Frage an Arno Klare von Urte P. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Klare,
in den vergangenen Wochen werden Ihnen wahrscheinlich nicht die Schlagzeilen über eine Hochschwangere entgangen sein, die von einem Krankenhaus in Berlin abgewiesen wurde ( https://www.rbb-online.de/zibb/archiv/20170711_1830/geburt_auto.html ). Sie sollte zum nächsten Krankenhaus weiterfahren, schaffte es aber leider nur noch zum Parkplatz. Da die Geburt schon zu weit fortgeschritten war, kam das Kind im Auto zur Welt. Im Jahr 2017 werden Reisewarnungen für Schwangere veröffentlicht. Nicht etwa, weil Frau hochschwanger auf lange Flugreisen verzichten sollte, sondern, weil es in einigen Gegenden Deutschlands keinen Kreißsaal mehr gibt ( http://www.hebammen-nrw.de/cms/aktuelles/meldungen/einzelansicht/datum/2017/07/13/sie-sind-schwanger-dann-bleiben-sie-besser-zu-hause/ ).
Wir haben uns im Gesundheitswesen schon an Vieles gewöhnt: wir zahlen den Zahnersatz zu großen Teilen selbst und warten wochenlang auf Termine beim Facharzt. Aber das wir uns jetzt schon darauf vorbereiten müssen, unsere Kinder und Enkel selbst auf die Welt zu bringen, ist dann doch eine neue Dimension. Das erfüllt mich mit großer Sorge! Für eine Geburt ist eine erfahrene Hebamme not-wendig. Insbesondere wenn es die erste Geburt ist, und man noch nicht weiß, was auf einen zukommt. Stress hilft bei einer Geburt absolut nicht weiter. Was gedenken Sie in dieser Sache zu tun? Wie möchten Sie dafür sorgen, dass werdende Mütter, Paare und Großeltern wenigstens sicher sein können eine professionelle Begleitung bei der Geburt zu bekommen?
Mit freundlichen Grüßen
U. P.
Sehr geehrte Frau P.,
vielen Dank für Ihr Schreiben. Ich habe mich wegen Ihrer Fragen zur Geburtshilfe an meine Kollegen des Gesundheitsausschusses gewandt, weil ich als Mitglied im Verkehrsausschuss kein Gesundheitsexperte bin. Diese haben mir versichert, dass es keine Unterversorgung in der Geburtshilfe gibt, wiesen aber darauf hin, dass es immer wieder zu örtlichen Engpässen kommen kann. 98 Prozent der Kinder in Deutschland erblicken das Licht der Welt in einem Krankenhaus, dies macht deren Bedeutung für die Geburtshilfe deutlich und dass wir Alarmsignale, wie den von Ihnen geschilderten Fall, sehr ernst nehmen müssen.
Berlin geriet in die Schlagzeilen, als es bei Überlastung der Krankenhäuser eine hochschwangere Frau trotz bevorstehender Geburt abgewiesen hat. Aus München wird Ähnliches gemeldet. Offenbar stoßen Kliniken in wachsenden Metropolen wegen steigender Geburtenzahlen tatsächlich an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Zu Überlastungen kommt es sicherlich auch, weil Geburten eben nur in gewissem Umfang planbar sind. Müssen Patientinnen abgewiesen werden, wird zumeist schnell in eine andere Einrichtung vermittelt - ohne ernste Konsequenzen. In einigen Fällen jedoch sind dramatische Entwicklungen die Folge. Hier muss dann wegen unterlassener Hilfeleistung gegen das Klinikpersonal ermittelt werden, weil falsch entschieden wurde. Die Rechtslage ist eindeutig, in Notfällen besteht Behandlungspflicht. Bei der Beurteilung ob ein Notfall vorliegt, bzw. ob Mutter und Kind bei einer Abweisung Gefahr droht, werden aber offenbar auch Fehler gemacht.
In vielen Städten wurden in den vergangenen Jahren in stark frequentierten Kliniken die Kapazitäten der stationären Geburtshilfe erweitert. Andere Kliniken müssen ihre Geburtsstationen schließen, weil sie zu wenig genutzt werden. Insofern ist auch eine sogenannte Reisewarnung zu verstehen; auf vielen Nordseeinseln gibt es beispielsweise keine Geburtshilfestationen mehr. Eine Schließung darf aber nur erfolgen, wenn die Versorgung der Bevölkerung durch andere stationäre Einrichtungen in zumutbarer Entfernung gewährleistet ist. Dabei ist auch zu bedenken, dass gerade Kliniken, die einen guten Ruf haben und daher beliebt sind, ihrer Aufgabe eine gute Behandlung und Versorgung zu leisten, besser gewachsen sind als Kliniken, die kaum in Anspruch genommen werden. Einfach weil die Gesamtzahl der Geburten auch für die Qualität der Versorgung spricht. Insofern ist es im Interesse der Familien und vor allem der Kinder nicht immer von Vorteil, Geburtsstationen offen zu halten, auch wenn Sie kaum nachgefragt werden. Dem medizinischen Personal könnte es an Erfahrung und Routine fehlen.
Die Sicherstellung der bedarfsgerechten stationären Versorgung der Bevölkerung im Rahmen der Krankenhausplanung insgesamt obliegt den Ländern. Diese haben die Versorgungsangebote im stationären Bereich unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Versorgungsbedarfs angemessen weiterzuentwickeln.
Im Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) hat der Gesetzgeber dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) den Auftrag erteilt, bundeseinheitliche Kriterien für die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen für Krankenhäuser zu entwickeln (§ 136c Absatz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, SBG V i. V. m. §17b Krankenhausfinanzierungsgesetz, KHG). Hiervon können auch stationär-geburtshilfliche
Einrichtungen in strukturschwachen Gebieten profitieren. Sicherstellungszuschläge können für Krankenhäuser vereinbart werden, wenn die Vorhaltung der stationären Leistungen des gesamten Krankenhauses auf Grund des geringen Versorgungsbedarfs nicht kostendeckend finanzierbar ist, die Leistungen aber zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung notwendig sind und nicht von einem anderen Krankenhaus in zumutbarer Entfernung ohne Zuschlag erbracht werden können.
Auf der Grundlage des am 24. November 2016 gefassten Beschlusses des G-BA können seit 2017 Sicherstellungszuschläge von den Vertragsparteien vor Ort vereinbart werden. Hiervon werden voraussichtlich ca. 70 Krankenhäuser profitieren, sofern sie aufgrund des geringen Versorgungsbedarfs ein Defizit aufweisen. Zusätzlich wird eine Arbeitsgruppe beim G-BA prüfen, ob eine besondere Berücksichtigung von Geburtshilfeabteilungen beim Sicherstellungszuschlag angezeigt ist.
Die konkrete Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen in der stationären Hebammenversorgung ist originäre Aufgabe der Krankenhäuser, die auch für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Hebammen Sorge zu tragen haben. Der Einsatz von Personal und die Personalplanung liegen also in der Organisationshoheit des einzelnen Krankenhauses.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Anzahl an in den Krankenhäusern festangestellten Hebammen/ Entbindungspflegern nach Angaben des Statistischen Bundesamtes seit dem Jahr 1991 stetig angestiegen ist. In den 20 Jahren zwischen 1995 und 2015 hat sich die Anzahl an festangestellten Hebammen von 7.543 auf 9.081 um rund 20 Prozent erhöht – bei einem gleichzeitigen Rückgang der Geburtenzahlen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich der Anteil an Teilzeitbeschäftigten deutlich erhöht hat (während im Jahr 1995 etwa 40 Prozent der festangestellten Hebammen in Teilzeit tätig waren, betraf dies im Jahr 2015 rund 72 Prozent). Im gleichen Zeitraum ist die Anzahl an Beleghebammen von 1.562 auf 1.838 um rund 17 Prozent gestiegen. Die Anzahl der Vollzeitäquivalente liegt seit 2012 konstant bei 6.000.
Die Finanzierung von stationären Leistungen der Geburtshilfe erfolgt durch Fallpauschalen, wobei die Vergütungen auf Basis der von Krankenhäusern selbst gelieferten Kosten- und Leistungsdaten vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) jährlich neu kalkuliert und kontinuierlich weiter entwickelt werden.
Ich verzichte hier darauf das Entgeltsystem detailliert darzustellen. Wenn Sie dennoch weitere Informationen dazu benötigen. Werde ich diese gern nachliefern.
Nur so viel: für den Entgeltkatalog für das Jahr 2017 hat das InEK Verbesserungen vorgenommen, so dass dieser für den Bereich Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett 25 Fallpauschalen umfasst. Die Leistungen der in Krankenhäusern beschäftigten Hebammen sind darin enthalten.
Darüber hinaus wurden Studien in Auftrag gegeben, die Informationen über die Tätigkeiten von Hebammen liefern sollen, damit in Zukunft eine bessere Planung möglich wird.
Mit freundlichen Grüßen
Arno Klare