Frage an Annette Widmann-Mauz von Frank H. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Widmann-Mauz!
Ich bin nichtehelicher Vater einer zweijährigen Tochter. Von Anfang an wollte ich die gemeinsame Sorge. Die Mutter stimmte nicht zu, da ein Rechtsanwalt ihr dazu abriet. Seine Begründung war in etwa: "Solltet Ihr Euch trennen, hast Du mit der gemeinsamen Sorge nur Ärger." Das ist willkürliche Verweigerung der gemeinsamen Sorge! Ich habe mir in keinster Weise etwas zu Schulden kommen lassen. Da ich mein Kind liebe, möchte ich selbstverständlich die Sorge gemeinsam mit der Mutter ausüben.
Leider sind wir im Jugendamt völlig unzureichend über die Abgabe einer Sorgeerklärung informiert worden. Die Broschüre von der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendhilfe "Informationen für Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind" war der Sachbearbeiterin völlig unbekannt.
Sie wissen, dass ich in Deutschland ohne Zustimmung der Mutter keinen Rechtsanspruch auf gemeinsame Sorge habe. Ohne gemeinsames Sorgerecht jedoch fehlt die Fürsorge eines Elternteils. Dies bedeutet eine inakzeptable Einschränkung des Kindeswohles, v.a. bei Vernachlässigung durch den betreuenden Elternteil. Das ist eine Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder gegenüber ehelichen Kindern: Eheliche Kinder sind der elterlichen Sorge ihrer Väter anheimgestellt, uneheliche Kinder grundsätzlich nicht.
Frau Widmann-Mauz, sind Sie für einen Rechtsanspruch nichtehelicher Väter auf gemeinsame Sorge bzw. für die gemeinsame Sorge ab Geburt/Vaterschaftsanerkennung?
Oder sehen Sie in dieser Angelegenheit keinen Handlungsbedarf?
Mit freundlichen Grüßen
Frank Holzer
Sehr geehrter Herr Holzer,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 09.05.2008 zum gemeinsamen Sorgerecht. Erziehung heißt heute vor allem, Kinder mit Liebe stark für das Leben zu machen, ihnen zu helfen, ihren Platz in unserer Gesellschaft zu finden und eigenverantwortlich zu handeln. Diese Werte und Kompetenzen sollten im Idealfall von einem intakten Elternpaar vermittelt werden. Wie wir alle wissen, erlauben die heutigen Lebensumstände dies nicht immer. Im Falle einer Trennung von Paaren mit nichtehelichen Kindern darf ich Ihnen Folgendes mitteilen. Grundsätzlich steht allen Eltern die Möglichkeit offen, bei nichtehelichen Kindern ein gemeinsames Sorgerecht zu vereinbaren. Dies ist im Interesse des Kindeswohls auch besonders zu empfehlen. Ein gemeinsames Sorgerecht stärkt die Rechte des nichtehelichen Vaters auch beim späteren Umgangsrecht.
Jede Familiensituation – unabhängig von der Art des Zusammenlebens der Eltern – muss individuell betrachtet und als Einzelfall gesehen werden. Dabei sollte vor allem daran gedacht werden, eine Lösung zu suchen, die dem Wohl des Kindes gerecht wird. Es ist wichtig für ein Kind, in einem regelmäßigen, also einem Alltagskontakt, zu seinem Vater zu stehen. Dies muss nach den persönlichen Umständen der betroffenen Familien ermittelt werden.
Ein gemeinsames Sorgerecht bedarf als Mindestmass einer gemeinsamen, kindorientierten Basis beider Elternteile, damit Konflikte nicht auf dem Rücken des Kindes ausgetragen werden. Insofern ist es Sache der Eltern, ein ausgeglichenes zwischenmenschliches Verhältnis aus Voraussetzung für die gemeinsame Betreuung des Kindes zu finden. Beispielsweise sollten Beratungsangebote genutzt und von der Möglichkeit einer Mediation bzw. Vermittlung Gebrauch gemacht werden. Die Gewährleistung eines Rechtsanspruches auf gemeinsames Sorgerecht könnte den notwendigen elterlichen Dialog zum Wohle des Kindes auf bloße gerichtliche Auseinandersetzungen reduzieren. Mein politisches Anliegen ist es, das Elternrecht zu stärken. Allerdings kommt es dabei jeweils auf den Einzelfall an, jede Familiensituation ist demnach individuell zu bewerten, wobei die Bedürfnisse des Kindes im Mittelpunkt einer jeden Entscheidung stehen müssen.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Annette Widmann-Mauz