Frage an Antje Tillmann von Matthias H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Tillmann,
ich möchte Sie fragen, wie Sie zu den folgenden Themen stehen, welche Aufgaben eine neue Bundesregierung angehen muss:
1. Das Gesundheitssystem nachhaltig und gerecht gestalten, Ende der Zwei-Klassen-Medizin.
2. Eine auskömmliche Rente einführen. Altern in Würde braucht eine großzügige Mindestrente.
3. Den Bahnverkehr attraktiver machen, Investitionen in Busse und Bahnen.
4. Lobbyismus bekämpfen, z.B. durch ein zentrales Lobbyregister.
5. Keine undemokratischen und unfairen,wie TTIP und CETA Freihandelsabkommen abschließen.
6. Steuerflucht konsequent verfolgen und bestrafen.
7. Den Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv beschleunigen.
8. Einen schnellen Ausstieg aus der Kohle verankern.
9. Massentierhaltung einschränken.
Bitte erklären Sie mir kurz, wie Sie und Ihre Partei sich im Falle einer Regierungsbeteiligung dazu verhalten würden.
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen,
M. H.
Sehr geehrter Herr H.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen.
Gute medizinische und pflegerische Versorgung wird auch zukünftig sichergestellt
Deutschland hat eines der besten Gesundheitswesen der Welt. Wir werden sicherstellen, dass Menschen im Falle von Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder bei einem Unfall auch zukünftig eine gute medizinische und pflegerische Versorgung erhalten – unabhängig von ihrem Einkommen und Wohnort. Die Einführung einer sogenannten Bürgerversicherung lehnen wir ab.
Die vergangenen Regierungsjahre waren gute Jahre für Gesundheit und Pflege: Nach einer großen Zahl von Gesundheitsreformen in der Vergangenheit ist unser Gesundheitssystem nunmehr schon seit rund zehn Jahren stabil und leistungsfähig.
Uns leitet das Interesse der Patientinnen und Patienten: Auf sie persönlich werden wir die Versorgung noch stärker zuschneiden. Durch eine bessere Vernetzung aller an der Versorgung Beteiligten werden wir dafür sorgen, dass aus vielen guten medizinischen und pflegerischen Einzelleistungen stets auch eine gute Mannschaftsleistung wird. Gerade die Versorgung älterer, oft mehrfach und chronisch erkrankter Menschen, schwer erkrankter Kinder und psychisch Kranker erfordert dies.
Wir stärken die Rechte der Patientinnen und Patienten auch durch verständlichere Gesundheitsinformationen und mehr Transparenz im Hinblick auf die Qualität der medizinischen und pflegerischen Leistungen. Deshalb werden wir ein „Nationales Gesundheitsportal“ schaffen, das wissenschaftlich abgesicherte und verständliche Informationen bündelt und im Internet zur Verfügung stellt.
Die Möglichkeiten der Digitalisierung im Gesundheitswesen werden wir entschlossen nutzen. Das E-Health-Gesetz ist dazu ein erster wichtiger Schritt: Wir sichern den Schutz höchstpersönlicher Daten und geben Patientinnen und Patienten zukünftig die Möglichkeit, wesentliche Gesundheitsinformationen den behandelnden Ärzten zur Verfügung zu stellen. Das kommt allen zugute und kann Leben retten
Beste Versicherung gegen Altersarmut ist Erwerbstätigkeit
Grundsätzlich ist die Rente ein Spiegelbild des Erwerbslebens. Die beste Versicherung gegen Altersarmut ist eine gute und durchgehende Erwerbstätigkeit. Mit der CDU/CSU-geführten Bundesregierung haben wir einen Rekord bei den Beschäftigten und einen Tiefstand bei den Arbeitslosen. Diesen Weg wollen wir fortsetzen. Unser Ziel lautet: Vollbeschäftigung bis spätestens 2025.
Wir wollen zielgerichtet den Menschen helfen, die zukünftig ein höheres Risiko haben könnten, im Alter auf staatliche Unterstützung angewiesen zu sein. Für Erwerbsgeminderte haben wir bereits in dieser Legislaturperiode deutliche Verbesserungen auf den Weg gebracht. Wir haben die Zurechnungszeiten für Erwerbsminderungsrenten in diesem Zeitraum zweimal erhöht. Damit bekämpfen wir Altersarmut bei denen, die aufgrund von Krankheit vorzeitig in Rente gehen mussten. In der neuen Wahlperiode werden wir für diese Personengruppe weitere Verbesserungen durchsetzen.
Wir wollen unser Altersvorsorgesystem mit seinen drei Säulen, unter Einbeziehung der Grundsicherung im Alter, zukunftsfest aufstellen. Die Weiterentwicklung der Rente nach 2030 soll in einem partei- und fraktionsübergreifenden gesellschaftlichen Konsens unter Einbeziehung der Tarifpartner geregelt werden. Zu diesem Zweck setzen wir eine Rentenkommission ein, die bis Ende 2019 Vorschläge erarbeiten soll. Unser Ziel bleibt es weiterhin Altersarmut zu vermeiden.
Sollte sich vor dem Jahr 2030 aufgrund der Empfehlungen der Kommission Handlungsbedarf bei der betrieblichen oder privaten Vorsorge ergeben, werden wir die notwendigen Maßnahmen ergreifen.
270 Mrd. € für Infrastruktur bis 2030
Deutschland ist weltweit Vorzeigeland für seine Infrastruktur. Das ist die Grundlage unserer internationalen Spitzenposition bei Lebensqualität, Arbeit, Wachstum und Wohlstand. Wir wollen unsere Straßen, Schienen und Wasserwege daher weiter stärken und fit machen für die Verkehrszuwächse der Zukunft.
Wir haben in dieser Wahlperiode unsere Investitionen in die Infrastruktur um 40 Prozent auf Rekordniveau gesteigert. Diese hohen Mittel für Infrastruktur wollen wir mindestens verstetigen. Der neue Bundesverkehrswegeplan bietet eine hervorragende Grundlage für die weiteren Maßnahmen. Darum haben wir auch mit den Ausbaugesetzen klare Prioritäten bis 2030 festgelegt. So gilt es zuallererst die vorhandenen Infrastruktur zu erhalten. Neu- oder ausgebaut wird vorrangig dort, wo zu wenige und verspätete Züge das Reisen und den Gütertransport behindern. In der Kategorie des sogenannten „Potentiellen Bedarfs“ sind die Projekte zusammengefasst, die in den „Vordringlichen Bedarf“ aufsteigen können, sobald sie die dafür notwendigen Kriterien erfüllen.
Wir wollen, dass Züge pünktlicher ankommen und Menschen weniger im Stau stecken. Dadurch gehen auch Lärm- und Abgasbelastungen durch den Verkehr zurück.
Zukünftig werden wir Mobilität noch verlässlicher, attraktiver und individueller gestalten. Um die unterschiedlichen Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen, werden wir angepasste Mobilitätskonzepte im städtischen sowie im ländlichen Raum etablieren. So erfüllen das Auto und der abrufbare Bus (Bus on demand) auf dem Land gleichermaßen die Mobilitätswünsche wie Busse und Bahnen in der Stadt. Mit der mobilen Vernetzung werden neben den klassischen öffentlichen Verkehrsmitteln auch moderne und intelligente Beförderungskonzepte an Bedeutung gewinnen.
Gesetzgebungsverfahren ist transparent
Das Gesetzgebungsverfahren ist bereits jetzt transparent und nachvollziehbar. Das gesamte Verfahren ist auf der Internetseite des Bundestages abrufbar. Die Plenardebatten, die Abstimmungen, die Beschlussempfehlungen des federführenden Ausschusses und eine Vielzahl von Anhörungen zu Gesetzesvorlagen, die schriftlichen oder mündlichen Fragen der Abgeordneten an die Bundesregierung, sogenannte große oder kleine Anfragen, alles ist öffentlich. Es gibt im Bundestag kein Transparenzdefizit. Das haben bei der Anhörung im Geschäftsordnungsausschuss am 11. Mai 2016 auch eine Reihe derjenigen Sachverständigen bestätigt, die sich beispielsweise für die Einführung eines erweiterten Lobbyistenregisters aussprechen.
Selbstverständlich begegnen uns Abgeordneten auch abseits der Anhörungen verschiedenste „Lobbyisten“ aus allen Bereichen der Gesellschaft – große Wirtschaftsunternehmen, Gewerkschaften, Kirchen, Umweltgruppen, Handwerk und Mittelstand, Bürgerinitiativen oder auch Vereinen. Sie alle möchten uns ihre Anliegen näherbringen. Diese Vertretung von Interesse ist keine schlechte Sache, sie ist in einer Demokratie im Gegenteil sogar dringend notwendig. Nur wenn die Politik die Interessen aller Beteiligter kennt, können verantwortungsvolle Entscheidungen getroffen werden.
Meine Aufgabe ist es, zwischen den verschiedenen Einzelinteressen den richtigen Weg zu finden. Ich bin davon überzeugt, dass uns das überwiegend gelingt.
TTIP / CETA
Oftmals wird der Eindruck erweckt, die Verhandlungen seien undemokratisch und intransparent – das ist nicht der Fall. Es existieren umfangreiche Informationsmöglichkeiten - beispielsweise auf der Internetseite des Bundeswirtschaftsministeriums und der Seite der Europäischen Kommission - und eine Einbindung zivilgesellschaftlicher Vertreter. Außerdem sind nationale Parlamente und das EU-Parlament beteiligt.
Kampf gegen Steuervermeidung und -hinterziehung
Steuerhinterziehung wird konsequent verfolgt und bestraft. Gleichzeitig muss es aber weiterhin möglich sein, unter bestimmten Voraussetzungen von selbst in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren und dem Fiskus nachträglich vorenthaltene Steuern zuzuführen. Andernfalls wäre die Anreizwirkung zur vollständigen Offenlegung gleich null.
Wir haben daher die Voraussetzungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige in dieser Legislaturperiode neu austariert bzw. unter deren Beibehaltung verschärft. Die Grenze, bis zu der eine Steuerhinterziehung ohne Zahlung eines zusätzlichen Geldbetrages bei einer Selbstanzeige straffrei bleibt, haben wir von 50.000 Euro auf 25.000 Euro abgesenkt. Auch die Zahlung der Hinterziehungszinsen ist inzwischen Tatbestandsvoraussetzung für eine wirksame strafbefreiende Selbstanzeige. Zudem muss für die Wirksamkeit der Selbstanzeige zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Jahre eine nachträgliche Steuererklärung gemacht werden.
Insbesondere auch zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen inländischer Unternehmen gegenüber ausländischen Unternehmen wollen wir den internationalen Kampf gegen Steuervermeidung und -hinterziehung fortzusetzen. Gemeinsames, international abgestimmtes Handeln gegen die Aushöhlung der Bemessungsgrundlage und gegen Gewinnverlagerungen ist hier schon an die Stelle nationaler steuerpolitischer Egoismen getreten. Dem dient das von der CDU mitinitiierte OECD/G20-Großprojekt „BEPS“, dem sich inzwischen 100 Staaten angeschlossen haben. Mit dem im nächsten Jahr anlaufenden automatischen internationalen Informationsaustausch werden sich die Steuerbehörden der teilnehmenden Staaten über das Fließen von Zinsen und Dividenden gegenseitig unterrichten, so dass sich Kapitalanleger im Ausland nicht der Besteuerung entziehen können. Besteuerungslücken werden mit dem Projekt "BEPS" geschlossen, steuerlicher Gestaltungsmissbrauch konsequent verhindert. Wir wollen diesen Weg weitergehen und für einen fairen Steuerwettbewerb sorgen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die Maßnahmen auch diejenigen treffen, die die Regeln zum Nachteil rein national tätiger Unternehmen ausnutzen. Denn am Ende werden die Regeln nur dann akzeptiert, wenn sie auch die Richtigen treffen.
Umbau der Energieversorgung auf erneuerbare Energien
Wir bekennen uns zu dem 2011 und zuletzt im Koalitionsvertrag 2013 festgelegten Ausbaupfad für erneuerbare Energien und wollen diesen umsetzen.
Ein Wirtschafts- und Industrieland wie Deutschland braucht eine langfristig sichere, bezahlbare und saubere Energieversorgung. Der Umbau der Energieversorgung auf erneuerbare Energien ist in dieser Legislaturperiode erheblich vorangekommen. Wir haben einen verbindlichen Ausbaupfad geschaffen, der allen Beteiligten Planungssicherheit gibt. Durch die marktwirtschaftliche Umgestaltung des Fördersystems sind die Ausbaukosten für Wind auf hoher See, Wind an Land und für Photovoltaik-Anlagen drastisch gesunken. Die EEG-Umlage haben wir stabilisiert, energieintensive Unternehmen entlastet, den Strommarkt neu geordnet und die Voraussetzungen für den Ausbau der großen Übertragungsnetze bis 2023 geschaffen.
Fossilen Energiequellen müssen langfristig ersetzt werden
Langfristig muss ein großer Teil der fossilen Energiequellen wie Kohle, Öl und Gas durch klimafreundlichere Energiequellen ersetzt werden. Wir halten an den bestehenden Energie- und Klimazielen fest und setzen sie weiter um. Die subventionierte Förderung der Steinkohle wird zum Ende des Jahres 2018 sozialverträglich beendet.
Tierschutz ist ein wichtiges Anliegen
Für CDU und CSU ist der Tierschutz ein wichtiges Anliegen, denn Tiere sind unsere Mitgeschöpfe. Es kommt darauf an, wie es dem einzelnen Tier geht, nicht, wie viele Tiere gehalten werden. Uns ist wichtig, dass die Tierhaltung in der Hand bäuerlicher Familienbetriebe bleibt, eine anonyme, industrialisierte Agrarproduktion lehnen wir ab. Wir treten nach 2020 für die Fortführung der Direktzahlungen ein und werden dabei insbesondere aktive Landwirte, Junglandwirte und kleinere und mittlere Betriebe besonders fördern. Durch eine Nutztierhaltungsstrategie werden wir das Tierwohl noch stärker berücksichtigen. Dazu gehört auch die Einführung eines neuen staatlichen Tierwohllabels. Dieses kann dazu beitragen, das Tierwohl zu erhöhen und die Marktchancen der betreffenden Betriebe zu verbessern. Die Entwicklung im Tierschutz muss praxistauglich sein.
Mit freundlichen Grüßen
Antje Tillmann MdB