Frage an Anne Klatt von David H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Klatt,
was halten sie vom völkerrechtswidrigen Überfall der Bundesrepublik Deutschland auf die Bundesrepublik Jugoslawien im Jahr 1999?
Wie stehen sie zu der der UN-Charta brechenden Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovos durch die BRD?
Was halten sie vom UNIFIL-2-Einsatz der Bundeswehr?
Wie stehen sie zu andauernder Besatzung und Krieg in Afghanistan?
Gruß,
David
Lieber David,
grundsätzlich lehne ich militärische Einsätze erst einmal ab, insbesondere wenn die Motivation dahinter Ressourcensicherung oder vermeintliche Terrorbekämpfung ist. Terror wird auf diese Weise erzeugt und nicht bekämpft. Und das koloniale oder imperialistische Denken ("der Stärkere hat recht und darf unterlegene Länder ausbeuten"), das leider (immer noch!) in vielen Köpfen herum schwirrt, widerspricht klar den Vorstellungen eines fairen Miteinanders mit allen Menschen, für das ich mich engagiere. Wir müssen auch aufhören, andere Gesellschaftsstrukturen mit undemokratisch= schlecht = erziehungsbedürftig zu bewerten, nur weil sie nicht UNSEREM Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell entsprechen.
Bei den meisten zivilen Konflikten liegt ein Konflikt um Ressourcen zugrunde. Auch wenn Religionen, Ethnien oder Nationen vorgeschoben werden, sind oftmals Degradierung der Böden, Wasserknappheit oder Rohstoffe für Hunger, Vertreibung und schließlich Krieg mitverantwortlich. Hier muss unbedingt eine nachhaltige Nutzung, die die Ökosysteme funktionsfähig erhält und nicht zerstört, etabliert werden. Sonst sind werden alle Mühen zur Krisenprävention und "Entwicklungshilfe" ins Leere laufen.
Wenn es allerdings schon zu einem Konflikt gekommen ist und tatsächlich ein Völkermord stattfindet, sehe ich die UNO in der Pflicht, die Menschen vor Ort zu schützen. Ich war mal 2000 in Bosnien und habe mit Srebrenica-Überlebenden gesprochen: die waren sehr dankbar dafür, danach von den internationalen Truppen beschützt zu werden. Diese Dankbarkeit hat mich nachdenklich gemacht.
Afghanistan war innenpolitisch stabil und in einem demokratischen Reformprozess, bevor es seit 1979 zum Spielball der Großmächte wurde. Eine Mehrheit der Afghanen lehnt die Besatzung durch die westlichen Armeen ab und immer mehr Zivilisten werden in den Widerstand (das sind mittlerweile mehr als 2000 Organisationen, darunter die Taliban) getrieben. Der sog. zivile Wiederaufbau geht nach meinen Informationsstand nicht über eine kleine handvoll Prestigeprojekte hinaus, die die Situation der Bevölkerung nicht verbessern können. Auch hier sind es übrigens wieder EU-Exportsubventionen auf Agrarprodukte, die der lokalen Lebensmittelproduktion schmerzhafte Konkurrenz sind. Ich halte es für nicht akzeptabel, dass die Westmächte eine Regierung installieren, die von den Afghanen selber abgelehnt wird und zudem noch fest mit den Drogenbaronen familiär verflochten ist. Dass die Afghanen nicht in der Lage sind, sich selber zu regieren, halten viele, die sich sehr gut mit der Thematik auskennen, für unsinnig. Statt dessen sind die Ratsversammlungen und die Gründung einer Versöhnungskommission nach südafrikanischem Vorbild als Entscheidungsgremien sinnvoll.
Fazit: Unsere Unterstützung für Afghanistan darf keinesfalls in Form von Bomben ausfallen, auch nicht vorbereitend für amerikanische Bomben.
Lieber David,
ich hoffe, ich habe dir meine generellen außenpolitischen Auffassungen verständlich machen können. Da ich in die diese Thmatik bisher nicht so tief eingetaucht bin, muss ich dir zu den sehr konkreten Jugoslawienfragen eine Antwort schuldig bleiben. Ich hoffe, dir genügt das Aufzeigen meiner Grundsätze, denn leider kann ich nicht auf allen Gebieten Expertin sein, auch wenn ich daran arbeiten werde ;) .
Freundlicher Spätsommergruß,
Anne