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Annette Widmann-Mauz
CDU
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Frage von Matthias R. •

Frage an Annette Widmann-Mauz von Matthias R. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Widmann-Mauz,

Verfolgt Ihre Partei und auch Sie langfristig weiterhin das Modell der Kopfpauschale (Einnahmenseite)? Was halten Sie vom Gesundheitsfonds?

Welche Maßnahmen sind im Gesundheitswesen zu treffen, um das vorhandene Budget effizient (notwendiges soll finanziert werden, unnötiges nicht) einzusetzen (Ausgabenseite)?

Halten Sie das Gesundheitswesen für unterfinanziert, zu teuer, oder stehen genug Mittel zur Verfügung?

Sind Sie der Meinung, dass generell Gesetze und Maßnahmen nur dann sinnvoll sind, wenn die Beteiligten und die Behörden die tatsächlichen Vorgänge überprüfen und kontrollieren können?

Halten Sie das derzeitige Gesundheitswesen für genügend kostentransparent?

Wieviel Mittel versickern durch Mißbrauch oder einfach durch Ineffizienz oder Bürokratie im System? Gibt es darüber Vorstellungen oder Schätzungen im Ausschuss?

Könnte nicht der Patient, der am ehesten weiß,welche Leistungen er wirklich erhalten hat, Abrechnungen von Ärzten und Krankenhäusern kontrollieren?

Sollten nicht die Krankenkassen kontrollieren können, ob bestimmte Behandlungs- und Untersuchungsformen für bestimmte Symptome von der Solidaritätsgemeinschaft mitgetragen werden können?

Sollten die Apotheker nicht das günstigste Medikament mit dem verschriebenem Wirkstoff zum Wohle des Patienten suchen können?

Halten Sie es für überlegenswert, Versicherte mit einem Selbstbehalt (gedeckelt prozentual zum Einkommen) und an eventuellen Beitragsrückerstattungen bei Nichtinanspruchnahme der Krankenversicherung für die Kontrolle der Kosten und der Verminderung der Bürokratie zu interessieren?

Wie soll der Wettbewerb bei Kassen, Ärzten und Apotheken funktionieren?

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Radlinger

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Radlinger,

vielen Dank für Ihre zahlreichen Fragen. Wir haben in der Zwischenzeit eine Gesundheitsreform verabschiedet, die Ihre Fragen weithin beantworten dürfte. Erlauben Sie mir, Ihnen die aus meiner Sicht 10 wichtigsten Gründe zu nennen.

1. Ende der Budgetierung

Seit Jahren beklagt die Ärzteschaft die Budgetierung der ärztlichen Honorare mit all den Folgen für die Patienten (Wartelisten, Rationierung, Vorenthaltung von Leistungen) beklagt. Mit dem beschlossenen Gesetz wird die Budgetierung beendet. Die Steigerung von Ausgaben aufgrund erhöhter Krankheitshäufigkeit der Versicherten (Morbiditätsrisiko) wird auf die Kassen verlagert. Zentrales Ziel der neuen Vertragsgebührenordnung ist die leistungsgerechte Vergütung ärztlicher Leistungen mit festen Euro-Preisen. Das haben die Ärzte in ganz Deutschland immer eingefordert, und das wird jetzt endlich umgesetzt.

2. Palliativmedizin

Gerade die Union lehnt aus ihrem christlichen Menschenbild heraus die aktive Sterbehilfe ab. Deshalb hat die Union jetzt eine Verbesserung der medizinischen Versorgung in den letzten Lebenstagen, wie z.B. Schmerztherapie, durchgesetzt. Der Gesetzentwurf setzt diesen Anspruch um. Es wird im SGB V ein neuer Leistungsanspruch auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung eingeführt. Der Leistungsanspruch umfasst neben ärztlichen und pflegerischen Leistungen – bei Bedarf rund um die Uhr – auch die Koordinierung der einzelnen Teilleistungen und stellt damit Dienste, wie etwa bei mir im Wahlkreis das Tübinger Projekt Häusliche Betreuung Schwerkranker, auf rechtlich abgesicherte finanzielle Beine.

3. Rehabilitation

Die Gesundheitsreform bringt auch eine Reihe von Verbesserungen für behinderte und pflegebedürftige Menschen. Ein wesentlicher Fortschritt ist, dass die medizinische Rehabilitation eine Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenversicherung wird. Das heißt, auch alte und pflegebedürftige sowie schwerbehinderte Menschen haben einen Anspruch auf Rehabilitation. Für Behinderte wird dauerhaft sichergestellt, dass sie auch dann individuell mit Hilfsmitteln versorgt werden, wenn eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe am Leben der Gemeinschaft nicht mehr vollständig möglich ist. Die Gesundheitsreform bringt zudem Erleichterungen für Menschen mit Behinderungen in Wohneinrichtungen: Sie haben zukünftig einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege.

4. Wahlmöglichkeiten

Wir erweitern die Wahlmöglichkeiten der Versicherten. Selbstbehalttarife für Pflichtversicherte gibt es bislang in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht. Diese sind jetzt ebenso möglich wie ein Wahltarif Kostenerstattung. Beide Tarife können miteinander kombiniert werden. Darüber hinaus kann eine Kasse auch Tarife anbieten, in denen die Übernahme der Kosten für homöopathische oder anthroposophische Arzneimittel vorgesehen ist, deren Erstattung heute nicht von den Kassen übernommen wird. Versicherte können ferner Vorsorge und Rehabilitationseinrichtungen selbst auswählen, die entsprechend zertifiziert sind. Die Freiheit der Versicherten wird größer.

5. Transparenz

Zudem wird über die Kombination von einheitlichem Beitrag und kassenindividuellem Zusatzbeitrag mehr Transparenz über Angebot und Preise für die Leistungen der Kassen geschaffen. Versicherte können künftig besser vergleichen, ob ihre Kasse für den Zusatzbeitrag die bessere medizinische Versorgung anbietet. Damit werden die Kassen einen Anreiz haben, über gutes Versorgungsmanagement attraktive Angebote zu machen und nicht mehr ausschließlich in Werbung für junge gesunde Gutverdiener zu investieren. Die Versicherten wiederum werden sensibler für ihre individuellen Wahlentscheidungen.

6. Generationengerechtigkeit

Wir leisten mit diesem Gesetz einen Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Mit der Definition eines einheitlichen Verschuldensbegriffs und den geplanten Regeln zur Insolvenz wird der Druck auf die Kassen erhöht, ihr wirtschaftliches Gebaren offen zu legen, ihre Schulden abzubauen und Rückstellungen für zukünftige Lasten aufzubauen. Allein die Diskussion um den Verschuldensbegriff in der GKV und die Frage, ob das Insolvenzrecht in der GKV eingeführt wird, hat bewirkt, dass die Krankenkassen erstmals offen die Fakten auf den Tisch legen. Dabei ist deutlich geworden, dass die Kassen, insbesondere das System der AOK, keine Rückstellungen für Pensionslasten getroffen haben, und sich ihre nicht gedeckten Verpflichtungen für die sog. DO-Angestellten auf ca. 10 Mrd. Euro belaufen. Diese Situation müssen wir nutzen, um die Schulden abzubauen. Denn die Schulden von heute sind die höheren Beiträge von morgen. Schuldenabbau ist der erste Beitrag zur Generationengerechtigkeit.

7. Innovationsstandort

Der Innovationsstandort Deutschland wird gestärkt, indem über Erstattungshöchstbeträge und Kosten-Nutzen-Bewertungen Anreize gesetzt werden, die Forschung um innovative Präparate zu verstärken. Bei der Finanzierung ambulanter klinischer Studien werden die Kassen in die Finanzierung der Versorgungsforschung mit einbezogen. Gerade die Kliniken, die z.B. hochspezialisierte onkologische Arzneimittelstudien durchführen, werden dadurch entlastet.

8. PKV

Die Union hat durchgesetzt, dass die Private Krankenversicherung (PKV) als Vollversicherung erhalten bleibt. Das Gesetz sorgt mit der Einführung einer Pflicht zur Versicherung ferner dafür, dass in Deutschland niemand mehr ohne einen Krankenversicherungsschutz ist.

9. Wettbewerb

Auch der Wettbewerb in der GKV wird ausgebaut durch Erweiterung der Möglichkeit von Kassen mit einzelnen Leistungserbringern oder Gruppen von Leistungserbringern Hausarztverträge, Verträge zur Integrationsversorgung sowie zu besonderen Versorgungsformen abzuschließen. Darüber hinaus können die Kassen im Bereich der Hilfsmittel Ausschreibungen vornehmen und Rabattverträge mit pharmazeutischen Unternehmen schließen.

10. Arbeitsgeberbeitrag

Ganz wichtig ist, dass mit dem Gesundheitsfonds der Arbeitgeberbeitrag temporär festgeschrieben und eine wachsende Steuersäule zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben eingeführt wird. Damit schaffen wir den Einstieg in die Entkoppelung der Arbeits- von den Gesundheitskosten. Das hilft dem Wirtschaftsstandort und den Arbeitsplätzen in Deutschland.

Dies ist eine Reform, die im Interesse der Patienten und Versicherten steht und nicht im Interesse von organisierten Gruppen und Lobbyisten. Es ist eine gute Reform für mehr Transparenz, Wettbewerb und dauerhafte Solidarität in unserem Gesundheitswesen.

Mit freundlichen Grüßen
Annette Widmann-Mauz

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