Frage an Annette Wittmütz-Heublein von F. H. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Dr. Wittmütz-Heublein,
danke für die Antwort zur Doppelresidenz. Offenbar gibt‘s, abgesehen von allg. Erklärungen im Parteiprogramm, kein Umsetzungskonzept. Das bestätigt die FDP-Landesgeschäftsstelle, wo im Koalitionsvertrag Doppelresidenz als Idealfall verankert wurde &bisher auch die Verantwortlichen weder Konzept noch Fahrplan haben. Wie will die FDP -abgesehen von Wählermaximierung- die Koalitionspartner überzeugen, wenn nicht einmal grobe (Kosten-)Kalkulationen vorliegen? Sie sagen, dass dann die Ministerien entscheiden. Wird der Finanzminister mitmachen?
Sie sagen: "Die Jugendämter sind an die derzeitige gesetzliche Situation in unserem Land sowie an die obergerichtliche Rechtsprechung gebunden." Wo steht im Gesetz, dass die Jugendämter nicht das Kindeswohl &die Erkenntnisse aus der Forschung einzubringen haben, sondern die "derzeitige gesetzliche Situation" perpetuieren sollen? Wie sieht sie aus? Als Familienrechtlerin sollten Sie doch wissen, dass Gerichte 1. mit "Kindeswohl" u. nicht mit gesetzlichen Aufträgen zur Verhinderung gleichberechtigter Elternschaft argumentieren (sollten) u., 2., regelmäßig die fachl. Stellungnahmen der Jugendämter paraphrasieren - nicht umgekehrt! Leider geht man oft in Jugendämtern von falschen Annahmen aus:
Trennung-Scheidung-Co-Elternschaft –Zur Rolle und Aufgabe der Jugendämter in einem ungeliebten Aufgabenfeld, in:Jugendhilfereport – Fachzeitschrift des Landesjugendamtes Rheinland/1.2015
In Köln arbeite man, so die Auskunft, nicht nach den dort bekannten Erkenntnissen aus der Trennungsforschung, sondern "nach anderen Handlungsempfehlungen". Sie sagen, dass sich die Jugendämter -in einer Zirkelschlussargumentation- an obergerichtl. Rechtsprechung orientieren. Woran orientieren Sie sich vor Gericht?
Kommunikation ist gut, aber was meinen Sie mit dem Zusatz, dass sie "insbesondere" im Wechselmodell (mit weniger Übergaben als im klassischen dt. Umgangsmodell) wichtig sei? Was ist das Besondere?
MfG
Sehr geehrter Herr H.,
über Jahrzehnte wurde das Wechselmodell von Kinderpsychologen als weniger gute Regelung bei Trennung von Eltern angesehen; die ganz herrschende psychologische Meinung vertrat die Ansicht, dass ein Kind ein einziges Zuhause brauche und der ständige Wechsel von einem Elternteil zum anderen nicht gut sei. Daran hat sich sowohl die gesetzliche Situation als auch die Rechtsprechung orientiert - demzufolge auch die Jugendämter. In den letzten Jahren hat hier ein Umdenken begonnen; nach derzeitiger gesetzlicher Lage ist es den Gerichten jedoch nicht möglich, das Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils anzuordnen. Die Jugendämter müssen dem selbstverständlich entsprechen.
Bei einem Wechselmodell finden zwar u.U. weniger Übergaben statt; da jedoch der Alltag der Kinder gleichermaßen von beiden Elternteilen gestaltet bzw. begleitet wird ist eine gute Kommunikations- und Absprachefähigkeit der Eltern erforderlich.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Annette Wittmütz-Heublein