Frage an Arno Klare von Helmut B. bezüglich Wirtschaft
Guten Tag,
ich möchte im Zusammenhang mit Ihrer Antwort vom 24.07 zu der Frage zum Thema Finanzen Antworten auf folgende Fragen:
1. Sind Sie tatsächlich der Meinung, dass es richtig ist unseren Nachbarn in der EU Geld zu schenken, damit diese unsere in Deutschland hergestellten Waren kaufen können?
2. Wenn es darum geht unseren Nachbarn dieses Geld zu schenken, um in Deutschland Arbeitsplätze zu erhalten, wäre es dann nicht besser dieses Geld in Deutschland zu belassen um hier die Kaufkraft zu erhöhen (z.B. bei den Rentnern) ?
3. Sie beschreiben die EU als lebenswichtig für die deutsche Wirtschaft und unverzichtbar wegen der Exporte. Was war bis 2002 ohne den EURO und die EU in der jetzigen Form? Ich kann mich erinnern, dass Deutschland da nicht "Vize..." sondern sogar Weltmeister im Export war. Bitte beantworten Sie die Frage, ob Sie ernsthaft glauben, dass nach einer spekulativen Abkopplung Deutschlands von der EU unser Export tatsächlich signifikant Rückläufig wäre und vor allem warum. Gibt es möglicherweise dann keinen Bedarf mehr nach in Deutschland hergestellten Gütern?
4. Werden Sie im Fall, dass Sie in den Bundestag gewählt werden für oder gegen die von Herrn Schäuble angekündigten weiteren Rettungsmilliareden für Griechenland oder andere von der Staatspleite bedrohte Länder stimmen. Bitte beantworten Sie diese Frage nur mit „Ja“ oder „Nein“.
5. In allen maßgeblichen Verträgen der EU ist die "Nichtbeistands-Klausel" in Bezug auf die Schuldenhaftung untereinander verankert. Stimmen Sie der Interpretation zu, dass diese Klausel lediglich die automatische Haftung ausschließt. Sehen Sie die momentanen Bestrebungen diese Klausel zu umgehen als legitim an oder sehen Sie darin eher wie die Mehrheit der Bürger Deutschlands einen Gesetzesbruch.
Zu 1) Es wird kein Geld verschenkt, sondern gegen Zins verliehen.
Zu 2) In der Tat sollte die Kaufkraft in Deutschland erhöht werden. Deshalb treten wir für einen Mindestlohn ein, der eine rechnerische Kaufkraftsteigerung von rund 25 Mio. € allein in Mülheim zur Folge hätte. Da wir kein Geld verschenken, kann es auch nicht einfach verteilt werden. Von der ökonomischen und politischen Stabilität Europas profitiert die deutsche Wirtschaft.
Zu 3) Wir sind Vize, weil China uns überholt hat, was im Vergleich der Größen der Länder nicht wirklich verwundert. Die Finanzkrise erwies sich als steuerbar, weil Europa als Ganze agieren konnte. Eine Destabilisierung des europäischen Kontextes wäre für die deutsche Wirtschaft in hohem Maße kontraproduktiv. Insofern haben wir ein vitales Interesse daran, dass Europa als EU weiterhin funktioniert. Vor 2002 gab es keinen Euro, aber gleichwohl die European Currency Unit (ECU). Über diese Verrechnungseinheit (plus "Währungskorb") waren die Paritäten fixiert. Alle Rechnungen in Europa wurden über den ECU umgerechnet. Der Euro ist im Grunde nichts weiter als der ECU als Sichtgeld. Den ECU gab es seit 1979. Das heißt, seit dem war Deutschland in das europäische Währungssystem eingebunden. Wenn man so will haben wir den Euro also schon viel, viel länger. Kehrte z.B. Griechenland zur Drachme zurück, würde dies dazu führen, dass er gegenüber dem € dermaßen drastisch abwertet, dass sich kein Drachmenbesitzer Waren und Güter in "hard currency" mehr leisten kann. Ein ähnliches Phänomen haben wir im Zuge der deutschen Einheit erlebt. In der Nacht zum 1. Juli 1990 waren alle Exportbetriebe der damals noch existenten DDR pleite, weil ihre Waren jetzt in DM bezahlt werden mussten.
Zu 4) Eine Entweder-Oder-Frage" ist nicht als Entscheidungsfrage beantwortbar. Ich würde für die Stabilität Europas stimmen.
Zu 5) Eine automatische Haftung gibt es nicht. Es geht auch nicht um Haftung, weil es keine Haftpflicht gibt. Gleichwohl hat sich Deutschland - und das mit sehr großer politischer Mehrheit - entschlossen, Solidarität zu üben, um die Euro-Zone stabil zu halten. Deutschland sollte sich daran erinnern, dass uns nach 1945 der Marshall-Plan und vor allem das Londoner Schuldenabkommen immens geholfen haben. Die Schuld, die das nationalsozialistische Deutschland auf sich geladen hatte, ist mit der Griechenlands heute kaum vergleichbar - ich hoffe, dass wir uns darin zumindest einig sind. Für Deutschland wurde nicht der Morgenthau-Plan in Erwägung gezogen, sondern der des US-Außenministers Marshall.
Sehr geehrter Herr Behrents,
ich beantworte gern Ihre Fragen, entnehme ihnen aber, dass sie prinzipiell anderer Meinung sind. In einer Demokratie wie der unsrigen ist das ein völlig normaler Vorgang, der aber auch den Schluss nahelegt, dass sie nicht mich und ich ganz offenkundig nicht Sie überzeugen kann. Ich schlage deshalb vor, dass wir gemeinsam feststellen, unterschiedlicher Meinung zu sein.
Mit freundlichen Grüßen
Arno Klare