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Annette Widmann-Mauz
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Frage von Ernst F. •

Frage an Annette Widmann-Mauz von Ernst F. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Frau Widmann-Mauz,

in dem Zusammenhang mit der Todesstrafe habe ich noch eine Nachfrage.

Dass die Todesstrafe als solche abgeschafft ist glaube ich gerne, aber da ich (wie alle Nichtjuristen) nur normales Deutsch, aber kein Juristendeutsch spreche würde ich den Punkt von Herrn Melinger gerne nochmal vertieft haben:

"Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um

b) jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern"

spricht ja gerade davon, dass diese Tötungen nicht als Verstoß gegen das Verbot der Todesstrafe angesehen werden.

Die Tatsache, dass die Todesstrafe jetzt auch in Kriegszeiten abgeschafft wurde berührt diese Frage also nicht wirklich.

Ausnahme a) (Schutz vor unrechtmäßiger Gewalt) ist ja in Deutschland in gewisser Weise auch gesetzlich geregelt unter dem Punkt "finaler Rettungsschuss" (eine schwierige Abwägung aber prinzipiell natürlich auch notwendig)

Das heißt diese Ausnahme gibt es auch nach kompletter Abschaffung der Todesstrafe weiter, was die Frage nach den weiteren Ausnahmen b) und c) dann auch immer noch aktuell erscheinen lässt (deren Formulierung einem Demokraten schon gewisses Kopfzerbrechen bereiten könnte).

Ich wäre dankbar für eine Erläuterung diesbezüglich.

MfG
Ernst Fritsch

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Fritsch,

für Ihre Nachfrage zum Thema Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) danke ich.

Wie ich bereits in meinem Antwortschreiben an Herrn Melinger ausgeführt habe, besitzt der besagte Artikel 2 EMRK samt seiner Ausnahmeregelungen aufgrund des Protokolls Nr. 13 zur EMRK von 2002 keine Gültigkeit mehr. Artikel 2 EMRK spiegelt die Straf- und Notwehrgesetzgebung der 1950er Jahre wider. Alle damals zulässigen Ausnahmetatbestände für eine gezielte Tötung (Todesstrafe in Kriegszeiten, Aufruhr, Festnahme- und Fluchtverhinderung, Verteidigung gegen rechtswidrige Gewalt) sind aufgehoben, d.h. nicht mehr gültig. Sie galten zudem nur unter sehr engen Vorraussetzungen.

Deutschland hat das Protokoll Nr. 13 zur EMRK umgehend im Jahr 2002 ratifiziert. Sowohl unser Grundgesetz als auch die EU-Grundrechtecharta verbieten zweifelsfrei die Todesstrafe, die Tötung auf Verlangen oder ein Recht auf zielgerichtete Tötung durch polizeiliche bzw. staatliche Handlungen. Unser Grundgesetz wird in diesem Bereich auch nach dem Beitritt zum Vertrag von Lissabon nicht eingeschränkt oder verändert. Die EU-Grundrechtcharta tritt ebenfalls mit dem Vertrag von Lissabon in Kraft.

Sollte – rein hypothetisch – über das Gemeinschaftsrecht gegen fundamentale Grundrechtsprinzipien unsers Grundgesetzes verstoßen werden (evidente und generelle Missachtung der Grundrechte des Grundgesetzes durch die Gemeinschaft), hätten diese Regelungen laut Bundesverfassungsgericht keine Bindungswirkung bzw. Verbindlichkeit in unserem Rechtsraum.

Sie sehen, wie weit sich Ihre Frage im Spekulativen bewegt. Aber selbst diese Möglichkeiten wurden bereits vom Bundesverfassungsgericht eingehend erörtert. (Bundesverfassungsgerichtsentscheidung: BVerfGE 89, 155, 188, bestätigt in BVerfGE 102, 147, 161 ff.)

Die polizeiliche Maßnahme des finalen Rettungsschusses bzw. gezielten Todesschusses ist mit den Regelungen des Artikels 2 EMRK von 1950 überhaupt nicht vergleichbar. Hier handelt es sich um eine Notwehrmaßnahme. Ein Schuss, der mit sicherer Wahrscheinlichkeit tödlich wirken kann, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwer wiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist. Er ist ultima ratio in absoluter Lebensgefahr. Beim finalen Rettungsschuss handelt es sich um die präventive Verhinderung eines akut lebensbedrohenden Verbrechens und nicht – wie bei der Todesstrafe - um die repressive Ahndung eines bereits begangenen Verbrechens. Der Rettungsschuss ist auch nicht vergleichbar mit den oben genannten Ausnahmetatbeständen des nicht mehr gültigen Artikels 2 EMRK. Weder in unserem Grundgesetz noch im Vertrag von Lissabon gibt es ein Recht auf Tötung. Die rechtlichen Voraussetzungen für einen finalen Rettungsschuss werden vereinzelt im Polizeirecht der Länder beschrieben und stehen in keiner Beziehung zum Gemeinschaftsrecht.

Mit freundlichen Grüßen

Gez. Annette Widmann-Mauz MdB

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