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Frage von Wolfgang H. •

Frage an Anton Schaaf von Wolfgang H. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Schaaf,

Ihr Parteigenosse Thomas Oppermann hat mich gebeten, die an ihn gerichteten Fragen an Sie als rentenpolitischen Sprecher der SPD weiterzuleiten. Dies werde ich hiermit tun:

Ich darf mich nunmehr auf eine Rentenerhöhung von 0,25 % freuen. Die Freude hält sich allerdings in Grenzen wenn ich sehe, was man Bekannter als pensionierter Oberstleutnant an Pension und nachträglicher Pensionserhöhung ab 1.1.2013 bekommt.
Mir ist bewusst, dass die Rentnergeneration im Jahre 2010 - zu der ich zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gehörte - eine Rentenkürzung hätte hinnehmen müssen, weil die so genannte Netto-Lohn-Quote ein negatives Vorzeichen aufwies. Weil diese Rentenkürzung jedoch nicht vorgenommen wurde, erfolgt nun quasi eine Verrechnung.

Deshalb meine Fragen:

1. Warum wird mir als Neu-Rentner die aus 2010 resultierende Verrechnung zugemutet?
2. Trifft es zu, dass in die für die Rentenerhöhung maßgebliche Netto-Lohn-Quote auch die Mini-Jobber, Aufstocker und sonstigen von Lohndumping-Systemen Betroffenen mit einfließen und damit den Durchschnitt des Netto-Lohns negativ beeinflussen?
3. Warum wird diese für Rentner angewandte Netto-Lohn-Quote nicht im gleichen Ausmaß auf die Pensionsbezieher angewandt - und wie steht die SPD zu einem solchen Änderungsansinnen?
4. Warum werden die Diäten der Bundestagsabgeordnetnen nicht an den Rhythmus und die prozentuale Erhöhung der gesetzlichen Renten angepasst - und wäre dies nicht eine vortreffliche Forderung der SPD zum Thema "Abbau sozialer Ungerechtigkeiten"?
5. Was müssen ca. 20 Mio Rentner nach Ihrer Auffassung tun oder unterlassen, um ihre Interessen wirksamer durchzusetzen - eine einflussreiche Interessenvertretung wie die Pensionäre mit dem Deutschen Beamtenbund gründen oder für 3 Tag die A 2 am Hannover Kreuz in beide Fahrtrichtungen Ost-West und Nord-Süd blockieren?

Ich würde mich freuen, wenn Sie meine Fragen -trotz der teilweise emotionalen Entrüstung - vollständig beantworten. Vielen Dank.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hartmann,

Ihre Fragen kann ich wie folgt beantworten:

(zu 1. und 2.) Die jährlichen Rentenanpassungen richten sich nach der Entwicklung der Löhne und Gehälter, aus deren Beiträgen die gesetzliche Rentenversicherung hauptsächlich finanziert wird. Die _niedrige Rentenanpassung_ von 0,25% in diesem Jahr für die Rentnerinnen und Rentner in den alten Bundesländern spiegelt zwar eine positive Lohnentwicklung wider, diese ist aber verglichen mit der in den neuen Bundesländern deutlich niedriger ausgefallen. Zum Vergleich: 1,5% in den alten und 4,32% in den neuen Bundesländern. Diese unterschiedliche Entwicklung lässt sich vor allem auf das Anwachsen des Niedriglohnbereichs in den alten Bundesländern aber auch auf die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze Ost im Jahr 2011 zurückführen. Zugleich bewirkt die Rentenanpassungsformel (hier spielen bspw. der Nachhaltigkeitsfaktor, die Veränderung der Beitragssätze sowie die Aufwendungen der Versicherten für die geförderte private Altersvorsorge eine Rolle), dass die Renten insgesamt langsamer steigen als die Löhne und Gehälter. Dieser Mechanismus wurde eingeführt, um die finanzielle Belastung der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler sowie für die Unternehmen durch die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht zu groß werden zu lassen. Zusätzlich kommt in diesem Jahr der sogenannte Ausgleichsfaktor zum Tragen; er halbiert die Rentenanpassung in den alten Bundesländern. Dieser Abzug wird nun vorgenommen, weil Dämpfungen nachgeholt werden, die wegen der Rentengarantie in der Vergangenheit nicht vorgenommen werden konnten. In den neuen Bundesländern ist dieser Ausgleichsbedarf bereits abgearbeitet und macht sich dort daher nicht mehr bemerkbar. Ohne Rentengarantie allerdings hätten in der Vergangenheit sinkende Löhne zu einer Rentenkürzung geführt!

Das Problem der niedrigen Rentenanpassung beinhaltet jedoch noch eine weitreichendere Dimension. Denn bleiben die Renten hinter der Lohnentwicklung weiter zurück, so bedeutet dies ein niedrigeres Rentenniveau in der Zukunft. Dies hat die SPD als eins der Hauptprobleme für die Entwicklung der Renten erkannt. Daher wollen wir - so haben wir es im neuen Rentenkonzept vom 24. November 2012 beschlossen - das Rentenniveau auf dem gegenwärtigen Stand halten. Um dies zu erreichen, müssen wir dafür sorgen, dass die Renten wieder näher an die Lohnentwicklung heranrücken. Denkbar wäre, dass die unterschiedlichen Berechnungsfaktoren eine positive Entwicklung mit sich bringen, wenn sich die ökonomischen Daten entsprechend entwickeln - die Löhne und Gehälter steigen, das Verhältnis von Rentnern und Beitragszahlern sich verbessert bzw. ausgewogen bleibt und die Beitragssätze stabil bleiben bzw. nur moderat steigen. Wir ziehen aber auch die Änderung der Berechnungsgrundlage für die aktuellen Rentenwerte in Erwägung. Dies würde in der Folge die Anpassung des sogenannten Riester-Faktors an das tatsächliche Sparverhalten der Versicherten zur Riesterrente bedeuten. Bei Einführung der Riesterrente wurde zunächst unterstellt, dass alle Berechtigten in vollem Umfang (ansteigend bis auf 4% ihres Bruttolohns in die geförderte private Altersvorsorge einzahlen). Dies hat sich mittlerweile als falsch erwiesen, viele Berechtigte sparen nicht (im Augenblick rund 16 Mio.) und wenn, dann nicht in vollem Umfang. So wurden aber die jährlichen Rentenanpassungen seit 2002 in 8 Stufen um etwa 0,65% jährlich abgesenkt. Eine deutlich zu hohe Absenkung, die daher in Zukunft wieder zurückgeführt werden kann.

Darüber hinaus müssen wir einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn einführen und der weiteren Ausbreitung prekärer Beschäftigung Einhalt gebieten. Denn nur gute Löhne führen zu guten Renten bzw. nur angemessene Lohnsteigerungen, können auch für ordentliche Rentensteigerungen sorgen. Allerdings lassen die gegenwärtigen Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag im Augenblick keine Änderung im unserem Sinne zu. Die Bundesregierung betreibt eine ganz andere Politik und nimmt damit in Kauf, dass das Rentenniveau in Zukunft weiter absinkt. So hat sie zu Beginn diesen Jahres die Beitragssätze zur gesetzlichen Rentenversicherung von 19.6% auf 18,9% abgesenkt. Damit bleibt kaum Spielraum für Leistungsverbesserungen und die finanziellen Reserven der Deutschen Rentenversicherung werden sehr viel schneller aufgezehrt als notwendig. Dies ist auch vor dem Hintergrund der immer noch andauernden Finanzkrise unverantwortlich. Zum Ende des nächsten Jahrzehnts wird so aus heutiger Sicht ein sprunghafter Beitragssatzanstieg unausweichlich, der sich dann wiederum zusätzlich negativ auf die folgenden Rentenanpassungen auswirken wird.

(zu 3. und 5.) Das Grundsatzprogramm der SPD enthält die Forderung, die _gesetzliche Rentenversicherung langfristig auf alle Erwerbstätigen auszudehnen_, also u. a. auch Beamte einzubeziehen. Kurzfristig könnte dieses Ziel schon deshalb nicht verwirklicht werden, weil wesentliche Elemente der Beamtenversorgung durch Artikel 33 des Grundgesetzes geschützt sind. Außerdem kann der Bund seit der sog. Föderalismusreform nur noch die Versorgung der Bundesbeamten (und Berufssoldaten) regeln. Für die weitaus größere Zahl der Landesbeamten liegt die Gesetzgebungszuständigkeit seitdem beim jeweiligen Land. Die zunächst erforderlichen Änderungen des Grundgesetzes bedürften einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat, die auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist.

Das Grundsatzprogramm der SPD geht weiterhin davon aus, dass die gesetzliche Rentenversicherung durch Betriebsrenten oder öffentlich geförderte private Vorsorge ergänzt wird. Dementsprechend könnte die Beamtenversorgung nicht allein durch die Rentenversicherung ersetzt werden. Vielmehr müsste die Beamtenschaft dann, wie jetzt schon die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes, ergänzend bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichert werden. Da die Beamtenversorgung eine beitragsfreie Versorgung ist, müsste bei ihrer Ablösung durch Rentenversicherung und Betriebsversorgung damit gerechnet werden, dass die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes eine Erhöhung der Bruttobezüge fordern würden, um die künftige Beitragsbelastung auszugleichen. Außerdem würden bestehende Beamtenverhältnisse bzw. erworbene Versorgungsanwartschaften weitgehend unberührt bleiben müssen.

Der Vergleich der durchschnittlichen Höhe von Renten und Pensionen geht aus mehreren Gründen methodisch fehl:

* Bei der Beamtenversorgung handelt es sich um eine sog. Vollversorgung, die nicht nur die Rente ersetzt, sondern auch die ganz oder teilweise arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung, die die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes und viele andere Arbeitnehmer, zumindest in Großunternehmen, erhalten. Die Höhe der Beamtenversorgung kann schon deshalb nicht mit der Höhe der Rente verglichen werden.

* Es gibt in der heutigen Rentnergeneration zahlreiche Klein- und Kleinstrenten bei Personen, die nur kurzzeitig (versicherungspflichtig) gearbeitet haben und danach beispielsweise Hausfrau wurden oder als Selbstständige nicht mehr der Versicherungspflicht unterlagen. Beamte müssen in solchen Fällen aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden und werden in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert, weshalb es Klein- und Kleinstpensionen zwangsläufig nicht gibt, sondern diese auch noch in Form von Renten anfallen. Das gleiche gilt für Zeitsoldaten, die ebenfalls in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert werden.

* Die unterschiedlichen Statusverhältnisse (Beamte und Tarifbeschäftigte) sind nicht gleichmäßig über die unterschiedlichen Qualifikationen verteilt. Mehr als drei Viertel der Beamten (ohne Soldaten) gehören zu den Laufbahnen des gehobenen und höheren Dienstes, nur knapp ein Viertel gehört zu den Laufbahnen des einfachen und mittleren Dienstes (Stand 2010).

(zu 4.) Die Rente aus der _gesetzlichen Rentenversicherung und die Abgeordnetenentschädigung_ sind aufgrund ihrer Funktion und Finanzierung grundverschieden: Während die Abgeordnetenentschädigung die unabhängige Ausübung des Mandats gewährleisten soll, dient die gesetzliche Rente zur Absicherung im Alter, bei Erwerbsminderung oder von Hinterbliebenen. Die Abgeordnetenentschädigung wird aus dem Bundeshaushalt finanziert, die Rente hauptsächlich durch Beitragszahlungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie zusätzlich durch einen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt. Aufgrund dieser Unterschiede können Rente und Abgeordnetenentschädigung nicht gleich behandelt werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Abgeordneten dazu verpflichtet, dass sie selbst über die Höhe ihrer Entschädigung entscheiden müssen. Als Richtgröße für die Abgeordnetendiäten gilt die Beamten-Besoldung B6. Diese Besoldung erhalten Bürgermeistern von Städten zwischen 50 000 und 100 000 Einwohnern.

Bundestagsabgeordnete, die Wahlkreise mit durchschnittlich 250 000 Einwohnern vertreten, sollen also die gleiche Bezahlung bekommen wie Bürgermeister mittlerer deutscher Städte. Oder anders gesagt: Die Abgeordneten verdienen mehr als viele ihrer Wählerinnen und Wähler. Zugleich ist dieser Betrag geringer als das durchschnittliche Monatsgehalt eines Unternehmers oder eines etablierten Wissenschaftlers. Wenn diese Menschen ein Mandat als Bundestagsabgeordnete übernehmen, müssen sie damit rechnen, weniger als in ihrem bisherigen Beruf zu verdienen. Um sicherzustellen, dass im Bundestag Vertreter aller Einkommensklassen vorhanden sind, muss die Abgeordnetenentschädigung so gestaltet sein, dass sie auf der einen Seite für Gutverdienende zumutbar und auf der anderen Seite der sehr verantwortungsvollen und zeitintensiven Tätigkeit angemessen ist. Ich denke, dass mein Arbeitsaufwand und meine Verantwortung als Abgeordneter durchaus mit der Belastung der genannten Bürgermeister zu vergleichen sind.

Mit freundlichen Grüßen

Anton Schaaf