Frage an Axel Schäfer von Walter B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schäfer,
in der Gewerkschaftszeitung ver.di publik habe ich einen Leserbrief von Ihnen gefunden der mich sehr befremdet. Sie beklagen darin, dass die Chefredakteurin sich einer völlig einseitigen Agitation bedient, wenn es um das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) geht. Sie verlieren sich in Allgemeinplätzen wie Verminderung von Bürokratie, Beseitigung von Marktzugangshindernissen und Doppelanforderungen,ohne ein echtes Beispiel zu nennen. Sie schreiben, es gäbe keine wissenschaftliche Studie aus der hervorgehen würde, dass dieses Abkommen unser Exportwachstum in Frage stellt. Richtig,es gibt nur vage Schätzungen über ein Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum und die sind auch noch auf 10 Jahre hochgerechnet. Sie selbst meinen, die Europäer könnten in TTIP die USA positiv beeinflussen, ILO-Kernarbeitsnormen zu übernehmen. Ich fürchte,dass dies eher nicht klappen wird. Die US-Konzerne sind nicht an erweiterten Arbeitsschutz, Umweltschutz, Mitbestimmung, Renten- und Krankenversicherung, usw. interessiert. Sollte ein EU-Bürger durch einen Konzern zu "Schaden" kommen, kann er ihn ja verklagen (gängige Praxis in den USA). Was glauben Sie wann und wenn überhaupt ein EU-Bürger sein Recht bekommt?
Sollte ein EU-Staat oder die EU als Ganzes ein Gesetz ändern wollen, das die Gewinnerwartung der Konzerne schmälert, wird dieser Staat verklagt. Ein Urteil eines Schiedsgerichts, dass sich der Rechtsstaatlichkeit entzieht, hat in einem demokratischen Staat nichts zu suchen. Rechtsprechung muss überprüfbar und öffenlich sein. Haben sie vergessen was in unserem Grundgesetz steht? Wollen Sie nur noch Gesetze verabschieden, die von den Konzernen gelitten sind? Dann benötigen wir kein Parlament und keine Politiker mehr.
Zu meiner einfachen Frage komme ich jetzt. Haben Sie das CETA Abkommen (ca. 1.500 Seiten) schon gelesen? Es soll ja wohl so eine Art Türöffner für TTIP sein. Welche Verhandlungspunkte aus TTIP sind Ihnen zuverlässig bekannt?
Sehr geehrter Herr Boller,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen.
Ich halte nach wie vor die Darstellung der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) in der Gewerkschaftszeitung ver.di publik Ausgabe 04 mit dem Titel "Gespenstische Vorgänge" für völlig verfehlt. Leider hat die Redaktion meine Gegendarstellung nur in Teilen abgedruckt, so dass meine Bedenken zum Investitionsschutz-Abkommen nicht dargestellt wurden.
Das Verfahren, welches private Konzerne Staaten in kleinen Schiedsgerichten verklagen können, halte auch ich für einen falschen Ansatz. Dennoch gab und gibt es gute Gründe für ein solches Gremium. Wenn Land A und Unternehmen B im Streit sind, muss eine unabhängige Instanz urteilen. Dies gilt umso mehr, wenn die Justiz nicht wirklich unabhängig ist. Nur genau dies ist weder in den USA, noch in Europa der Fall. Deswegen sieht der SPD-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sowie ein Großteil meiner Partei den Investitionsschutz kritisch.
Nur ist dies nicht einzig eine Verhandlung zwischen Deutschland und den USA, sondern aller 28 Mitgliedsländer der Europäischen Union. In vielen Ländern der EU steht man dem Investitionsschutz weit weniger kritisch gegenüber. Somit ist es unsere Aufgabe die Parlamentarierinnen und Parlamentarier in Deutschland sowie im Europäischen Parlament für eine Streichung eines solchen Instrumentariums zu gewinnen.
In allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind die ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert. In den USA bislang nur zwei von acht. Somit können wir die Verhandlungen dazu nutzen, dass die USA möglichst alle acht Normen endlich ratifiziert. Eine Anerkennung der sozialen Standards in beiden Wirtschaftszonen hätte eine gewaltige Strahlkraft auf andere Regionen dieser Erde und nützt nicht nur uns, sondern vielen anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Ihre Einschätzung, dass mit dem CETA-Abkommen ein Türöffner für TTIP geschaffen wurde, teile ich nicht. Jedes Abkommen ist individuell und richtet sich nach den vorab definierten Zielen eines solchen Vertragstextes.
Axel Schäfer MdB