Frage an Axel Schäfer von Daniela R. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Schäfer,
wie stehen Sie zum Thema Impfpflicht?
Kennen Sie die Ärzte für individuelle Impfentscheidung?
Vielen Dank für Ihre Zeit.
Mit freundlichen Grüßen
Daniela R.
Sehr geehrte Frau R.,
zuvorderst vielen Dank für Ihre Fragen. Gerne erläutere ich zuerst meinen persönlichen Standpunkt, danach gehe ich auf meine Position gegenüber des Vereins „Ärzte für individuelle Impfentscheidung“ ein.
Wir haben mit dem Koalitionsvertrag vereinbart, weitere Initiativen zu ergreifen, um die notwendigen Impfquoten zum Schutz der Bevölkerung zu erreichen. Die Verbesserung der Impfprävention ist ein wichtiges gesundheitspolitisches Vorhaben. Dazu kommen noch zahlreiche gesetzgeberische Maßnahmen, die wir in dieser Legislaturperiode bereits umgesetzt haben. Alle Vorhaben dienen dem Ziel, die Qualität der medizinischen Versorgung im Interesse der Patientinnen und Patienten weiter zu verbessern und damit letztlich auch Behandlungsfehler zu vermeiden. Wir beschäftigen uns also nicht nur, aber eben auch mit dem Thema Impfen.
Ich empfinde das wiederkehrende Argument, welches Todesfallzahlen gegeneinander aufwiegt, zynisch und zutiefst unethisch. Die elterliche Entscheidungsfreiheit findet dort ihre Grenze, wo die Gesundheit und sogar das Leben anderer gefährdet ist und andere geeignetere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Das elterliche Fremdbestimmungsrecht fungiert nicht als Freifahrtschein, unter deren Deckmantel eigene Ansichten und Vorstellungen über das Kindeswohl gestellt werden. Von einer Masernerkrankung sind besonders häufig Kinder in den ersten beiden Lebensjahren betroffen (relative Berechnung). Sie tragen auch ein erhöhtes Risiko dafür, dass eine Maserninfektion zu schwerwiegenden Komplikationen führt und müssen besonders häufig wegen einer Masern-Erkrankung stationär behandelt werden. Durch eine vorübergehende Immunschwäche kommt es nach einer Masernerkrankung zu anderen Erkrankungen wie z.B. Durchfall, Mittelohrentzündung, Hörschäden, Lungenentzündung und Gehirnentzündung. Bei 10 von 10.000 Masern-Erkrankten entwickelt sich in Folge der Erkrankung eine Gehirnentzündung, etwa 2 bis 3 Betroffene behalten schwere Schäden wie geistige Behinderungen und Lähmungen zurück. Als Spätfolge kann die so genannte subakut sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) auftreten, eine schwere und stets tödlich verlaufende Gehirnerkrankung. Eine SSPE entwickelt sich bei 2 bis 6 von 10.000 Kindern, die zum Zeitpunkt der Maserninfektion jünger als 5 Jahre alt sind. Die Wahrscheinlichkeit, an Masern zu sterben, liegt bei 1 Todesfall pro 1.000 Masernerkrankte. Gegen die Masern-Erkrankung selbst gibt es keine Behandlung. Masern sind extrem ansteckend. Ohne Impfschutz infizieren sich etwa 95 von 100 Menschen, wenn sie Kontakt zu einem Erkrankten hatten. Sowohl für den individuellen Schutz jeder und jedes Einzelnen als auch für den Gemeinschaftsschutz zugunsten von Menschen, die nicht geimpft werden können, brauchen wir eine ausreichende Masern-Impfquote. Wir tragen gegenüber diesen Menschen als Zivilgesellschaft eine gemeinsame Verantwortung.
In der Europa-Region der WHO sind die Masernfälle zuletzt stark angestiegen. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2019 berichteten 49 der 53 Länder zusammen über 174 000 Masernfälle und über 100 masernbedingte Tote. Vier Länder in der Europaregion der WHO haben ihren Masern-Eliminierungsstatus verloren: Albanien, Griechenland, Tschechien und das Großbritannien. Weltweit haben sich die Masernfälle 2019 vervierfacht.
Unser Ziel ist es, Masern in Deutschland zu überwinden und in Europa weiter einzudämmen. Dazu brauchen wir eine Impfquote von mindestens 95 Prozent der Bevölkerung. Bei Kindern vor dem Schuleintritt erreichen wir mit der ersten Masernimpfung deutschlandweit zwar 97 Prozent, aber schon hier gibt es deutliche regionale Unterschiede. Zweimal gegen Masern geimpft sind nur noch 93 Prozent der Schulanfängerinnen und Schulanfänger. Laut BARMER-Arzneimittelreport 2019 könnten die Impfquoten sogar noch darunter liegen. Eine Maserimpfpflicht kann helfen, Impflücken zu schließen. Manche mögen diesen Schritt als Bevormundung empfinden, aber es geht hier nicht nur um dem Schutz jedes Einzelnen, sondern um den Schutz der gesamten Bevölkerung. Ein ausreichender Impfschutz kann unnötiges Leid vermeiden.
In der Tat gibt es in Deutschland derzeit keinen zugelassenen Einfach-Impfstoff gegen Masern. Wir werden uns im parlamentarischen Verfahren damit auseinandersetzen müssen, was das für die beabsichtigte Masern-Impfpflicht bedeutet. Impfstoffe werden wie alle anderen Arzneimittel in Deutschland durch den jeweiligen Hersteller und nicht etwa den Bundesgesundheitsminister in den Verkehr gebracht. Es kommt also darauf an, ob und wann ein Hersteller die Zulassung für einen Einfach-Impfstoff gegen Masern bei der zuständigen Arzneimittelbehörde beantragt und erhält.
Die verfügbaren Kombinationsimpfstoffe sind wirksam und gut verträglich. Von 10.000 Geimpften entwickeln etwa 500 bis 1.500 allgemeine Beschwerden wie leichtes bis mäßiges Fieber, Kopfschmerzen, Mattigkeit oder Magen-Darm-Beschwerden. Bei etwa 500 Geimpften entwickelt sich an der Einstichstelle in den ersten drei Tagen nach der Impfung eine Rötung oder Schwellung. Etwa 10 Tage nach einer MMR-Impfung bekommen 200 bis 500 von 10.000 Geimpften für wenige Tage einen masernähnlichen Hautausschlag, der auch „Impfmasern“ genannt wird. Dieser kann mit mäßigem Fieber einhergehen. Impfmasern sind nicht ansteckend. Nach einer MMR-Impfung tritt extrem selten, in weniger als 1 von 10.000 Fällen, eine allergische Reaktion auf.
Niemand bestreitet, dass eine Masernimpfung eine unerwünschte Reaktion oder Nebenwirkung zur Folge haben kann. Das Risiko einer schwerwiegenden Komplikation im Zusammenhang mit einer Masernimpfung ist aber sehr gering, im Gegensatz zum Risiko, ungeimpft schwer an Masern zu erkranken.
Ferner bin ich der Meinung, dass wir weiterhin deutlich mehr Information und Aufklärung über die Masern-Erkrankung und die Impfung brauchen, um Menschen, die einer Impfung skeptisch gegenüberstehen, stärker als bisher anzusprechen. Dazu enthält der Gesetzentwurf konkrete Regelungsvorschläge.
Aufbauend auf meine Vorrede möchte ich mich zum Verein „Ärzte für individuelle Impfentscheidung“ positionieren. Deren erklärtes Ziel ist es – ausweichlich der Präambel in der Vereinssatzung – die Durchsetzung einer Impfflicht zu verhindern. Dies widerstreitet meiner oben dargelegten Anschauung. Ferner ist die Argumentationslinie des Vereins diffus und widersprüchlich. Ich weise nur auf die Aussagen hin, der Grundrechtseingriff der Impfflicht für Ärzte, Lehrer etc. würde damit begründet, dass dieser Beruf schlicht nicht mehr ausgeübt werden kann. Das ist falsch. Auf der anderen Seite der Waagschale steht das (stärker wirkende Recht) der Gesundheit derjenigen, die sich nicht impfen lassen können. Ferner die Aussage, man könne sich durch Bezahlung eines Bußgeldes freikaufen. Es werden sich zwar Tatsacheninformationen herausgepickt, dabei wird aber stets darauf verzichtet, ein abschließendes Bild zu malen.
Ich hoffe, dass das Geschriebene meine Position deutlich machen kann. Politik lebt vom Austausch. Daher freue ich mich über jede demokratische Art der Beteiligung.
Mit freundlichen Grüßen
Axel Schäfer