Warum wird das "Bedingungsloses Grundeinkommen" nicht eingeführt
Sehr geehrte Frau Antje Tillmann,
recht herzlichen Dank für Ihre Antwort vom 30.07.2021.
Aus dem „Armuts- und Reichenbericht der Bundesregierung 2021“ geht hervor, „Die Wahrscheinlichkeit, arm zu bleiben ist seit Ende der 1980er Jahre von 40% auf 70% angestiegen.“. Ich denke, es ist für uns als Export-Weltmeister ein Armutszeugnis und eine Änderung sollte schnell herbeigeführt werden. Warum wird hierzu nicht das „Bedingungslose Grundeinkommen“ genutzt und was spricht dagegen es einzuführen? Die Finanzierung kann nicht das Hauptargument sein, denn wenn große deutsche Firmen während Corona großzügig unterstützt werden, ist Geld vorhanden. Es geht also, aber warum nicht für das „Bedingungslose Grundeinkommen?
Mit freundlichen Grüßen aus Erfurt
Frank Schweinert
Sehr geehrter Herr Schweinert,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Soziale Sicherheit in Deutschland soll nicht nur Armut verhindern, sondern jedem ein Leben in Würde ermöglichen. Dazu steht die Union. Ein bedingungsloses Grundeinkommen wird es mit uns aber nicht geben.
Nachteile
Denn es hat erhebliche Nachteile: Warum beispielsweise sollen ausgerechnet auch vermögende Personen in den Genuss einer steuerfinanzierten Grundsicherung kommen? Ein Grundeinkommen als Ersatz für alle anderen staatlichen Transferleistungen würde dennoch nicht alle Probleme lösen; so müssten Folgekosten von Unfällen oder Krankheit dennoch weiterhin mit staatlichen Leistungen aufgefangen werden, was auch Bedürftigkeitsprüfungen weiterhin erforderlich machen würde.
Auch könnte die bedingungslose Gewährung eines Grundeinkommens an Jedermann einen Anreiz für Unternehmen darstellen, den Niedriglohnsektor auszuweiten, statt existenzsichernde Löhne zu zahlen. In diesem Fall könnte eine Kombination aus niedrigeren Löhnen und wegfallenden Sozialleistungen sogar zu einer Schlechterstellung bisheriger Transferempfänger führen. Andere, nicht auf das Grundeinkommen angewiesene Gesellschaftsteile hingehen könnten mit ihm Vermögen bilden und akkumulieren. Die Schere zwischen Arm und Reich könnte also sogar weiter auseinandergehen.
Unser Ziel ist es stattdessen, für ein zukunftsfähiges Land nach Möglichkeit jede und jeden zu aktivieren und allen die Möglichkeit zu geben, ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Der Mindestlohn ist hierzu ein Beitrag. Im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe halten wir es für zielführender, Menschen auch in Zukunft situationsbedingt zielgenau zu unterstützen, anstatt ein bedingungsloses Grundeinkommen zu zahlen.
Unionsprogramm
Wir wollen in der neuen Legislaturperiode eine Offensive zur beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende starten, um zum Beispiel Sprachkompetenzen und Ausbildungsfähigkeit zu verbessern. Wir werden jedem ein Angebot machen, damit die Betroffenen wieder für sich selbst und andere sorgen können. Wir stehen zum Fördern und Fordern.
Damit mehr geringqualifizierte Arbeitslose an einer Aus- und Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen, werden wir die Rahmenbedingungen verbessern. Die Anrechnung von Einkommen im SGB II wollen wir neu ausgestalten, um damit mehr Anreize zur Aufnahme einer Beschäftigung zu setzen und einen schrittweisen Ausstieg aus Hartz IV zu fördern. Ziel muss sein, möglichst viele Menschen aus Hartz IV wieder in Arbeit zu bringen.
Hinzuverdienstregeln für Jugendliche und junge Erwachsene bis zum 21. Lebensjahr und während der Ausbildung zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss in Bedarfsgemeinschaften werden wir im Rahmen des Jugendschutzes ebenfalls deutlich ausweiten.
Wir werden das SGB-II-Leistungsrecht so vereinfachen, dass sich damit der Verwaltungsaufwand und die Zahl der Gerichtsverfahren deutlich reduzieren. Die dadurch gewonnenen Personalressourcen werden wir für eine stärkere Betreuung der Leistungsempfänger zur Verfügung stellen.
Insbesondere Personen, die auf ein langes Arbeitsleben zurückschauen können, empfinden einen Wohnungswechsel bei Beantragung von Grundsicherungsleistungen als zutiefst ungerecht. Deshalb wollen wir vertraute Wohnsituationen in Zukunft besser schützen.
Corona-Wirtschaftshilfen
Die flächendeckende, schuldenfinanzierte Unterstützung der Unternehmen sowie die Zahlung des staatlichen Kurzarbeitergeldes in den Hochzeiten der Corona-Pandemie mit dem bedingungslosen Grundeinkommen ins Verhältnis zu setzen, ist aus meiner Sicht kein geeigneter Vergleich. Ohne diese Maßnahmen hätte in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt eine nie dagewesene Krise mit massenweisen Unternehmensinsolvenzen und Massenarbeitslosigkeit gedroht - ein Flächenbrand. Insbesondere viele kleine und mittlere Unternehmen hätten diese Phase nicht überlebt. Das Eigenkapital vieler dieser Firmen ist wegen der Krise inzwischen aufgebraucht. Weit über 90% aller Unternehmen in Deutschland sind aber mittelständische Unternehmen, die für 60% der Arbeits- und über 80% der Ausbildungsplätze stehen. Nun besteht die Chance, dass diese Rettung der deutschen Wirtschaft sich über wieder anspringende Steuereinnahmen selbst trägt und dazu beiträgt, dass die krisenbedingten Schulden im vom Grundgesetz vorgegebenen Zeitraum bis 2042 wieder zurückgezahlt werden können.
Mit freundlichen Grüßen
Antje Tillmann