Warum liefern wir keine Taurus an die Ukraine und warum gibt es keine Großaufträge an die Rüstungsindustrie?
Sehr geehrte Frau B.
herzlichen Dank für Ihre Frage! Für uns steht das krasse Leid der Menschen im Vordergrund. Ich halte es für zentral, wie das Leid beendet werden kann. Die Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und die Verurteilung des Angriffs Putins steht dabei außer Frage. Und genau deswegen wird gegenwärtig deutlich, dass die Lieferung immer mehr und immer schwerer Waffen nicht zu einem Ende, oder einem Gewinn des Krieges führen wird. Da helfen auch Taurus-Marschflugkörper nicht. Das Leid wird weitergehen, wenn wir so denken.
Wir denken, dass wir auf zivile Weise Druck auf Russland ausüben müssen - über Sanktionen, die deren Handlungsträger treffen, über Diplomatie auch mit nahestehenden Partnern Russlands, wie China, Indien oder Brasilien. Nur so wird der Weg an den Verhandungstisch möglich sein - und nur am Verhandlungstisch wird der Krieg enden. Aufgabe der Gespräche muss es daher sein, als Vermittler zu fungieren und zu nächst einen sofortigen Waffenstillstand zu erwirken.
Doch nicht nur die Menschen vor Ort, sondern auch die, die zu uns kommen, verdienen Schutz vor Krieg und politischer Verfolgung. Neben Ukrainerinnen und Ukrainern, auch denen die eigentlich unter die Wehrpflicht fallen, sollte deshalb auch russischen Staatsangehörigen die sich dem Kriegsdienst verweigern, Asyl gewährt werden. Das wäre übrigens auch ein wichtiger Schritt zur Schwächung der russischen Armee. Als Pazifist überlege ich, was ich tun kann, um die Angriffsfähigkeit Russlands zu schwächen.
Daher wehre ich mich aber auch dagegen, nur im militärischen Stil zu denken. Wir dürfen die Spirale nicht weiterdrehen: Die Rüstungsindustrie darf nicht am Krieg und dem Leid der Menschen Profit schlägt. Übergewinne sollten daher mit Hilfe einer Übergewinnsteuer abgeschöpft werden.
Eine weitere Militarisierung der Gesellschaft durch immer größere Aufträge an Rüstungskonzerne und einen ständig wachsenden Verteidigungsetat lehnen wir generell ab. Eine Rückkehr zu einer Sicherheitspolitik des stetigen Aufrüstens, wie es in Zeiten des kalten Krieges üblich war, halten wir als Linke für kontraproduktiv. Stattdessen sollte wieder mehr auf den Ausbau diplomatischer Beziehungen und Initiativen zur Völkerverständigung gesetzt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ates Gürpinar