Frage an Anne Alter von Dieter K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Alter!
Wenn es stimmt,was abgeordnetenwatch.de auf seiner Startseite heute veröffentlicht hat,dann sollen ja die SPD-Kandidaten für die Wahl zur Hamburger Bürgerschaft eine Art Ehren- bzw.Verpflichtungserklärung unterschrieben haben,dass sie sich mehr oder weniger aus dem Wahlkampf raus halten oder nur die Positionen der Parteiführung vertreten! Da würde mich jetzt interessieren,ob Sie auch die Positionen Ihrer Parteiführung und Ihres Spitzenkandidatens einnehmen müssen oder ob Ihnen auch eine abweichende Meinung von der Parteilinie gestattet ist?
Nach meiner Meinung untergräbt der sogen."Maulkorberlass" für nachrangige SPD-Kandidaten unsere Verfassung,wo doch jeder Abgeordnete nur seinen Gewissen verantwortlich und an Weisungen seiner Partei nicht gebunden ist,trifft das denn auf die Bürgerschaftswahlkandidaten nicht zu?
Was ist denn das für ein Parlament,wo nur noch die Parteispitzenleute entscheiden über Sachthemen,die für die Bürger sehr wichtig sind?Ist es deshalb nicht langsam an der Zeit für mehr Bürgerbeteiligung durch Volksbegehren,Volksabstimmungen etc.und Direktwahl des Hamburger Bürgermeisters zu sorgen?Wie ist da die Position der Piratenpartei und Ihre Eigene,falls sie von der Parteilinie abweicht?
Mit freundlichen Grüssen
Dieter Kipp
Sehr geehrter Herr Kipp,
die PIRATEN differenzieren sehr genau zwischen Partei- und persönlicher
Meinung.
Die offiziellen Standpunkte der Partei werden in einem basisdemokratischen Prozess, an dem jedes Mitglied teilnehmen kann, festgestellt und auf Landes- bzw. Bundesparteitagen, die ohne Delegiertensystem durchgeführt werden, abgestimmt - ebenfalls von der Parteibasis. Momentan ist hierfür noch die persönliche Anwesenheit der Mitglieder notwendig, wir beschäftigen uns jedoch intensiv mit Konzepten für dezentrale Parteitage, was momentan vor allem noch an technischen Unzulänglichkeiten scheitert.
Wenn wir uns im Namen der Partei äußern, dann ist es geboten, auch deren Standpunkte zu vertreten, z. B. wenn gezielt nach den Positionen der Partei gefragt wird.
Was jedoch ebenfalls geäußert werden darf, dann allerdings klar als solche gekennzeichnet, ist die persönliche Meinung des Kandidaten. Das ist vor allem der Fall, wenn es (noch) keine belastbare Parteiposition zu einem Thema gibt, aber auch, wenn die persönliche Meinung des Kandidaten von einer solchen abweicht und abgefragt wird.
Überhaupt keine Rolle spielt ein Listenplatz oder ein Parteiamt bei dem Äußern einer persönlichen Meinung. So bin ich z. B. in der Spitzengruppe der Kandidaten für die Hamburger Bürgerschaft und Spitzenkandidatin meines Wahlkreises, und außerdem Vorstandsmitglied im Landesverband Hamburg der Piratenpartei. Meine persönliche Meinung zählt nicht weniger als die von Herrn Holler, der auf Platz 1 der Landesliste steht, aber kein Parteiamt innehat und nicht mehr als die eines Kandidaten auf einem der hinteren Listenplätze - und auch nicht mehr als die eines beliebigen Basispiraten. Und das finde ich richtig gut.
Das bedeutet natürlich auch, dass bei uns eine solche Erklärung nicht existiert und wir auch nicht auf die Meinung einzelner Kandidaten verpflichtet wurden, vielmehr lehnen die PIRATEN ein solches Vorgehen zutiefst ab. An unserem Wahlkampf, den wir mit relativ bescheidenen Mitteln bestreiten müssen, sind Kandidaten, Vorstandsmitglieder und Basispiraten gleichermaßen beteiligt.
Mit freundlichen Grüßen
Anne Alter