Frage an Ansgar Heveling von Klaus B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Heveling,
als langjähriger CDU-Wähler muss ich nun ernsthaft überlegen, ob ich erstmals in meinem Leben eine andere Partei im kommenden Jahr wähle.
Ich finde es skandalös, dass der Bundestag im November -still und heimlich- ein Gesetz beschliesst, dass Inhaber einer Kapitallebensversicherung nicht mehr an den stillen Reserven auf festverz. Wertpapiere beteiligt werden. Im kommenden Jahr habe ich eine LV-Fälligkeit und werde viel weniger durch diesen Beschluss herausbekommen. Wie viel weniger kann mir die Debeka zur Zeit noch nicht einmal genau nennen.
Haben Sie auch für dieses Gesetz votiert? Sind Ihnen die Konsequenzen für die Bürger, die jahrelang oder jahrzehntelang privat Vorsorge betrieben haben, bewußt? Kein ökonomisch denkender Bürger wird -wenn er sich informiert hat, in den kommenden Jahren mehr eine LV oder Rentenversicherung abschliessen! Wollen Sie das?
Weiterhin finde ich es skandalös, dass die Bundesregierung im aktuellen Umfeld -in einem unerwartet gut verlaufenen Jahr 2012- keinen ausgeglichenen Haushalt erreicht. Wenn nicht 2012 - wann dann?
Immer alles hinausschieben - nur keine Lösung jetzt und hier. Wir Bürger müssen auch mit unseren Einnahmen auskommen und können nicht ewig über unsere Verhältnisse leben.
Es muss mehr gespart werden - und zwar sofort. Wir Bürger haben die Zeichen der Zeit erkannt, die Bundesregierung anscheinend noch nicht (so ganz).
Mit freundlichen Grüssen
Klaus Becker
Sehr geehrter Herr Becker,
herzlichen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Bewertungsreserven von Versicherungen. Gerne möchte ich Ihnen schildern, wie es sich mit dieser Sachlage aktuell verhält.
Viele Versicherte sind wegen der aktuellen Berichterstattung und Diskussion zu Veränderungen bei ihren Verträgen über eine Kapitallebensversicherung verunsichert.
Zum besseren Verständnis ist es hier zunächst wichtig zu wissen, dass sich der Auszahlungsbetrag eines Lebensversicherungsvertrages regelmäßig aus drei Elementen zusammensetzt. Dabei handelt es sich um
1. die bei Vertragsabschluss garantierte Leistung
2. die Überschussbeteiligung einschließlich des erst zum Vertragsende feststehenden Anteils am Schlussgewinn
3. die Beteiligung an den so genannten Bewertungsreserven.
Nur bei den Bewertungsreserven soll sich durch die Neuregelung etwas ändern: Nach der Neuregelung kann die Beteiligung der ausscheidenden Versicherten an den Bewertungsreserven in einem bestimmten Fall gekürzt werden. Dieser Fall tritt ein, wenn die Marktzinsen zu niedrig sind. Denn dann besteht die Gefahr, dass das Versicherungsunternehmen nicht mehr genügend Erträge erzielen kann, um den verbleibenden Versicherten die ihnen bei Auslaufen ihrer Verträge zustehende garantierte Leistung und Überschussbeteiligung zahlen zu können. Die Neuregelung verhindert somit, dass die jetzt ausscheidenden Versicherten, den Kapitalbestand zu Lasten der verbleibenden Versicherten zu sehr verbrauchen.
Versicherte werden erst seit 2008 überhaupt an den Bewertungsreserven beteiligt, und zwar zu 50 Prozent. Im Übrigen ist es gar nicht möglich, ein Versprechen über Bewertungsreserven abzugeben, da diese erst am Ende der Laufzeit feststehen und im Zeitablauf stark schwanken. Aus diesem Grund ist es Versicherungsunternehmen auch verboten, mit der Höhe der Bewertungsreserven zu werben.
Das von den Versicherten eingezahlte Geld legt das Versicherungsunternehmen zum Beispiel in sicheren Bundesanleihen an.
Bewertungsreserven entstehen, wenn der Preis für eine solche Bundesanleihe im Bestand des Versicherungsunternehmens am Markt über den Preis steigt, zu dem das Versicherungsunternehmen diese Anleihe ursprünglich erworben hat. Bei festverzinslichen Wertpapieren wie Bundesanleihen entstehen Bewertungsreserven insbesondere in Marktsituationen wie der augenblicklichen Niedrigzinsphase. Der Grund dafür ist, dass einige Wertpapiere vor langer Zeit mit einem wesentlich höheren Zinssatz ausgegeben wurden.
Lassen Sie mich dies an einem Beispiel verdeutlichen: Eine Bundesanleihe mit einem Nominalwert von 100 wurde im Jahre 1986 mit einem Zinssatz von 6 Prozent ausgegeben. Gegenwärtig wird die Anleihe zu einem Kurs von 120 Euro gehandelt. Der Kursgewinn in Höhe von 20 Euro - also der Differenz zwischen dem Nominalwert von 100 und dem gegenwärtigen Kurs von 120 - ist keine dauernde Wertsteigerung. Denn bei Fälligkeit der Anleihe im Jahr 2016 wird das Versicherungsunternehmen lediglich den Nominalwert von 100 Euro zurückerhalten. Die Anleihe ist derzeit nur deshalb so wertvoll geworden, weil sie noch vier weitere Jahre Zinsen von 6 Prozent einbringt, wohingegen aktuell gehandelte Anleihen nur etwa zu 1 Prozent verzinst werden.
Die unveränderte Beibehaltung der gesetzlichen Regelung aus dem Jahr 2008 würde in diesem Beispiel dazu führen, dass die Versicherten, deren Verträge aktuell fällig werden, Bewertungsreserven aus dieser Anleihe von 10 Euro (50 Prozent von 20 Euro) ausgezahlt bekommen würden. Dem Versicherungsunternehmen stehen diese 10 Euro selbst aber gar nicht unmittelbar zur Verfügung. Die Wertsteigerung ist nämlich nur vorübergehend und besteht sozusagen nur „auf dem Papier“. Das Versicherungsunternehmen muss deshalb die 10 Euro aus dem allen Versicherten zugehörigen Kapitalbestand erbringen. Dies führt dazu, dass der für die große Gemeinschaft der beim Versicherungsunternehmen verbleibenden Versicherten vorgesehene Kapitalbestand aufgezehrt wird und zukünftig nur geringere Erträge erwirtschaften kann.
An den Bewertungsreserven wird ein Versicherter normalerweise beim Ablauf seines Versicherungsvertrags beteiligt. Entscheidend für die Höhe der Auszahlung sind daher die zu diesem Zeitpunkt aktuell bestehenden Bewertungsreserven. Da es sich um eine stichtagsbezogene Betrachtung handelt, kommt es angesichts der gegenwärtigen großen Schwankungen bei den Zinssätzen zu großen Ungleichgewichten. D.h. Versicherte erhalten je nach augenblicklichem Stand der Kapitalmärkte höhere oder geringere Zuflüsse aus den Bewertungsreserven. Dies ist mit dem Gedanken einer gerechten Verteilung innerhalb der Versichertengemeinschaft nicht zu vereinbaren. Zum Zeitpunkt des Vertragsablaufs zufällig bestehende Bewertungsreserven haben nichts mit den langjährigen Beiträgen der Versicherten zu ihrer Altersvorsorge zu tun. Würde man sie mit den gerade auslaufenden Lebensversicherungsvorhaben ausschütten, ginge das ganz und gar zu Lasten der später fällig werdenden Verträge. Die Neuregelung verhindert, dass die ausscheidenden Versicherten gegenüber den verbleibenden Versicherten bevorzugt werden.
Um unangemessenen Kürzungen bei in den nächsten Jahren zur Auszahlung kommenden Versicherungsverträgen zu begegnen, sieht die Neuregelung vor, dass die Kürzung der Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven gedeckelt wird. Diese Deckelung sollte mit der sogenannten Mindestzuführungsverordnung umgesetzt werden, die gleichzeitig mit den gesetzlichen Neuregelungen zum 21. Dezember 2012 in Kraft treten sollte.
Der Bundesrat hat allerdings in seiner Sitzung am 14. Dezember 2012 Einspruch gegen die Neuregelung erhoben. Dadurch tritt die Neuregelung nicht wie geplant zum 21. Dezember in Kraft. Grundsätzliche Einwände gegen die Zielrichtung der Regelung insgesamt wurden im Bundesrat zwar nicht erhoben, jedoch wird von einigen Ländern noch Diskussionsbedarf im Einzelnen gesehen. In einem gemeinsamen Ausschuss von Bundestag und Bundesrat, dem sogenannten Vermittlungsausschuss, wird die Neuregelung nun nochmals erörtert und nach einer Einigung gesucht. Der zeitliche Ablauf des weiteren Verfahrens ist noch nicht konkret festgelegt. Mit den Neuregelungen zu den Bewertungsreserven wird keine Verschiebung der Beteiligung an den Bewertungsreserven zu Gunsten der Versicherungsunternehmen auf Kosten der Versichertengemeinschaft vorgenommen. Ziel der Regelung ist es vielmehr, für eine Beteiligung aller Versicherungsnehmer an den Bewertungsreserven auch in der Zukunft Sorge zu tragen. Es geht bei der Neuregelung darum, die angemessene Kapitalausstattung des Versicherungsbestandes sicherzustellen und einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der einzelnen Versicherungsnehmer zu schaffen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Versicherungsnehmer auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten angemessene Erträge aus ihren Lebensversicherungen erhalten.
Ich hoffe, Ihre Frage mit meinen Hinweisen beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Ansgar Heveling, MdB