Halten Sie die Verwendung von rund 6000 Soldaten in der Wehrverwaltung des Bundes für verfassungskonform (siehe Art. 87a und 87b des Grundgesetzes)?
Die Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes von Soldaten in der zivilen Wehrverwaltung ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage! Bei der Aufstellung der Bundeswehr 1955 wollte der Verfassungsgeber Fehlentwicklungen in der Wehrmacht des Dritten Reiches nicht wiederholen. Neben dem Art. 87 a GG für militärische Streitkräfte (zuständig für die Verteidigung) wurde deshalb ein eigener Art. 87 b GG für eine zivile Wehrverwaltung (sie dient den Aufgaben des Personalwesens und der unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte) in das Grundgesetz eingefügt. Diese „Gewaltenteilung“ stellt sicher, dass die Wehrverwaltung nach Recht und Gesetz entscheidet und nicht mehr der militärischen Befehlsgewalt untersteht. Trotzdem sind inzwischen über 6.000 Soldaten in der Wehrverwaltung eingesetzt. Dieser permanente Verfassungsbruch muss beendet werden. „Wehret den Anfängen!“: Das hört man, sobald Strömungen aus vergangenen politischen Zeiten aufkommen. Was werden Sie als MdB unternehmen?
Sehr geehrter Herr H.,
der von Ihnen angeführte Artikel 87b GG überträgt der Bundeswehrverwaltung die "Aufgaben des Personalwesens und der unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte". Damit zusammenhängende Aufgaben erfüllt vorrangig ziviles und nicht militärisches Personal. Das dient zum einen der Entlastung der Streitkräfte von administrativen Aufgaben. Zum anderen wird so sichergestellt, dass die Bundeswehrverwaltung die personellen und materiellen Bedürfnisse der Streitkräfte bestmöglich decken kann.
Mit der Umstrukturierung des Bundesministeriums der Verteidigung und der Bundeswehr wurden seit 2012 bislang militärisch verantwortete Aufgaben, die nicht zu den Kernaufgaben der Streitkräfte gehören, der Bundeswehrverwaltung übertragen. Dadurch wurden die sogenannte „bundeswehrgemeinsame Aufgabenerfüllung“ gestärkt und der militärische Personalkörper entlastet. Für einen Teil der an die Bundeswehrverwaltung übertragenen Aufgaben war und ist jedoch weiterhin militärische Fachexpertise erforderlich, sodass ein Teil der Dienstposten in der Bundeswehrverwaltung mit Soldatinnen und Soldaten zu besetzen ist.
Verwaltung ist grundsätzlich kein Selbstzweck und muss sich veränderten tatsächlichen, insbesondere gesellschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen anpassen können. Entscheidend ist, dass die jeweilige Verwaltungsstruktur eine wirksame Erledigung der zugewiesenen Aufgaben gewährleistet. Dies steht meines Erachtens auch im Vordergrund der Auslegung der von Ihnen angeführten Artikel im Grundgesetz: Soldatinnen und Soldaten werden gezielt dort eingesetzt, wo die Verwaltung auf deren praktische Erfahrungen und Fachexpertise angewiesen ist, wie etwa in Rüstung und dem Beschaffungswesen. Die militärische Expertise der Einsatzkräfte ist hier faktisch unersetzbar. Ich stimme Ihnen jedoch insofern zu, dass Soldatinnen und Soldaten nur in spezifischen Fällen in der Wehrverwaltung eingesetzt werden sollten, wo eine zwingende sachlich begründbare Notwendigkeit dazu besteht. Im Rechnungs- oder Personalwesen wäre dies beispielsweise nicht der Fall. Dabei gilt in Art. 87a und b Grundgesetz nicht das Primat des Zivilen, sondern stets das Primat der Politik.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Annette Widmann-Mauz