Frage an Annette Widmann-Mauz von Tino W. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Widmann-Mauz,
in der letzten Bundestagsdebatte zum Thema hat die CDU/CSU-Fraktion ihre Ablehnung zur Aufnahme der diamorphingestützten Behandlung in die Regelversorgung unter Anderem mit den höheren Kosten der Diamorphinbehandlung im Vergleich zur Methadon- Substitution begründet. Mich würde interessieren ob Sie beabsichtigen im Deutschen Gesundheitssystem die Praxis zu etablieren, zukünftig auch bei anderen schweren und häufig tödlichen Erkrankungen lebensrettende Medikamente aus Kostengründen zu verweigern. Falls nicht stellt sich mir die Frage wieso gerade das Leben eines Suchtkranken weniger wert sein sollte als das anderer Patienten.
Mit freundlichem Gruss,
Ihr Tino Walser
Sehr geehrter Herr Walser,
die Übernahme der diamorphingestützten Behandlung in die GKV-Regelversorgung ist eine Entscheidung, die mehr als nur kostenbezogene Fragen aufwirft. Sie kann in verantwortungsbewusster Weise erst dann getroffen werden, wenn alle wichtigen Fragen geklärt sind.
Auch nach Abschluss der Modellprojekte ist z.B. die Bedeutung der psychosozialen Betreuung für den Erfolg der Behandlung nach wie vor unklar. Eine Heroinbehandlung ohne sehr gute psychosoziale Betreuung – wie unter Modellprojektbedingungen - ist nicht zielführend. In dem Modellprojekt zeigte sich bei sehr guter psychosozialer Betreuung nämlich auch eine erhebliche Verbesserung der Situation der Methadon-Patienten. Vor dem Hintergrund, dass sich die Studie aber gerade auf Methadonversager bezog, bei denen frühere Behandlungen mit Methadon scheiterten, bestätigt das Ergebnis in der „Methadon-Kontrollgruppe“ die Vermutung, dass die psychosoziale Betreuung das wahrscheinlich ausschlaggebende Element für den Erfolg gewesen ist.
Es zeigt auch, dass es nicht in erster Linie auf das Substitut, sondern auf die optimalen Rahmenbedingungen ankommt. Diese werden aber mit der bloßen Überführung der Diamorphinbehandlung in die GKV-Regelversorgung und einer lediglich 6-monatigen psychosozialen Betreuung, wie sie die SPD vorschlägt, gerade nicht sichergestellt.
Leider ist auch der Anteil derjenigen Patienten, denen im Zuge der Heroinbehandlung ein Ausstieg aus der Sucht gelang, sehr gering. Ziel einer solchen Behandlung muss aber immer der – wenn auch sehr schwere - Ausstieg aus der Drogensucht sein.
Unklar ist weiterhin, wie die Gruppe von Patienten, die auch mit bestehenden Substitutionsbehandlungen erfolgreich behandelt werden kann, von denjenigen Abhängigen abzugrenzen ist, die mit bestehenden Ersatzstoffen unerreichbar sind. Nach dem von der SPD vorgeschlagenen Gesetzesentwurf könnten bis zu 70.000 Patienten einen Anspruch auf eine Heroinbehandlung haben.
Wenn eine bestimmte Gruppe Drogenabhängiger tatsächlich nur mit einem Substitut für eine Therapie erreicht werden kann, dann dürfen auch die Kosten dieses Substituts nicht das ausschlaggebende Kriterium sein. Wenn jedoch bereits Substitutionsbehandlungen bestehen, die bei entsprechender psychosozialer Betreuung praktisch denselben Erfolg wie die Heroinbehandlung zeigen, ist es nicht gerechtfertigt, die Versichertengemeinschaft mit den Kosten eines Substitutsmittels zu belasten, das sich auf ein dreifaches der Kosten bestehender Behandlungsmethoden beläuft.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre