Frage an Axel Schäfer von Jürgen T. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Schäfer,
haben Sie je vom "Bedingungslosen Grundeinkommen" gehört ?
Wenn ja: Was ist Ihre Meinung dazu?
Wenn nein: Gedenken nSie sich zu informieren?
Mit freundlichem Gruß
Jürgen Trost
Sehr geehrter Herr Trost,
vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie mich um eine Stellungnahme zum bedingungslosen Grundeinkommen bitten.
Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist ein momentan diskutiertes sozialwirtschaftliches Modell, in dessen Rahmen jeder Bürger, unabhängig von Einkommen, Alter und Arbeitsfeld, einen gesetzlichen Anspruch auf finanzielle durch den Staat getragene Grundsicherung haben soll. Angeregt wird von den Unterstützern der Einführung eines BGE, dies über eine Neuordnung des Steuersystems und den Abbau von Bürokratie in der Sozialverwaltung zu finanzieren, da viele bisherige Sozialleistungen durch das BGE ersetzt werden sollen.
Das BGE soll demnach ein steuerfinanziertes Basiseinkommen für alle sein, in einer Höhe, die soziale Teilhabe sichert und zudem ohne sozialadministrative Bedürftigkeitsprüfung von Einkommen und Vermögen bzw. ohne Arbeitszwang oder Tätigkeitsverpflichtung gewährleistet wird. Der Empfänger solle jedoch so viel hinzuverdienen können, wie er/sie für erstrebenswert hält und auf dem Markt im individuellen Fall ausgehandelt werden kann. Je nach Modell wird von den Unterstützern des BGE eine Zahlung in Höhe des Sozialhilfesatzes bzw. des ALG II bis zu 1.500 € vorgeschlagen. Das BGE unterschiede sich somit von einer Grundsicherung, die nur dann gezahlt wird, wenn kein anderweitiges ausreichendes Einkommen vorhanden ist und die mit einer Bedürftigkeitsprüfung und in der Regel mit einer Arbeitsverpflichtung bzw. einem Nachweis der Arbeitsbereitschaft verbunden ist.
Alle Bürgergeld-Vorschläge leiden jedoch meiner Ansicht nach darunter, dass sie einseitig auf die Transferseite schauen, und Aktivierung und persönliche Hilfen (wie das beispielsweise im SGB II der Fall ist) aus dem Blick verlieren. Diese beiden Bereiche gehören jedoch zusammen, d.h. es darf meiner Auffassung nach keine Trennung von Fördern und Fordern geben. Wir brauchen stattdessen einen zupackenden und aktivierenden Sozialstaat, der nicht nur den materiellen, sondern auch den sozialen und kulturellen Aspekt im Auge hat. Der SPD-Parteivorsitzende Kurt Beck hat Recht, wenn er mehr Vorsorge fordert. Unsere Gesellschaft fährt besser mit mehr Vorsorge statt ständiger Nachsorge. Das kommt letztlich für alle teurer.
Ein vollkommen bedingungsloses Bürgergeld steht meines Erachtens nach überhaupt nicht zur Debatte, denn in einem solchen Fall müsste man auch einem Milliardär Transfers zahlen – und dies kann niemand ernsthaft vorschlagen.
Hinzu kommt, dass derjenige, der sämtliche Transfers wie Sozialhilfe, ALG II, Wohngeld und BAföG zusammenlegt, nicht mehr gezielt auf die individuellen Bedarfssituationen eingehen kann. Kein Finanzamt wird wissen, wie es einem Arbeitsuchenden aus seiner Situation helfen kann. Der Vorschlag, alle sozialpolitischen Transfers zu einer einzigen Leistung zu integrieren, hätte zwangsläufig eine Mammutverwaltung zur Folge. Ich möchte auch daran erinnern, dass CDU/CSU und FDP es unter der Regierung Kohl noch nicht einmal geschafft haben, Sozial- und Arbeitslosenhilfe zusammenzulegen.
Ich finde, wir haben bereits einen guten und praktikablen Weg beschritten, denn mit dem SGB II haben wir schon eine Art Bürgergeld. Im Zuge dessen haben wir den Unterhaltsrückgriff weitgehend abgeschafft und mit dem Wohngeld die Kosten der Unterkunft integriert.
Ich bin der Meinung, dass keines der bisher vorgetragenen Konzepte zum bedingungslosen Grundeinkommen eine sinnvolle Alternative zu unseren bisher geschaffenen Lösungen zur Grundsicherung der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland darstellt. Sollten die Vorschläge an Substanz gewinnen und eine realistische Umsetzung in Aussicht stellen, werde ich mich gerne an einer derartigen Diskussion beteiligen.
Mit freundlichen Grüßen
Axel Schäfer