Frage an Anne Klatt von Julius B. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte(r) Kandidat(in),
welches sind Ihre politischen Schwerpunktthemen?
Welche Position haben Sie zum in Lubmin geplanten Steinkohlekraftwerk?
Welche Gründe sprechen für oder gegen das SKW?
Welche Position haben Sie zur in Alt Tellin geplanten Schweinemastanlage?
Welche Gründe sprechen für oder gegen die Sma?
Welches sind nach Ihrer Auffassung die drängendsten Probleme der Region?
Welche Lösungsansätze sehen Sie?
Wären Sie im Fall Ihrer Wahl bereit, jährlich und öffentlich über Ihre Einkünfte Auskunft zu erteilen?
Wenn nein, welche Gründe sprechen dagegen?
Wären Sie bereit, Auskunft über die Höhe der Ihnen zugeflossenen Wahlkampfspenden und die Höhe Ihres Wahlkampfbudgets zu erteilen?
Wenn nein, welche Gründe sprechen dagegen?
Wie bewerten Sie das Phänomen des Rechtsextremismus in der Region?
Wie ist Ihrer Meinung nach die Demokratie und die Zivilgesellschaft in der Region entwickelt?
Welche Maßnahmen halten Sie für geeignet, das demokratische Verständnis innerhalb der Gesellschaft zu verankern?
Welche Gründe sind aus Ihrer Sicht ursächlich für den Rechtsextremismus in der Region?
Welche Gründe sprechen für oder gegen ein neuerliches NPD-Verbot?
Dürfen, wenn ja unter welchen Bedingungen, ehemalige offizielle oder inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit zu Parlamentswahlen antreten?
Gruß Julius
Lieber Julius,
Ihr Fragenkatalog ist ja reichhaltig. Und einige Fragen dürsten nach einer differenzierteren und daher längeren Antwort. Ich werde dennoch versuchen, meine Argumente auf den Punkt zu bringen:
Schwerpunktthemen: Konsumismuskritik, Verteilung der Arbeit auf mehr Schultern, Umwelt-(Ressourcen und Naturschutz, internationale Gerechtigkeit, Entflechtung von Politik und Wirtschaft; Stärkung des Staats als nach sozialen und ökologischen Kriterien aktiv gestaltende Institution (statt Fixierung auf den wenig aussagekräftigen Parameter Bruttosozialprodukt).
Steinkohlekraftwerk: Ich wünsche mir natürlich, ich könnte den Bau verhindern! Aber ein klares, ablehnendes Signal aus der Politik ist auch ein Standortfaktor... Wichtig ist jetzt, dass man das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) so ändert, dass derartige Kraftwerke nicht mehr genehmigungsfähig sind. pro: eine klitzekleine handvoll Arbeitsplätze (darf natürlich nicht als Totschlagargument benutzt werden und wiegt die Gegenargumente lange nicht auf) contra: Klimaschutz, Schädigung des Tourismus, Hemmnis für Investitionen in erneuerbare Energien, Naturschutz (Boddenerwärmung, FFH-Gebiete, Artenschutz usw.), Ablehnung durch eine Mehrheit der Bevölkerung, massives Bürgerengagement dagegen, Quecksilber etc. Austrag...
Alt Tellin: Darf auf keinen Fall genehmigt werden. Ich bin sonst vorsichtig mit Verboten, aber ich kenne niemanden, der sich ernsthaft für Massentierhaltung ausspricht. Ich halte es für eine der schäbigsten Handlungen, die nach deutscher Gesetzgebung legal ist. Der Respekt vor Tieren verlangt ein Verbot der Massentierhaltung.
Drängendsten Probleme der Region: die Perspektivlosigkeit der Menschen in den sogenannten "peripheren" Räumen, also auf dem Land. Verbunden mit einer restriktiven Hartz IV Gesetzgebung und einer entwürdigenden Behandlung in der Arge bereitet sie gefährlichen Nährboden für anti-demokratische und fremdenfeindliche Gesinnungen. Das ist sehr ernst zu nehmen!
Aber auch die zunehmende Ansiedlung von unpopulären und teilweise gefährlichen Technologien und Müll (Gentechnik, Kohlekraft, Atommüll usw.) dürfen wir uns nicht gefallen lassen. Nicht nur hier nicht, sondern nirgendwo.
Lösungsansätze: 20 Stunden Woche als Normalzustand; massiver Rückenwind für sanften Tourismus, Ökologische und kleine Landwirtschaftsbetriebe, Mittelstand und Handwerk, um viele dezentrale Arbeitsplätze zu schaffen; ein starkes und preiswertes öffentliches Verkehrsnetz, um allen Menschen (umweltfreundliche) Mobilität zu gewährleisten; natürlich breit gestreute Investitionen in Lehrpersonal und Schulen, statt in Militär, Straßen und einige Elite-Institutionen.
Einkünfte: Wichtiger finde ich, dass das Gehalt moderat abgesenkt wird. "Spitzenleute" haben erkannt, dass das Gehalt nicht Quelle der Befriedigung eines Politikers ist. Diejenigen, die auf das Geld aus sind, sind eh in der Wirtschaft besser aufgehoben. Der nahtlose Übergang zwischen Politik, Aufsichtsräten und Unternehmensführung birgt Demokratieschäden in sich und sollte unterbunden werden.
Spenden offen legen: Um Privatpersonen nicht bloß zu stellen, die es selber nicht wollen, würde ich deren Spenden nicht offen legen wollen. Spenden ab 10.000 Euro müssen laut Parteiengesetz eh offen gelegt werden. Zumindest auf kommunaler Ebene könnte man diese Summe sicherlich locker auf 2.500 Euro runter setzen. Nebeneinkünfte sollten auf jeden Fall transparenter werden. Konkrete Vorstellung habe ich dazu aber noch nicht entwickelt. Unser Wahlkampfbudget ist sehr mickrig und wurde bisher ausschließlich von anderen grünen Kreisverbänden gespeist.
Rechtsextremismus: Das macht mir natürlich große Sorgen. Aber ich warne davor, dass Phänomen auf einer sehr oberflächlichen Ebene anzupacken (Ausgrenzung usw.) Das kann nach hinten los gehen. Wichtiger finde ich wie geschrieben, dass die Probleme der Menschen ernst genommen werden. Die Regionen dürfen nicht so im Stich gelassen werden.
Auch ich habe bedauerlicherweise nur wenige Kontakte nach Anklam usw. Daher kann ich die Zivilgesellschaftlichkeit nicht selbst einschätzen. Ich weiß aber, dass die Parteimitgliedschaften sehr spärlich sind und Prof. Buchstein spricht von einem "Demokratievakuum". Worauf genau Sie mit Ihrer Frage abzielen, habe ich noch nicht durchschaut.
Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie: gute Frage! Das fängt in der Schule (Mitbestimmungsrechte der Schüler) und Familie an. Kommunalparlamente dürfen sich nicht so gegenüber den Bürgern abschotten und partizipative Elemente wie Bürgerhaushalt, Bürgerkonferenzen und -befragungen, Fragestunden und Anhörungen sind wichtig. Sehr wertvoll sind auch Jugendparlamente und ähnliche Ideen. Die (Bild)Zeitung spielt eine wichtige Rolle und sollte sich bewusst sein, dass sie durch übertriebene Politikerschelte die Verdrossenheit fördert.
Ursachen des Rechtsextremismus: da muss man die Leute selber fragen! Alles andere sind und bleiben Spekulationen.
NPD-Verbot: sehr schwierige Kiste! Einerseits hätte man dann keine Schwierigkeiten mit Blockaden in den Parlamenten und würde deren Ausbreitung nicht auch noch mit Steuergeldern finanzieren. Andererseits wäre ihr Agieren im Untergrund vielleicht noch weniger nachvollziehbar. Ich habe mir selbst in dieser Frage kein Urteil gebildet.
StaSi-Mitarbeitern: Es gibt viele, die nur auf Druck oder zähneknirschend zu IMs geworden sind und auch bewusst keine "verwertbare" Information geliefert haben. Warum man diese Menschen bestrafen sollte, leuchtet mir nicht ein. Andere, die zur Unterdrückung von Kritikern beigetragen haben und für viele traurige Schicksale verantwortlich sind, dürfen nicht völlig ungestraft bleiben. Das Vertrauen in unser Rechtssystem ginge sonst verloren. Nach § 45 I StGB verliert derjenige, der aus einem Verbrechen zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt wird, seine Wählbarkeit für fünf Jahre. Ich halte diese Regelung auch für StaSi-Mitarbeiter/-innen anwendbar.
Mit freundlichen Sommergrüßen!
Anne