Inwieweit sorgt das neue Tierschutzgesetz für echten Tierschutz?
Inwieweit wird das artgerechte Halten von “Nutztieren“ gesetzlich bindend?
Inwieweit wird unnötiges Leiden von „Nutztieren“ endlich verboten? Etwa durch Verstümmelung ohne Betäubung oder Anbindehaltung.
Warum werden Fleisch- und Milch/Ei-Konsum nicht reguliert angesichts der extremen Folgen für das Klima und die Gesundheit der Menschen?
Inwieweit sorgen Sie für eine Aufklärung der Bevölkerung, wie sich ihre Ernährung auf ihre Umwelt und Gesundheit auswirkt?
Sehr geehrte Frau L.,
vielen Dank für Ihre Nachricht zu diesem wichtigen Thema. Nach dem der Gesetzesentwurf zuletzt durch das Kabinett und den Bundesrat gelaufen ist, soll ab September 2024 das parlamentarische Verfahren starten. Dabei hätten wir uns als SPD-Bundestagsfraktion durchaus einen ambitionierteren Gesetzesentwurf gewünscht, wie durch die Einigungen im Koalitionsvertrag vorgesehen war. Wenn der Gesetzesentwurf im September in die parlamentarische Beratung geht, werden die Verhandler:innen der SPD-Bundestagsfraktion sich deshalb dafür einsetzen, möglichst viel davon gegenüber unseren Koalitionspartnern durchzusetzen. Dafür ist es sehr hilfreich, viele engagierte Menschen wie Sie hinter uns zu wissen.
Nichtsdestotrotz möchte ich kurz auf einige Punkte eingehen, die bereits im Regierungsentwurf festgehalten wurden. So soll ein:e hauptamtliche:r Bundestierschutzbeauftragte:r gesetzlich verankert werden. Bereits seit Juni 2023 arbeitet innerhalb des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) die Tierschutzbeauftragte Ariane Kari, deren Position auch bei zukünftigen Koalitionen weiterbestehen soll. Die Aufgabe dieses Amtes ist es, den Austausch zwischen den zuständigen Stellen im Bund und den Ländern zu stärken sowie gleichzeitig als Kontaktperson für Bürger:innen zu fungieren.
Mit den neuen Regelungen will das BMEL darüber hinaus Tiere konsequent vor Schmerzen, Leiden und Schäden schützen. Für Tiere in der Landwirtschaft bedeuten die vorgesehenen Änderungen insbesondere, dass bestimmte Eingriffe, die Schmerzen, Leiden oder Schäden nach sich ziehen, gar nicht mehr (Schwänzekürzen bei Lämmern), nur noch mit entsprechender Betäubung (Ausbrennen der Hornanlagen bei Kälbern) oder nur in Einzelfällen sowie unter bestimmten Voraussetzungen (Schwänzekupieren bei Schweinen) vorgenommen werden dürfen. Zudem stehen den kontrollierenden Behörden künftig zusätzliche Instrumente zum Vollzug des Tierschutzrechts zur Verfügung. Auch das wird den Tierschutz weiter stärken. Die verpflichtende Videoüberwachung in Schlachthöfen hilft den Behörden dabei, systemische Mängel im Schlachtprozess (z.B. mangelhafte Betäubungsgeräte) aufzudecken. Außerdem soll die Nachfrage nach Tieren mit Qualzuchtmerkmalen durch ein Ausstellungs- und Werbeverbot sinken. Schließlich werden auch Tiere wie Tintenfische und Hummer geschützt. Sie dürfen nicht mehr zur Verwendung als Lebensmittel lebend an Endverbraucher abgegeben werden.
Die Anbindehaltung von Tieren – ob Esel, Ziege, Rind etc. – wird grundsätzlich verboten. Hierfür gilt für eine Übergangszeit von zehn Jahren. Die „Kombihaltung“, in der die Tiere viel Zeit auf der Weide verbringen, bleibt unter weiterentwickelten Voraussetzungen für in landwirtschaftlichen Betrieben mit höchstens 50 über sechs Monate alten Rindern erlaubt. Dadurch haben auch kleine Höfe, die Rinder zurzeit ganzjährig angebunden halten, die Möglichkeit, innerhalb von zehn Jahren umzubauen oder auf eine weiterentwickelte „Kombihaltung“ umzustellen. Bei dieser Kombihaltung müssen die Rinder in der Weidezeit Zugang zur Weide und außerhalb der Weidezeit mindestens zwei Mal in der Woche Zugang zu einem Freigelände haben. Mit dieser Ausnahme will das BMEL gewährleisten, dass bestehende Rinderhaltungen, die bei der Pflege von Almen und artenreichem Grünland eine wichtige Rolle spielen, weitergeführt werden können.
Um auch langfristig die landwirtschaftlichen Betriebe bei der Weiterentwicklung ihrer Arbeit zu unterstützen, haben wir als Koalition bereits das Bundesprogramm zur Förderung investiver Vorhaben zum Umbau der Tierhaltung mit einer Milliarde Euro ausgestattet. Damit können unsere tierhaltenden Betriebe eine finanzielle Förderung beantragen, wenn sie in den Neu- und Umbau ihrer Ställe für eine besonders tier- und umweltgerechte Haltung investieren. Außerdem können künftig erstmalig auch laufende Mehrkosten durch höhere Tierwohl-Standards durch das Förderprogramm finanziert werden.
Das Bundesprogramm ist einer von mehreren voneinander unabhängigen Bausteinen, mit der die Ampel-Koalition die Tierhaltung in Deutschland zukunftsfest machen will. Gemeinsam haben wir in dieser Wahlperiode bereits eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung sowie Änderungen beim Baurecht auf den Weg gebracht. Gemeinsam mit den Bundesländern hat die Ampel-Koalition das Genehmigungsrecht im Sinne von Tierwohlställen klarer gestaltet. Zudem setzen wir uns für eine EU-weite Herkunftskennzeichnung ein und gehen bei nicht vorverpacktem frischem, gekühltem oder gefrorenem Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch mit verpflichtenden Herkunftsangaben bereits national voran.
Insgesamt möchte ich nochmal zusammenfassend betonen, dass uns als SPD-Fraktion das Thema einer artgerechten Behandlung von Tieren sehr wichtig ist. Wir werden im nun anstehenden Verfahren zur Reform des Tierschutzgesetzes darauf hinwirken, dass wir am Ende das bestmögliche Ergebnis dieser Verhandlungen beschließen können.
Abschließend möchte ich mich nochmal für Ihre Nachricht bedanken, da mir der Austausch mit den Bürger:innen sehr am Herzen liegt.
Mit freundlichen Grüßen
Annika Klose