Frage an Antje Lezius von Bernd D. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Lezius,
es gibt 2 zentrale Argumente gegen die Widerspruchslösung bei der Organspende:
1) Eine Spende, der man nur durch ein ausdrückliches Nein entkommt, sei keine Spende mehr.
Bitte bedenken Sie, worauf der Begriff „Organspende“ ursprünglich zielt, nämlich auf die Verhinderung von Organhandel. Wir sind sich ja alle einig, es darf niemals eine „Organbörse“ geben.
2) Die Widerspruchslösung sei ein unerträglicher Eingriff in unsere Persönlichkeitsrechte.
Meine Bitte: Fragen wir nicht als Erstes, ob wir Organe spenden wollen, sondern, ob wir für uns und unseren Liebsten im Ernstfall ein Organ wünschen würden!
Praktisch jeder tut das. Übrigens: Einem minderjährigen Kind kann man ein Organ durch elterliches Veto gar nicht vorenthalten, auch Zeugen Jehovas nicht. Die Ärzte erwirken sofort eine begrenzte Sorgerechtsübertragung auf das Jugendamt.
Jede Moral, die von der Rechtsgleichheit der Menschen ausgeht, fordert, anderen nicht vorzuenthalten, was man für sich und die Seinen wünscht. Kants kategorischer Imperativ stellt diese Maxime in das Zentrum der Moral, und sie ist Basis unseres Grundgesetzes.
Andererseits ist es ein hohes Menschenrecht, zu bestimmen, was mit dem toten Körper geschieht, wenn dieses Recht auch eingeschränkt ist: Es gibt kein Einspruchsrecht gegen die Obduktion bei unnatürlichem Tod.
Kranken, die keine Organe spenden wollten, darf man die Transplantation nicht verweigern. Es ist das Zentrum der ärztlichen Berufsethik, Behandlung darf niemals von Vorbehalten gegenüber dem Patienten abhängen.
Fazit: Ein Organ im Bedarfsfall haben, aber nicht geben wollen, ist nicht moralisch. Aber sowohl die Entnahme gegen den Willen des Verstorbenen als auch die Verweigerung ärztlicher Behandlung scheitern an höheren Rechtsgütern.
Was tun, in so einem moralischen Dilemma? Ist es nicht wenigstens zumutbar, dass, wer keine Organe spenden will, bei Bedarf aber selbst eines bekommt, Nein sagen muss?
Herzliche Grüße Bernd Meyer
Sehr geehrter Herr Dr. Meyer,
vielen Dank für Ihre Nachfrage auf meine Antwort auf Ihre abgeordnetenwatch-Nachricht vom 29. März 2019.
Sie werfen die Frage auf, ob es für jemanden, der selbst keine Organe spenden möchte, nicht geboten sei, den Empfang von Organen bei Bedarf abzulehnen.
Ich kann nachvollziehen, dass Sie Menschen, die keine Organe spenden wollen, diese persönliche Gewissensentscheidung ans Herz legen möchten. Auch ich wünsche mir, dass jeder zu dieser moralischen Frage Stellung nimmt und darüber Rechenschaft ablegt - allerdings handelt es sich bei diesem „moralischen Dilemma“ um die persönliche Abwägungen einer einzelnen Person, die in einer demokratischen Republik nicht für eine Gruppe von Menschen getroffen werden kann, noch getroffen werden sollte.
Ich könnte mir vorstellen, dass möglicherweise diese Studie aus dem Jahr 2018 für Sie von Interesse sein könnte:
„Decline in organ donation in Germany—a nationwide secondary analysis of all inpatient cases” - eine Zusammenfassung finden Sie hier: https://www.aerzteblatt.de/archiv/198873/Rueckgang-der-Organspenden-in-Deutschland .
Sie verweist darauf, dass die Ursachen der rückläufigen Organspenden nicht so klar zu Tage liegen, wie es der breite öffentliche Diskurs vermuten lässt: „(…) Bislang ist unklar, ob diese Entwicklung durch eine generelle Abnahme möglicher Organspender oder aber durch ein Erkennungs- beziehungsweise Meldedefizit der Entnahmekrankenhäuser bedingt ist.“
Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass der Rückgang der postmortalen Organspenden in erster Linie mit einem Erkennungs- und Meldedefizit der Entnahmekrankenhäuser zu tun hat.
Seit April dieses Jahres ist das „Gesetz für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende" (GZSO) in Kraft getreten, mit dem die Bundesregierung diesen Prozess organisatorisch und politisch stärkt. Damit ist ein sehr wichtiger Schritt, um die Ursachen sinkender Organspenden zu bekämpfen erfolgt.
Ich schlage vor, dass Sie mich, sollten Sie noch weitere Nachfragen zu meiner Antwort haben, direkt anschreiben: antje.lezius@bundestag.de .
Mit freundlichen Grüßen
Antje Lezius