Frage an Annette Widmann-Mauz von Robert P. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Sehr geehrte Frau Widmann-Mauz,
könnten Sie genauer spezifizieren, welche "Sonderregelungen" im unternehmerischen Bereich abgeschafft werden sollen? Geht es z. B. um die Ansparabschreibung oder um die 6-b-Rücklagen?
Weiterhin wäre interessant, ob die von Rot-Grün 2004 eingeführte Mindestbesteuerung Ihrer Meinung nach erhalten bleiben soll, und wenn ja, mit welcher Begründung.
Abschließend noch eine Frage: Wissen Sie eigentlich, dass die Entfernungspauschale seit 1990 um ca. 9% abgesenkt wurde, während sich die Benzinpreise im gleichen Zeitraum nahezu verdoppelt haben?
Mit freundlichen Grüßen
Robert Prätzler
-Steuerberater-
Sehr geehrter Herr Prätzler,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu den Auswirkungen der Mindestbesteuerung.
Die von der Bundesregierung eingeführte und immer wieder geforderte Verschärfung der so genannten Mindestgewinnsteuer ist steuer- und wirtschaftspolitisch falsch. Weitere Einschränkungen der Verlustverrechnung schrecken potentielle Investoren ab und schaden dem Standort Deutschland. Wachstum wird mit dieser Politik nicht gefördert. Schon die Einführung der Mindestgewinnsteuer war ein falsches Signal. Dies trifft nicht zuletzt die Schiffbauindustrie, wie von Ihnen überzeugend dargestellt.
Die Mindestgewinnsteuer widerspricht dem wirtschaftspolitisch und steuersystematisch vernünftigen Grundsatz, dass bei einer zeitnahen und vollen Besteuerung von Gewinnen auch Verluste zeitnah und in vollem Umfang berücksichtigt werden sollten. Wird von diesem Grundsatz abgewichen, wird einem Unternehmen durch die unmittelbar einsetzende Besteuerung nach einer Verlustphase die für seine Gesundung erforderliche Liquidität entzogen. Darüber hinaus kommt es zu einer Substanzbesteuerung, wenn der Gewinn nach einer Verlustperiode nicht doppelt so hoch ist, wie die aufgelaufenen Verluste. Schuldenabbau und Investitionen müssen zurückgestellt werden, so dass die Existenz eines Unternehmens und die hiermit verbundenen Arbeitsplätze gefährdet sein können. Besonders unattraktiv werden Unternehmensneugründungen, die stets mit Anlaufverlusten verbunden sind. Steuersystematisch ist der Verlustabzug auch keine Steuervergünstigung oder Ausnahmeregelung, sondern eine der Steuergerechtigkeit dienende Durchbrechung des Jahresabschnittsprinzips. Der Sockelbetrag ändert an dieser Beurteilung nichts. Im Gegenteil: Viele mittelständische Unternehmen hängen von den Aufträgen „großer“ nationaler und internationaler Kapitalgesellschaften ab. Wird für diese der Standort Deutschland weiter uninteressant, bedeutet dies auch das „Aus“ für viele mittelständische Unternehmen und den Verlust von zahlreichen Arbeitsplätzen. Darüber hinaus handelt es sich um eine Maßnahme, die zu einer Verkomplizierung des Steuerrechts beiträgt. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte deshalb schon die Einführung der Mindestgewinnsteuer abgelehnt.
Ich hoffe, dass die vernünftigen Kräfte in der Bundesregierung das Gutachten von Prof. Dr. Lang und die Stellungnahmen seitens der Industrie zum Anlass nehmen, ihre bisherige Haltung zur Mindeststeuer zu überdenken. Viel Hoffnung habe ich diesbezüglich nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Annette Widmann-Mauz