Frage an Annette Widmann-Mauz von Achim L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Widmann-Mauz,
Prism, Tempora und XKeyscore bedeuten die völlige Überwachung der Internetaktivitäten jedes einzelnen Bürgers. Dies stellt einen massiven Eingriff in die in GG Art. 10, Abs. 1 zugesicherte Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses dar, so dass im Widerspruch zu GG Art. 19, Abs. 2 dieses Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet wird. Verschärft wird dies dadurch, dass nicht nur ausländische Dienste, sondern auch BND und BfV das Überwachungstool XKeyscore einsetzen. Laut der vom "Guardian" veröffentlichten Präsentation gilt auch jeder, der dagegen Verschlüsselungsmaßnahmen einsetzt, prinzipiell als verdächtig.
Daher meine Fragen:
1. Auf welches Maß konkret(!) sollte die Überwachung Ihrer Meinung nach beschränkt werden - zum einen die durch ausländische Dienste, zum anderen die durch inländische Dienste?
2. Durch welche konkreten(!) Handlungen werden Sie sich als MdB dafür engagieren, dass unser Grundrecht wiederhergestellt und vor neuen Angriffen geschützt wird? Welche konkreten(!) Maßnahmen werden Sie empfehlen bzw. fordern?
Im Voraus vielen Dank für Ihre Antwort!
Mit freundlichen Grüßen,
Achim Lorenz
Sehr geehrter Herr Lorenz,
für Ihre Mail zum Thema Internetüberwachung danke ich. Gerne lege ich Ihnen meine Position dar.
Auch ich finde die Abhör-Vorwürfe außerordentlich besorgniserregend. Ein solches Vorgehen der US-Geheimdienstbehörden gegen deutsche Staatsbürger und Regierungsinstitutionen ist untragbar. Daher begrüße ich, dass das überfraktionelle Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestags, das der Überwachung der Geheimdienste dient, umgehend tätig geworden ist und Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich zu politischen Gesprächen nach Washington, D.C. gereist ist, um bei den zuständigen US-Sicherheitsbehörden persönlich Informationen zu den US-Geheimdienstaktivitäten einzufordern.
Grundsätzlich ist die Aufgabe von Nachrichtendiensten das Sammeln, Auswerten und Nutzbarmachen von Informationen zum Schutze des eigenen Landes und der eigenen Bevölkerung. Dies muss anhand von rechtsstaatlichen Vorgaben erfolgen. Zentral dabei ist, dass jede Maßnahme den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet, deshalb ist ein dauerhaftes und flächendeckendes Speichern von Informationen nicht akzeptabel. Es dient jedoch dem Schutz der Bevölkerung, wenn zielgerichtet Daten auf Hinweise auf Terroranschläge oder die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen in angemessenem Umfang gesichtet oder unter befreundeten Nachrichtendiensten ausgetauscht werden. Das haben alle Bundesregierungen so gehandhabt.
Die bisherigen Sitzungen des für die Geheimdienstüberwachung zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums haben eindeutig belegt, dass sich unsere Nachrichtendienste im Inland und auch in der Zusammenarbeit mit dem Ausland an Recht und Gesetz halten.
Um das Ausmaß ausländischer Datenspionage zu ermitteln, betreibt die Bundesregierung parallel weiter intensive Sachaufklärung. Sie hat ausführliche Fragenkataloge an die Vereinigten Staaten und Großbritannien übersandt, der Bundesminister des Innern war bereits in den Vereinigten Staaten und auf Arbeitsebene dauern die Gespräche an. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat eine Arbeitseinheit „NSA-Überwachung“ eingesetzt, deren Ergebnisse dem Parlamentarischen Kontrollgremium berichtet werden.
Im Zeitalter des Internets wird immer deutlicher, dass der Geltungsbereich unserer nationalen Gesetze letztlich begrenzt ist. Daher hilft nur ein internationaler Ansatz, um neues internationales Recht in der EU und auf Ebene der Vereinten Nationen zu schaffen.
Das Auswärtige Amt setzt sich aktuell dafür ein, ein Zusatzprotokoll zu Art. 17 zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte der Vereinten Nationen zu verhandeln, um ergänzende und den heutigen modernen technischen Entwicklungen entsprechende internationale Vereinbarungen zum Datenschutz zu schaffen, die auch die Tätigkeit der Nachrichtendienste umfassen.
Auf europäischer Ebene treibt die Bundesregierung die Arbeiten an der Datenschutzgrundverordnung entschieden voran. Die anstehende Novellierung des Europäischen Datenschutzrechts bietet kurzfristig die Chance, zu Verbesserungen zu kommen. Deutschland wirkt darüber hinaus darauf hin, dass die Auslandsnachrichtendienste der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeinsame Standards ihrer Zusammenarbeit erarbeiten.
Der Bundeswirtschaftsminister setzt sich zusammen mit der Kommission der Europäischen Union für eine ambitionierte IT-Strategie auf europäischer Ebene ein, der eine Analyse der heute fehlenden Systemfähigkeiten in Europa zugrunde liegen muss. National wird ein runder Tisch „Sicherheitstechnik im IT-Bereich“ eingesetzt, dem die Politik - darunter auch das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik -, Forschungseinrichtungen und Unternehmen angehören.
Neben diesen Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene ist es wichtig, das Vertrauen der verunsicherten Bürgerinnen und Bürger in die Sicherheit des Internets und die staatliche Kontrolle der Aktivitäten der Geheimdienste durch umfassende Aufklärungsarbeit wieder zu stärken. Die Datensouveränität der Bürgerinnen und Bürger ist und bleibt ein hohes Gut und muss durch ebenso hohe Datenschutzstandards, - national und international -, gewahrt werden. Dafür wird die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wie zuvor mit allem Nachdruck eintreten.
Mit freundlichen Grüßen
Annette Widmann-Mauz MdB