Frage an Annette Widmann-Mauz von Dr.Thomas W. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Widmann-Mauz,
durch die neuen Regelleistungsvolumina (RLV) für die Arztpraxen wurde die Situation für Deutschlands Ärzte ein weiteres Mal verschärft: Der Arzt soll für eine "Flatrate" von 7-12 Euro pro Monat eine Versorgung eines Patienten sicherstellen, ob er ein EKG schreibt, oder zum Hausbesuch gerufen wird - alles inclusive.
Ist es wirklich Absicht Ihrer Partei, diese Politik der jetzt schon beginnenden Praxisvernichtung und dafür den Aufbau der Medizinischen Versorgungszentren weiter zu betreiben? Man rechnet mit einem Praxissterben in Baden-Württemberg von 20 Prozent in diesem Jahr. Diese Politik würde den Tod der wohnortnahen Versorgung der Patienten bedeuten. Die Arztpraxen sind, weil nicht mehr kostendeckend gearbeitet werden kann, unverkäuflich, kein junger Doktor dürfte sich unter diesen Umständen noch niederlassen. Ich sehe mich gezwungen, meinen Patienten zu erklären, welche politschen Parteien dafür die Verantwortung übernehmen müssen.
Hochachtungsvoll, Thomas Wiedemann
Sehr geehrter Herr Dr. Wiedemann,
haben Sie herzlichen Dank für Ihr Schreiben vom 13.01.2009, in dem Sie mir die Auswirkungen der Reform der ärztlichen Vergütung schildern. Sie und andere niedergelassene Ärzte aus Baden-Württemberg berichten, dass sie durch die Mitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung zum Regelleistungsvolumen deutliche Einnahmeverluste hätten. Diese Mitteilungen und die öffentliche Diskussion führen zu einer großen Verunsicherung der Betroffenen und Ihrer Patienten. Ihre Sorgen und Ängste nehme ich sehr ernst und von daher ist es sehr wichtig für mich, über die ärztliche Honorarreform und ihre Auswirkungen sachlich zu informieren und damit zu mehr Transparenz beizutragen. Mir ist es ein großes Anliegen, dass wir hier weiterhin über eine hochwertige qualitative Versorgung mit Ärzten verfügen, die gerne und unter für sie guten und verlässlichen Bedingungen ihre Patienten in der Praxis oder Klinik versorgen können.
Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz hat der Gesetzgeber den gesetzlichen Rahmen für ein neues ärztliches Vergütungssystem geschaffen und damit langjährige Forderungen der Ärzteschaft umgesetzt: Die Budgetierung der ärztlichen Honorare ist beendet und die vertragsärztlichen Leistungen werden seit dem 1. Januar 2009 grundsätzlich mit festen Preisen einer nach haus- und fachärztlichen Leistung getrennt ausgestalteten regionalen Eurogebührenordnung vergütet. Insbesondere auf Betreiben der Union wurde das Gesamtvolumen der ärztlichen Vergütung im Vergleich 2007/2009 um mehr als 2,7 Mrd. Euro angehoben. Damit soll die finanzielle Lage der Ärzteschaft insgesamt verbessert und ein Absinken der Honorarsituation in Baden-Württemberg in Folge der Bundeseinheitlichkeit der Vergütung vermieden werden. Die Berechnungen des Instituts der Gemeinsamen Selbstverwaltung belegen dies und weisen für Baden-Württemberg ein Plus von 2,5% gegenüber 2007 und ein Plus von 1,7% gegenüber 2008 aus.
Die Ausgestaltung der ärztlichen Honorarreform ist Aufgabe der gemeinsamen Selbstverwaltung, d. h. Ärzten und Krankenkassen. Dazu gehört auch die Honorarverteilung. Auf Bundesebene hat der Bewertungsausschuss Beschlüsse gefasst, die auf der regionalen Ebene von den Kassenärztlichen Vereinigungen und deren regionalen Vertragspartnern auf Kassenseite konkretisiert werden. Dabei haben sie Gestaltungsraum zur Abbildung regionaler Besonderheiten durch zusätzliche regionale Zuschläge, die sich positiv auf das ärztliche Honorar auswirken.
Ich habe mit den Vorständen der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, sowie der Leitungsebene des Bundesgesundheitsministeriums gesprochen. Da Ihre Schilderungen in weiten Teilen nicht mit den Berechnungen der Gemeinsamen Selbstverwaltung übereinstimmen, habe ich Transparenz über die Arbeit der Gemeinsamen Selbstverwaltung und nachdrücklich Klärung der offenen Fragen eingefordert.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung stellt fest, dass das „gesetzliche Instrumentarium, das die Politik mit der jüngsten Honorarreform entwickelt hat, in enger Abstimmung mit der KBV entstanden ist. Damit lassen sich alte Forderungen der Ärzteschaft realisieren. Dazu zählen feste Preise bei der vertragsärztlichen Vergütung, die Abschaffung der Budgetierung in der bisherigen Form und die deutliche Aufstockung des gesamten Honorarvolumens“. Zu den Honorarbescheiden, die die niedergelassenen Ärzte über die Regelleistungsvolumina (RLV) Anfang des Jahres erhalten haben, stellt die KBV fest: „Das RLV ist für manche Ärzte die größte, aber nicht die einzige Einnahmequelle. Hinzu kommen Honorare für Leistungen, die außerhalb der Gesamtvergütung, bezahlt werden. Zusätzlich zu berücksichtigen sind außerdem qualitätsgebundene Zuschläge und abgestaffelt zu vergütende Leistungen.“
Auf Bundesebene liegen, nach Auskunft des Gesundheitsministeriums, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen, noch keine vollständigen Daten über die konkreten Auswirkungen in den einzelnen Bundesländern vor. Von daher sind gesicherte Aussagen dazu derzeit noch nicht möglich. Die Quartalsabrechnung für das erste Quartal 2009 wird, wie bisher auch, frühestens im Mai dieses Jahres vorliegen. Über diese Tatsachen hat die gemeinsame Selbstverwaltung zu informieren und die erforderliche Transparenz, auch gegenüber der Öffentlichkeit, herzustellen. Nach Berechnungen der Gemeinsamen Selbstverwaltung und nur diese stehen der Politik zur Verfügung, kann für Baden-Württemberg im Vergleich der Jahre 2007 und 2009 ein Honorarplus von 1,7% realisiert werden. Was das für den einzelnen niedergelassenen Arzt in Baden-Württemberg bedeutet, d. h. die konkreten und vollständigen Zahlen für jede Arztpraxis, wird sich erst mit den ersten Quartalsabrechnungen herausstellen.
Die gemeinsame Selbstverwaltung kann, nach Aussage der KBV, „auf der Grundlage der bestehenden Rechtslage die noch ausstehenden Probleme in der Selbstverwaltung mit den Krankenkassen selbst lösen, ohne, dass Gesetzgeber oder Politik eingreifen müssen.“ Dies betrifft Regelungen zur Vergütung zwischen den Arztgruppen und innerhalb der Arztgruppen und zu den abgestaffelten und zusätzlichen Leistungen außerhalb des Regelleistungsvolumens. Dies betrifft ebenso die generellen bzw. spezifischen Vorwegabzüge in den Fachbereichen.
Die Politik fordert die gemeinsame Selbstverwaltung, sowohl im Gemeinsamen Bewertungsausschuss als auch auf der Ebene der Kassenärztlichen Vereinigungen auf, den politischen Willen, dass das zusätzliche Honorarvolumen von mehr als 2,7 Mrd. Euro auch tatsächlich realisiert wird. Das bedeutet auch, dass es für alle Regionen, auch für Baden-Württemberg, in 2009 gegenüber 2008 ein Honorarplus oder zumindest ein gleiches Honorarvolumen geben muss.
Sehr gerne stehe ich Ihnen für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Gez. Annette Widmann-Mauz MdB