Frage an Axel Schäfer von Sasa I. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schäfer,
wir Bürger wurden nicht nach unserer Meinung gefragt, ob wir den Euro haben wollen, und werden jetzt nicht gefragt, ob wir anderen EU-Staaten helfen sollen ihren Haushalt zu sanieren.
Außerdem finde ich, dass die Einführung des Euro nicht demokratisch legitimiert wurde, genausowenig wie der derzeitige Geldtransfer an Griechenland und andere EU-Staaten nicht demokratisch legitimiert ist.
Anstelle einer harten nationalen Währung haben wir Bürger den weichen Euro und dürfen zuschauen, wie unser Steuergeld, das wir erwirtschaftet haben, nicht für unsere Zwecke verwendet wird.
Mit der Haftung für andere Staaten wird uns Bürgern unser Steuergeld enteignet - denn die Steuereinnahmen sind dazu da den eigenen Staat zu finanzieren. Das ist das Grundprinzip eines Staatshaushaltes.
Zudem verstoßen die diversen "Rettungsschirme" gegen unsere Verfassung und den Lissaboner Vertrag. Die Verfassung schützt die Eigentumsrechte der Bürger - aber die Politik nimmt unser Geld und verleiht es an Dritte. Der Lissaboner Vertrag erlaubt zwar "finanziellen Beistand" - aber nur im Falle von unvorhergesehenen (Natur-)Katastrophen.
Zudem kommt noch, dass es ja nicht direkt unser Steuergeld ist, sondern dass die BRD und andere Geberstaaten dieses Geld bei Banken leihen - und wir Bürger müssen für die Zahlungsverpflichtungen Dritter haften.
Das deutsche Volk hat durch den Euro an Konsumkraft verloren; es wird in Zukunft für fremde Schulden "zahlen" müssen (falls Griechenland u.a. Staaten die Kredite nicht zurückzahlen können), indem unser Rechtsstaat und Sozialstaat in Zukunft unterfinanziert sein wird - die Folgen wären eine weitere Beschleunigung der derzeitigen Verarmung der Bevölkerung.
Wir sind doch das wirtschaftlich stärkste Land Europas - warum haben wir Bürger immer weniger davon?
Meine Frage an Sie:
Wäre es nicht an der Zeit, dass sich die BRD vom Euro verabschiedet und wieder zu einer nationalen Währung zurückkehrt?
Viele Grüße aus Bochum
Sasa Ilic
Sehr geehrter Herr Ilic,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworte. Zuvor möchte ich jedoch auf einige Ihrer Anmerkungen eingehen und muss Ihnen in mehreren Punkten widersprechen.
Ihre Feststellung, die harte D-Mark sei auf undemokratische Weise gegen einen weichen Euro eingetauscht worden, teile ich nicht. Seit Einführung des Euros im Jahr 1999 hat sich die gemeinsame Währung als überaus robust und beständig erwiesen. Die vielfach zitierte Schwäche des Euros existiert de facto nicht, wie auch ein Blick auf den Kursverlauf der letzten zwölf Jahre verdeutlicht. Der Euro ist eine harte Währung, dessen Zukunft allerdings - und hier kann ich Ihre Sorgen nachvollziehen - von einem gemeinsamen und entschlossenen Handeln der zuständigen Akteure abhängig ist. Es geht darum, dass Frau Merkel und die Herren Sarkozy, Barroso und Van Rompuy - um nur einige wenige zu nennen - sich ihrer Verantwortung stellen und die aktuelle Krise wirkungsvoll bekämpfen anstatt sie durch ihr unkoordiniertes und undurchdachtes Verhalten weiter anzufachen. Wie Sie wissen, bin ich Sozialdemokrat, die führenden Köpfe Europas sind aktuell Christdemokraten und Rechtsliberale. Auch ich habe, wie ein Großteil der Bevölkerung, kein Vertrauen in die Fähigkeit der aktuell für die Bewältigung der Krise verantwortlichen Politiker. Deshalb kämpfe ich für andere Mehrheiten. Eines ist jedoch klar: Die Antwort einer sozialdemokratisch geführten EU auf die Krise wäre nicht weniger, sondern mehr Europa. Weiterführende Informationen dazu finden Sie unter „Meine Texte zu Europa“ in der Rubrik „Europa“ auf meiner Homepage www.axelschaefermdb.de, wo Sie sich auch ein Bild über meine Positionen zur Zukunft der europäischen Integration machen können.
Sie kritisieren darüber hinaus, weder die Einführung des Euros noch die aktuellen Rettungsmaßnahmen für Griechenland und andere Staaten seien demokratisch legitimiert. Ich stimme grundsätzlich zu, dass weitere Integrationsschritte stets auch mit einer Verbesserung der demokratischen Legitimation der EU einhergehen müssen (konkret dazu: mein Papier „Neuorientierung der SPD-Europapolitik“ auf meiner Homepage). Auch der stärkere Einbezug von Parlamentariern ist ganz zweifellos ein wichtiger Aspekt und gehört zu den zentralen Anliegen meiner täglichen Arbeit. In den von Ihnen angeführten Fällen kann ich die Kritik jedoch nicht umfänglich teilen. Schließlich wurde insbesondere die Euro-Einführung von einer breiten Mehrheit im Deutschen Bundestag getragen, was in einer parlamentarischen Demokratie ein hohes Maß an Legitimation bedeutet. Hinsichtlich der Beteiligung an den aktuellen Rettungsmaßnahmen stimme ich Ihnen zu, dass die Bundesregierung das Parlament bislang unzureichend einbezieht. Das muss sich ändern! Um Ihnen ein praktisches Beispiel zu nennen: Ich fordere die Bundesregierung auf, den aktuellen EFSF-Vertrag, der den Rahmen für die weiteren Hilfsmaßnahmen bilden wird, dem Bundestag zur Ratifikation vorzulegen (siehe dazu auch meine Pressemitteilung vom 5.9.2011). Es wird sich zeigen, ob Frau Merkel und die schwarz-gelben Koalitionsfraktionen ihre Bekundungen hinsichtlich einer stärkeren parlamentarischen Beteiligung in europäischen Fragen ernst nehmen oder ob es sich auch hier wieder nur um Lippenbekenntnisse handelt.
Ein weiterer Punkt, den Sie ansprechen, betrifft die drohende Unterfinanzierung des Staates und insbesondere der sozialen Sicherungssysteme. Auch hier teile ich Ihre Sorge, sehe aber sowohl andere Gründe als auch andere Lösungen des Problems. Zum einen gilt es sich vor Augen zu führen, woher die enormen zusätzlichen Belastungen der öffentlichen Haushalte in erster Linie stammen: Die weltweite Finanzkrise, ausgelöst und zu verantworten von global agierenden Spekulateuren, hat die Politik ab dem Jahr 2009 dazu gezwungen, mittels umfangreicher Konjunkturprogramme und auch der Rettung sogenannter systemrelevanter Banken ein Übergreifen auf die reale Wirtschaft mit katastrophalen Folgen für alle zu verhindern. Dies führte - neben weiteren, unbestritten vorliegenden Gründen - zu einer massiven Belastung der öffentlichen Haushalte mit den allseits bekannten Folgen. Um die Verursacher der Krise an den Kosten zu beteiligen, fordert die SPD die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die auch zu einer deutlichen Entlastung der Staatsbudgets beitragen würde.
Zu Ihrer Frage, ob Deutschland sich vom Euro verabschieden und zu einer nationalen Währung zurückkehren sollte:
Meine Antwort darauf lautet eindeutig nein! Neben den katastrophalen politischen Folgen genügt es als Begründung bereits sich vorzustellen, was nach Einführung einer neuen eigenen Währung geschehen würden. Diese „neue D-Mark“ würde zweifelsfrei als eine Art sicherer Hafen angesehen werden und auf den internationalen Währungsmärkten reißenden Absatz finden. Eine massive Aufwertung wäre die Folge, was wiederum dazu führte, dass alle Waren aus Deutschland im Rest der Welt deutlich teurer würden. Deutsche Unternehmen könnten sehr viel weniger Maschinen, Autos oder sonstige Produkte verkaufen, was für ein solch exportabhängiges Land verheerende Folgen hätte: Massenhafte Arbeitslosigkeit, Wohlstandsverlust und massive wirtschaftliche Probleme wären zu erwarten. Es gibt für mich keinen Zweifel: Sämtliche Überlegungen zu einem Abschied vom Euro lehne ich in aller Deutlichkeit ab!
Mit freundlichen Grüßen
Axel Schäfer