terroranschlag durch unsere gesetzlichen Maßnahmen verhindert wurde und nur ein einziger potenzieller Terrorist durch diese Regelungen von seiner Tat abgehalten wurde, dann hat das Gesetz meines Erachtens bereits seinen Mehrwert bewiesen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen meinen Standpunkt ausreichend erläutern.
Mit freundlichen Grüßen
Axel Schäfer