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Annette Widmann-Mauz
CDU
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Frage von Natalie K. •

Frage an Annette Widmann-Mauz von Natalie K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Widmann-Mauz,

wie werden Sie bei der anstehenden Abstimmung zur Bahnprivatisierung am kommenden Freitag votieren?
Und wie begründen Sie Ihr Votum?

Mit freundlichen Grüßen,
Natalie Kuczera

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Kuczera,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 26.05.08, in dem Sie mich zu meiner Haltung in Sachen Bahnprivatisierung fragen. Es ist meine feste Überzeugung, dass der Bund seiner Infrastrukturverantwortung im öffentlichen Verkehrswesen nachkommen muss. Eine komplette Privatisierung der Deutschen Bahn AG und des dazugehörigen Schienennetzes lehne ich aus diesem Grund ab. Die Kernforderung, dass die vorhandene Schieneninfrastruktur in staatlicher Hand verbleiben muss, konnte die Union mit dem „Holding Modell“ gegen erhebliche Widerstände durchsetzen.

Auch mit dem Holdingmodell bleiben die Absicht der Bahnreform von 1994 bis heute unbestritten gültig: „Mehr Verkehr auf die Schiene“ und „Nachhaltige Entlastung des Bundeshaushalts“. Beide Zielsetzungen lassen sich letztendlich nur durch einen gesunden Wettbewerb auf den Bahntrassen verwirklichen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich immer zu diesen Zielen bekannt.

Eine gute Infrastruktur ist Basis für einen funktionierenden Wettbewerb auf der Schiene. Allerdings darf diese Infrastruktur nicht im alleinigen Eigentum eines einzelnen Bahnunternehmens stehen. Der Zugang muss uneingeschränkt allen Wettbewerbern ermöglicht werden. Das gebietet auch das EU-Recht aus gutem Grund, z. B. um zu verhindern, dass Trassenpreise und Netzzugang von Monopolisten diktiert werden. Durch die Hereinnahme privaten Kapitals werden die Entscheidungen des Vorstands vom Kapitalmarkt kontrolliert und bewertet. Finanzielle Engagements der DB AG, wo auch immer auf der Welt, werden dadurch der Effizienzkontrolle von Investoren unterzogen und haben positive Auswirkungen auf den Aktienkurs und die Rendite, von der auch das Bundesunternehmen DB AG als Hauptanteilseigner profitiert. Die DB AG erhält durch die Gewinnausschüttungen neue finanzielle Spielräume zur weiteren Verbesserung der Schieneninfrastruktur in Deutschland.

Nicht desto Trotz hat der Bund nach Art. 87e GG weiterhin zu gewährleisten, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, bei Ausbau und Erhalt der Schieneninfrastruktur wie auch der Verkehrsangebote auf dem Schienennetz Rechnung getragen wird. Die staatliche Infrastrukturverantwortung nimmt der Bund derzeit durch die Finanzierung der Netzinvestitionen in Höhe von bis zu 4 Mrd. € pro Haushaltsjahr wahr. Die mit breiter politischer Mehrheit beschlossene Bahnreform war von Beginn an in Stufen angelegt. Wir stehen nach der Organisationsprivatisierung und der erfolgreichen Konsolidierung zu einer wettbewerbsfähigen DB AG, vor einer neuen Stufe, nämlich der Beteiligung privater Kapitalgeber an den Betriebsgesellschaften. Dieser Schritt war richtig, da der Bund allein die notwendigen Kapitalerhöhungen für die weltweit angelegten Logistikaktivitäten des Unternehmens nicht leisten kann.

Bei den Überlegungen zur Teilprivatisierung der DB AG haben das Parlament und die CDU/CSU-geführte Bundesregierung sowohl die Ziele der Bahnreform als auch die Infrastrukturverantwortung des Bundes berücksichtigt. Darüber hinaus haben finanz- und haushaltspolitische, volkswirtschaftliche, europarechtliche, beschäftigungspolitische und ordnungspolitische Gesichtspunkte im Entscheidungsprozess eine wichtige Rolle gespielt. Mit der jetzt getroffenen Entscheidung für das sog. „Holdingmodell“ setzt sich eine vernünftige Variante der Teilprivatisierung auf Basis der Beschlusslage der Union durch. Wir haben immer darum gekämpft, dass das Eigentum an der Infrastruktur beim Staat bleibt, dass also nicht das Schienennetz privatisiert wird, sondern der Bahnbetrieb. So ist es jetzt auch vorgesehen: Die Infrastruktur - also Schienen, Bahnhöfe und Energieversorgung - bleiben voll in staatlicher Hand. Der Bereich Verkehr und Logistik wird zum Teil privatisiert. Die Transportgesellschaften werden unter einer neuen Unterholding, der sog. Verkehrs- und Logistik AG (VuL AG), zusammengeführt. Diese soll zunächst zu 24,9 % privatisiert werden. Die Mehrheitsbeteiligung an der VuL AG bleibt unter dem Dach der DB AG Holding. Die Eisenbahninfrastrukturgesellschaften (EIU) bleiben weiterhin im Eigentum der bundeseigenen DB AG Holding. Da an der Holding keine Investoren beteiligt werden, gibt es wie heute auch keinerlei Zugriff oder Einflussmöglichkeiten von Privatgesellschaftern auf die Infrastruktur. Als Alleingesellschafter der DB AG ebenso wie als Geldgeber für Unterhalt und Ausbau der Infrastruktur bleibt der Bund Herr über die Infrastruktur.

Aus dem Erlös kann eine Offensive für das deutsche Schienennetz, für Elektrifizierung, Bahnhofssanierung und Lärmschutz, finanziert werden, die wegen der Begrenzung der Teilprivatisierung auf 24,9 Prozent leider kleiner ausfallen wird, als erhofft. Die DB AG hat in den letzten Jahren jede Menge Logistikunternehmen weltweit aufgekauft, die mit deutschem Schienenverkehr überhaupt nichts zu tun haben. Dies ist zwar unternehmerisch in einem globalen Markt ein wichtiger Aspekt, doch es ist nicht Aufgabe des deutschen Staates und des deutschen Steuerzahlers, das damit verbundene unternehmerische Risiko zu tragen. Aufgabe des deutschen Staates ist es, Schieneninfrastruktur, d.h. Gleise, Bahnhöfe, Weichen und Energie den Bahnunternehmen zur Verfügung zu stellen, nicht aber, im Ausland Logistik zu betreiben. Bildlich gesprochen, holen wir mit der Hereinnahme privaten Kapitals das Geld zurück, das von der DB AG in den letzten Jahren für Tochterunternehmen von Amerika bis Osteuropa ausgegeben wurde.

Was Befürchtungen bezüglich eines Rückzuges der DB AG aus dem bestehenden Streckennetz betrifft, gilt festzuhalten, dass die Verantwortung für den Regionalverkehr bei den Ländern liegt. Sie legen selbst fest, wo und wie oft Züge im Nahverkehr fahren. Der Bund stellt ihnen hierfür Mittel in Höhe von rund sieben Milliarden Euro zur Verfügung. Daran wird sich durch das Gesetz zur Teilprivatisierung der DB AG nichts ändern. Neu ist hingegen, dass die DB AG künftig jährlich einen Infrastruktur- und Entwicklungsbericht vorlegen muss. Das schafft mehr Transparenz als heute, insbesondere was die Qualität des Netzes in den einzelnen Regionen betrifft. Und es gibt den Ländern mehr Spielraum, die erforderlichen Konsequenzen bei der Planung und Organisation des Nahverkehrs zu ziehen. Die Qualität der Infrastruktur wird künftig durch eine Reihe von gesetzlichen und vertraglichen Regelungen genau festgeschrieben, und zwar in der Fläche wie in Ballungsräumen. Vor diesem Hintergrund möchte ich nochmals betonen, dass durch die Teilprivatisierung der DB AG kein einziger privater Investor Zugriff auf das Schienennetz erhält. Im Übrigen gibt es für Streckenstilllegungen ein ganz klar festgelegtes Verfahren, dem am Ende die zuständige Aufsichtsbehörde zustimmen muss (§ 11 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes). Die Gefahr eines erhöhten Stilllegungsdrucks besteht daher nicht.

Aus diesen Gründen habe ich mich für das sog. „Holdingmodell“ als eine vernünftige Variante der Teilprivatisierung auf Basis der Beschlusslage der Union entschieden.

In der Hoffnung, Ihnen meine Auffassung zur Teilprivatisierung der Bahn transparent und plausibel dargestellt zu haben, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

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