Frage an Anne Spiegel von Annette H. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Spiegel,
ich bitte Sie um Ihre Meinung zu dem in Rheinland-Pfalz durchgeführten Ganztagsschulkonzept. Was darin unterstützen Sie, was kritisieren Sie und welche Veränderungen halten Sie für notwendig und finanzierbar?
Mit freundlichen Grüßen
Annette Heinemeyer, Dipl. Mediatorin
(tätig u.a. als pädagogische Fachkraft im Ganztagsschulbereich einer Hauptschule)
Liebe Frau Heinemeyer,
vielen Dank für Ihre Frage zum Ganztagsschulkonzept!
Ich halte Reformen im Bereich des Bildungssystems für eine der wichtigsten politischen Herausforderungen der kommenden Jahre. 300 neue Ganztagsschulen sind auf den ersten Blick eine stattliche Zahl, aber leider besuchen nur 4% der rheinland-pfälzischen Schülerinnen und Schüler eine Ganztagsschule. Darüber hinaus leidet das rheinland-pfälzische Ganztagsschulangebot meiner Meinung nach an pädagogischen Mängeln, weil sie als Halbtagsschule plus Mittagessen mit einer anschließenden Nachmittagsbetreuung konzipiert ist. Dennoch versuchen viele Schulen, im Rahmen dieser engen Vorgabe eine bestmögliche Gestaltung für ihre SchülerInnen zu realisieren.
Wir brauchen einen Ausbau "echter" Ganztagsschulen - mit unterschiedlichen über den ganzen Tag verteilten Angeboten, mit fächer- und klassenübergreifenden Elementen aus Lernen, Sport und Kultur und einem Überwinden des starren 45-Minuten-Takts. Darüber hinaus fordern wir Grüne in Rheinland-Pfalz ein kostenloses gesundes Mittagessen an den Ganztagsschulen, mehr Sprachförderung und eine bereits viel früher einsetzende individuelle Förderung aller Schülerinnen und Schüler. Denn die soziale Auslese unseres Bildungssystems ist erschreckend. Rheinland-Pfalz steht dabei an drittletzter Stelle nach Baden-Württemberg und Bayern. Der Geldbeutel der Eltern darf nicht über die Bildungschancen der Kinder entscheiden, daher brauchen wir mehr Förderung an den Schulen und ein längeres gemeinsames Lernen - in unserem grünen Konzept der "Neuen Schule" sollen die Kinder neun Jahre lang gemeinsam lernen, denn wir verlieren zu viele Talente, wenn wir schon nach vier Grundschuljahren die Entscheidung über den künftigen Bildungsweg der SchülerInnen fällen. Wir wollen stattdessen eine Schule für alle nach skandinavischem Vorbild. Als erstes Ziel möchten wir in der kommenden Legislaturperiode mindestens 50 Neue Schulen einrichten.
Um auf die Frage der Finanzierung zu sprechen zu kommen: Investitionen in Bildung muss endlich eine höhere Priorität als bisher zukommen! Wir wollen in Köpfe statt in Beton investieren und fordern daher, zur Finanzierung eines guten und gerechten Bildungssystems Subventionen wie beispielsweise im Straßenbau oder bei der Wirtschaftsförderung zu streichen. Abschließend halte ich es für ein gelungenes Ganztagsschulkonzept für wichtig, die Mitsprache und Mitbestimmung der SchülerInnen zu stärken. Die Schülervertretungen brauchen mehr Rechte und mehr Einfluss auf die Gestaltung ihrer Schule, denn die jetzigen Partizipationsstrukturen sind ungenügend und von wirklicher Mitbeteiligung kann nur in Ausnahmefällen die Rede sein.
Mit besten Grüßen,
Anne Spiegel