Frage an Artur Auernhammer von Erich-Günter K.
Sehr geehrter Herr Auernhammer,
jüngst angeregt durch die Äußerungen des Herrn Bundesministers Schmidt zur Gefährdung von Standards bei den TTIP-Verhandlungen, möchte ich Sie um Ihre Meinung bitten zu der Frage „Was wäre, wenn wir vor zehn oder zwanzig Jahren bereits ein Freihandelsabkommen mit den USA u.a. abgeschlossen hätten?“
Wären diese politischen Entscheidungen dann durchsetzbar gewesen?(Beispiele):
Staatliche Förderung
• Alternativer Energien (bis hin zum Atomausstieg und zur Energiewende)
• Biologischer Landwirtschaft
• ÖPNV
• Gesundheits- u. Bildungswesen, Forschung, Sport, Kultur, Parteien, Kirchen, ÖRR
• Auflagen an den Handel zur Müllvermeidung (Verpackung, Recycling)
• Auflagen an die Industrie zum Umweltschutz (Grundwasser, Emission, Baustandards, Werkstoffe, Chemikalieneinsatz)
• Verbot von Steuerfluchtmodellen (Finanzsektor und internationale Konzerne)
Die Prozesse auf diesen Feldern waren und sind politisch mühsam genug. Hätten sie z.B. mit TTIP erreicht werden können?
Ein Blick nach vorn:
Unterstellt, Politik u. Gesellschaft engagierten sich weiter für ambitionierte Zukunftsprojekte, wären Entscheidungen unter TTIP-Bedingungen künftig denbar?
Staatliche Förderung
• Alternativer (Umwelt-)Technologien
• Alternativer Medizin (weniger Pharma- dafür mehr Naturheilprodukte, wo sinnvoll)
• Alternativer Geld- und Finanzwirtschaft
• Auflagen an die Internetwirtschaft (z.B. Einhaltung nationaler Standards und Regeln)
• Auflagen an die private Werbe- und Medienindustrie (Einschränkungen, Normen)
Diese Fragen stellen sich Bürger über den "Chlorhuhnhorizont“ hinaus. Außerdem meine ich, dass es sowohl Politik wie auch den Medien oft schwerfällt, die Komplexität dieses Vorhabens und deren massive Auswirkungen auf die Gesellschaft in Zukunft umfassend und zugleich verständlich darzustellen. Da fiel mir die Frage „Was wäre, wenn…“ in diesem Kontext ein.
Über Ihre Gedanken dazu würde sich sehr freuen
Erich-Günter Kerschke
Sehr geehrter Herr Kerschke,
ich freue mich über Ihr Interesse an den Verhandlungen zur Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen den USA und der Europäischen Union. Ihre Frage ist rein spekulativ und nach meiner Erfahrung leider nicht dazu dienen, dass wir einen Erkenntnisgewinn zum Thema TTIP erhalten. Denn welche Parameter wollten wir gemeinsam in dieser hypothetischen Betrachtung konstant lassen. Oder wollten wir alle erdenklichen Veränderbaren erwägen und gegebene Differenzen einbeziehen. Gravierend sind die verschiedenen Mehrheitsverhältnisse im U.S. Congress zu nennen. Der Stand der Beratungen zu den anderen parallel mit Europa verhandelten Freihandelsabkommen mit den USA war ein anderer.
Blicken wir allein auf Deutschland, könnte man schnell zu der Feststellung kommen, dass das öffentliche Interesse an völkerrechtlichen Verträgen dieser Art weniger geschärft war. Vielleicht wären auch die Debatten weniger stark durch Gefühle geprägt gewesen. In jedem Fall wäre das Bild der Amerikaner in Deutschland weniger belastet gewesen, als sie heute durch die NSU-Affäre ist.
Ihre weiteren Fragen zielen auf die gleiche Annahme- und Was-wäre-wenn- Überlegung, wie die erste. Manche Fragen reißen Sie noch nicht einmal mit mehr als einem Schlagwort an. In gleicherweise könnte ich Ihnen mit JA oder Nein antworten. Ohne mindestens einen Nebensatz im Anschluss, wüssten Sie nicht, was ich meine. Einem interessierten Leser dieser Seiten würde es beim Lesen Ihrer Fragen nicht viel anders ergehen.
Ich kann Ihnen aber versichern, dass auch bei einem vor zehn Jahren ratifizierten Freihandelsabkommen, der Atomausstieg dadurch unabhängig entschieden worden wäre. Einige Bereiche entziehen sich der Kompetenz des Bundes. In jedem Fall wird das Finanzierungssystem der Kirchen in Deutschland weder derzeit über TTIP verhandelt, noch wäre es vor zehn Jahren thematisiert worden.
Zu Ihrem Blick nach vorn will ich Ihnen gern antworten. TTIP verhindert nicht (unser) Leben in Deutschland, sondern soll die Wertschöpfungskette ausweiten und helfen, den europäischen und deutschen Wohlstand zu sichern. Das ist das Wesen von Handel. Im Lichte der Solidargemeinschaft kann damit Deutschland die Beihilfe- und Sicherungssysteme aufrechterhalten und die Bürgerinnen und Bürger unterstützen.
So originell Ihr Fragestellung erscheinen mag, so komplex und potentiell fehlerbehaftet kann die Antwort nur sein. Daher haben Sie bitte Verständnis, dass gerade im Hinblick auf TTIP eine umfangreiche Darstellung einer angenommenen Materie von vor zehn Jahren dem aktuellen Sachstand und der Beförderung und Befruchtung der Beratungen wenig dient.
Ich hoffe dennoch, dass ich Ihnen mit meinen Gedanken behilflich sein konnte und grüße Sie herzlich aus Bayern,
Artur Auernhammer, MdB