Frage an Axel Schäfer von Käthe W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schäfer,
Sie gehören zu denen, die dieses Bürgerrechte verachtende BKA-Gesetz mit durchgewunken haben. Ich wüßte gerne, warum Sie dieses Gesetz für nötig halten, was Sie zu einer solchen, die Bürgerrechte Ihrer Wähler vernichtenden Entscheidung veranlasst hat. Da immerhin ein Teil Ihrer SPD-KollegInnen dagegen gestimmt hat kann es ja wohl nicht am Fraktionszwang gelegen haben.
Die Bürgerrechte werden vernichtet, die BKA wird ermächtigt zu einer Super-Sicherheitsbehörde bzw. einer Spitzelzentrale mit bis in die Privatsphäre reichenden
Befugnissen ausgebaut zu werden. Sie darf Wohnungen verwanzen und Computer ausspähen, Menschen verhören und in Gewahrsam nehmen. Mit der Verabschiedung des BKA-Gesetzes wird die totale Überwachung der Bürger legalisiert und Sie haben daran mitgewirkt.
Ich hoffe sehr, dass es Widerstand gegen dieses Gesetz geben wird, denn es ist in höchstem Maße verfassungswidrig.
Mit freundlichen Grüßen
Käthe Wissmann
Sehr geehrte Frau Wissmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 13. November 2008 zur Novelle des BKA-Gesetzes.
Ihre Bedenken angesichts dieses Gesetzesvorhabens kann ich grundsätzlich gut nachvollziehen. Ich sehe die SPD sowohl als Partei der Bürgerrechte als auch als Partei einer rechtsstaatlichen Terrorbekämpfung mit Augenmaß. Als Abgeordneter und Privatperson habe ich Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland. Zugleich will ich, dass die Balance zwischen den Freiheitsrechten für jedermann auf der einen und den Sicherheitsinteressen des Staates bei der Bekämpfung von Schwerstkriminalität gewahrt bleibt.
Fest steht, dass alle getroffenen Regelungen allein vor dem Hintergrund einer neuen, in der Vergangenheit nicht existierenden Bedrohung Deutschlands durch den internationalen Terrorismus vertretbar sind. Hinzu kommt, dass das Bundeskriminalamt (BKA) in der Praxis schon heute in entsprechenden Fällen ermittelt. Nämlich dann, wenn sich bei der Überprüfung herausstellt, dass die Grenze zur Strafbarkeit bereits überschritten war. In einem solchen Fall zieht die Bundesanwaltschaft den Fall an sich und beauftragt das BKA mit den Ermittlungen. Diesem Hin und Her wollten wir ein Ende bereiten. Wir haben deshalb bereits im Rahmen der Föderalismusreform das Grundgesetz in Art. 73 Nr. 9a GG geändert und dem BKA die ausschließliche Präventivbefugnis zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus übertragen.
Mit dem neuen BKA-Gesetz füllen wir diese grundgesetzliche Kompetenz nun aus. Damit das BKA tatsächlich handlungsfähig ist, übertragen wir ihm mit dem neuen Gesetz die entsprechend erforderlichen polizeilichen Ermittlungsbefugnisse. Dazu gehört auch die Wohnraum- und Telekommunikationsüberwachung. Die Polizei in den Bundesländern wendet diese Maßnahmen schon seit Jahren an. Es wäre widersinnig, wenn wir dem BKA angesichts der Schwere einer terroristischen Bedrohung weniger Ermittlungsmöglichkeiten geben würden.
Bislang war das BKA nur für die Strafverfolgung zuständig. Operative Maßnahmen zur Gefahrenabwehr waren nur auf Länderebene möglich. In einem ersten Schritt haben wir durch eine Grundgesetzänderung im Rahmen der Föderalismusreform, die Möglichkeit eröffnet, dem BKA operative Kompetenzen zur Abwehr des internationalen Terrorismus einzuräumen. Das BKAG erfüllt diesen grundgesetzlichen Auftrag. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Instrumente zur Gefahrenabwehr orientieren sich weitgehend an bestehenden Regelungsvorbildern aus dem Bundespolizeigesetz und den Polizeigesetzen der Länder. Neu ist im Wesentlichen nur das Instrument der Online-Durchsuchung. Heute wird Kommunikation überwiegend mit modernster Technik geführt. Die Online-Durchsuchung ermöglicht beispielsweise, dass die auf einem Computer gespeicherte Kommunikation innerhalb einer Terrorgruppe ermittelt werden kann. Es ist daher wichtig, dass Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des Terrorismus genau in diese Kommunikationswege eindringen dürfen. In genauer Befolgung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts haben wir auch hier eine Lösung erarbeitet, die ein ausgewogenes Verhältnis von Freiheit und Sicherheit aufweist und den verfassungsrechtlich gebotenen Datenschutz gewährleistet.
Anders als herkömmliche Ermittlungsmethoden ist die Online-Durchsuchung natürlich ein Novum. Aus der Praxis des Bundesnachrichtendienstes (BND) wissen wir aber, dass er bei seinen auslandsbezogenen Ermittlungen über die Online-Durchsuchung bereits wichtige Erfolge erzielen konnte. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Kommunikation von Terrorverdächtigen zunehmend konspirativer wird. Computersysteme spielen dabei eine entscheidende Rolle. Die herkömmliche Telefonüberwachung hilft hier leider nicht weiter. Der Bundesparteitag der SPD hat sich deshalb im Herbst 2007 für die Anwendung der Online-Durchsuchung ausgesprochen - aber auch eine klare rote Linie gezogen, die staatliches Handeln nicht überschreiten darf.
Natürlich darf das BKA diese neuen Befugnisse nur unter strikter Beachtung unserer verfassungsrechtlichen Grundsätze in eng umgrenzten Fällen anwenden. Hierzu gehört auch, dass besonders eingriffsintensive Maßnahmen nur gegenüber dem Tatverdächtigen bzw. seiner Kontakt- und Begleitperson angeordnet werden dürfen. Außerdem muss der Kernbereich privater Lebenssphäre für das BKA tabu bleiben. Die Verwendung von Informationen aus diesem Kernbereich ist deshalb grundsätzlich verfassungswidrig und nicht gestattet. Daher spielte für uns die Kernbereichskontrolle eine besonders wichtige Rolle. Wir haben erreicht, dass abgesehen von der generell erforderlichen richterlichen Anordnung einer Online-Untersuchung jeweils drei Mitarbeiter des BKA über etwaige Verletzungen des Kernbereichs zu befinden haben. Der weisungsunabhängige Datenschutzbeauftragte des Bundeskriminalamtes hat hierbei eine Schlüsselrolle. Denn nicht erst bei seinem begründeten Verdacht, sondern auch schon bei Zweifeln muss ein Richter hinzugezogen werden. Diese Regelung wurde auch durch den Bundesdatenschutzbeauftragten für Datenschutz, Peter Schaar, für geeignet befunden. Durch diese besonderen Hürden bleiben wichtige Bürgerrechte gewahrt und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes im Gesetz erfüllt.
Die Relativierung der Zeugnisverweigerungsrechte bei Anwälten, Notaren, Ärzten, Journalisten, Therapeuten gegenüber der nach wie vor geschützten Gruppe der Geistlichen, Strafverteidiger und Abgeordneten halte ich allerdings ebenfalls für problematisch. Von Fachleuten wird hier mit der Analogie zur Strafprozessordnung argumentiert. Nichtsdestotrotz wird bei der Umsetzung besonders sorgfältig darauf zu achten sein, dass der notwendige Berufsgeheimnisschutz für alle Gruppen gewahrt bleibt. Im Übrigen wird die Online-Durchsuchung alle fünf Jahre von einem unabhängigen Sachverständigen auf seine Angemessenheit und Erforderlichkeit hin überprüft und ausgewertet.
In der Gesamtschau und nach den mir vorliegenden Informationen der Fachexperten meiner Fraktion habe ich dem Gesetzesentwurf dennoch zugestimmt. Mit ausschlaggebend für diese Entscheidung war für mich, dass bei dem erzielten Kompromiss wesentliche Forderungen des Hamburger Parteitages, wie etwa die Sicherstellung einer besonders hohen Eingriffsschwelle oder die Miteinbeziehung der engen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes, umgesetzt werden konnten.
Die Runde der Großen Koalition um Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat sich jetzt auf Änderungen des vom Bundesrat abgelehnten Gesetzentwurfs zum BKA-Gesetz geeinigt. Der nun gefundenen Regelung zufolge soll das Bundeskriminalamt (BKA) nicht die Kompetenz erhalten, in dringenden Fällen eine Online-Durchsuchung auch ohne richterliche Anordnung vornehmen zu dürfen. Festgelegt wurde außerdem, dass stets ein Richter die letzte Entscheidung darüber trifft, welche aus einer Online-Durchsuchung gewonnenen Daten verwendet werden dürfen und welche nicht. Weiter sieht der Kompromiss vor, dass das BKA nur dann tätig werde, wenn es um die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus geht.
Der Vermittlungsausschuss hat heute nun den Vorschlag bestätigt, der bereits am 02. Dezember 2008 von einer hochrangigen Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitet worden war. Demnach soll die Eilfallkompetenz des BKA-Präsidenten für die Anordnung der Online-Durchsuchung entfallen, die Kernbereichskontrolle des bei der Online-Durchsuchung gewonnenen Materials wird unter die Sachleitung des anordnenden Gerichts gestellt und es wurde klargestellt, dass das BKA nur in den aufgelisteten Fällen für die Verhütung von Straftaten zuständig ist.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen meinen Standpunkt deutlich gemacht zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Axel Schäfer