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Anngret Stötzer-Rapp
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Reinhard H. •

Frage an Anngret Stötzer-Rapp von Reinhard H. bezüglich Recht

Wollen Sie den Bürgern die Möglichkeit geben, in Zukunft auf Bundesebene ähnlich wie in der Schweiz durch Volksabstimmungen selbst politische Entscheidungen zu treffen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Reinhard Hackl,

bei diesem Thema geht mir das Herz auf! Ist es doch ein Kernthema von Bündnis 90/ Die Grünen. ;-)
Demokratie lebt vom mitmachen! Deshalb setzen wir GRÜNE uns seit Jahren dafür ein, Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid im Grundgesetz zu verankern. Wir sind der Meinung, dass es kein Politikmonopol der politischen Parteien geben darf. Wir sehen Bürgerinnen und Bürger nicht als „Wahlvolk“, sondern fordern sie zur aktiven Teilnahme auf.

Bislang haben die GRÜNEN erreicht, dass ein Gesetzentwurf zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid in das Grundgesetz am 21.3.02 in den Bundestag eingebracht wurde. Die Union blockiert allerdings schon seit langem jeden Fortschritt im Bereich direkte Demokratie. Nach dem Grundgesetz ist eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat für eine Grundgesetzänderung erforderlich. Angesichts der Haltung der Union ist es deshalb unwahrscheinlich, dass es hier bald zu einer gesetzlichen Regelung kommt.

Der Gesetzentwurf von Bündnis 90/ Die Grünen enthält folgende Regelungen:

Volksinitiative
400.000 Stimmberechtigte können einen Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen. Der Bundestag muss sich mit diesem Gesetzentwurf befassen. Die Vertrauensleute der Volksinitiative haben das Recht auf Anhörung.

Volksbegehren
Hat das Parlament den eingebrachten Gesetzentwurf nicht innerhalb von acht Monaten verabschiedet, können die Vertrauensleute der Volksinitiative die Durchführung eines Volksbegehrens einleiten. 5 Prozent der Stimmberechtigten, d. h. rund 3 Millionen Bürgerinnen und Bürger müssen innerhalb von 6 Monaten das Volksbegehren unterstützen.

Volksentscheid
Ist das Volksbegehren erfolgreich, findet innerhalb von sechs Monaten ein Volksentscheid statt. Ein Gesetz kommt dann durch Volksentscheid zu Stande, wenn ihm die Mehrheit der Abstimmenden zugestimmt hat, sofern diese Mehrheit mindestens 15 Prozent der Stimmberechtigten entsprich (Zustimmungsquorum). Verfassungsänderungen erfordern ein höheres Zustimmungsquorum von 25 Prozent der Stimmberechtigten.
Referendum ("Volksentscheide von oben")
Um einen Volksentscheid auch über die EU-Verfassung zu ermöglichen, hat sich die Koalition darauf verständigt, dass der Bundestag selbst Referenden initiieren kann.
Es ist vorgesehen, dass die Bundesregierung, der Bundesrat oder der Bundestag selbst einen Antrag stellen können, um verfassungsändernde Gesetze dem Volk zur Entscheidung vorzulegen. Stimmen 2/3 der Abgeordneten des Bundestags dem Antrag zu, wird dieses Gesetz dem Volk zur abschließenden Entscheidung vorgelegt.
Föderalismus berücksichtigt
Der Gesetzentwurf wird der föderativen Verfassung der Bundesrepublik gerecht.
Nach Schweizer Vorbild werden bei Verfassungsänderungen und bei Gesetzen, die im parlamentarischen Verfahren der Zustimmung des Bundesrates bedürften (zustimmungspflichtige Gesetze), die Stimmen zweifach gezählt: Das Ergebnis der Abstimmung in jedem einzelnen Bundesland gilt dabei als Abgabe seiner Bundesratsstimmen.
Bei zustimmungspflichtigen Gesetzen muss danach die Mehrheit der Abstimmenden in so vielen Ländern dem Gesetzentwurf zustimmen, dass deren Stimmen einer Mehrheit im Bundesrat entsprechen. Bei Verfassungsänderungen ist eine Mehrheit in so vielen Ländern erforderlich, dass deren Stimmen einer Zweidrittelmehrheit im Bundesrat entsprechen.
Verfahrensregelungen
Die vorgesehenen langen Fristen (ca. zwei Jahre vom Start der Volksinitiative bis zum Volksentscheid) ermöglichen einen gründlichen Diskussionsprozess.
Das Parlament hat die Möglichkeit, einen eigenen Gesetzentwurf zum selben Gegenstand mit zur Abstimmung im Volksentscheid zu stellen (Konkurrenzvorlage).
Das Bundesverfassungsgericht kann die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Volksbegehrens schon ab dessen Beantragung überprüfen (sog. ex-ante-Kontrolle). Mögliche Antragsteller sind die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Bundestags. Somit können langwierige Diskussionen und aufwändige Abstimmungen über gegebenenfalls verfassungswidrige Vorlagen frühzeitig vermieden werden.
Ausnahmen von der Volksgesetzgebung
Grundsätzlich sollen sich Volksentscheide auf alle Politikbereiche beziehen dürfen.
Ausnahmen sind lediglich das Haushaltsgesetz selbst, Abgabengesetze und die Wiedereinführung der Todesstrafe.
Finanzwirksame Volksinitiativen sind dagegen ausdrücklich zulässig. Die neuen Beteiligungsrechte müssen sich ebenso wie parlamentarische Initiativen und Entscheidungen an den Grundrechten, den unveränderlichen Grundentscheidungen der Verfassung sowie den übrigen verfassungsrechtlichen Bestimmungen ausrichten.
Ein weiteres Ziel ist es, in Zukunft auch europaweite Volksentscheide zu ermöglichen. Dazu gab es von Bündnis 90/ Die Grünen und von den Grünen im Europaparlament Initiativen.
Wir wollen ergänzend zur parlamentarischen Demokratie die Direkte Demokratie, von der kommunalen bis zur Bundesebene ausbauen. Die direktdemokratischen Instrumente sollen so bürgerfreundlich gestaltet sein, dass es zu einer lebendigen demokratischen Praxis kommt. Dafür gibt es in der Gesellschaft immer mehr UnterstützerInnen. Es liegt an uns, die Union weiterhin bei diesem Thema anzugreifen, denn sie alleine verhindert mehr Demokratie in Deutschland.
Mit freundlichen Grüßen,

Annegret Stötzer-Rapp