Sehr geehrte Frau Baerbock, was halten Sie von einer individuelleren Ausländerpolitik?
Wie kann verhindert werden, dass Ausländer, die sich in Deutschland gut integriert und Lehrstellen oder Arbeitsplätze haben, abgeschoben werden, während andere, die sich absolut nicht regelkonform verhalten, bleiben dürfen?
Sehr geehrte Frau W.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir stimmen Ihnen zu: Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben und hier verwurzelt sind müssen Schutz und Sicherheit vor Abschiebung bekommen. Das bedeutet, dass sie eine sichere Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Es ist wichtig, dass sie sich willkommen fühlen. Viele Probleme in diesem Zusammenhang resultieren aus den Regelungen über die "Duldung". Mehr als 200.000 Menschen – darunter viele Kinder und Jugendliche – leben über viele Jahre in einem Zustand der Perspektivlosigkeit und Rechtsunsicherheit in Deutschland, weil sie nur geduldet sind. Das ist weder für die Betroffenen noch für das gesellschaftliche Zusammenleben gut. Wir wollen die Anzahl der Menschen, die sich von Duldung zu Duldung hangeln müssen, deshalb möglichst auf null reduzieren. Für diese Menschen braucht es nach fünf Jahren Aufenthalt ein sicheres Bleiberecht. Heranwachsende, Jugendliche und Familien mit minderjährigen Kindern sollen nach drei Jahren einen Aufenthaltstitel bekommen. Durch die Umwandlung der Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung in Aufenthaltsrechte verschaffen wir den Menschen einen verlässlichen Zugang zu Ausbildung und Arbeitsmarkt und sorgen für Planungssicherheit in den Betrieben.
Abschiebungen sind das letzte Mittel, wenn die Rückkehr verweigert wird. Freiwillige Ausreisen haben immer Vorrang, da jede Abschiebung mit großen menschlichen Härten verbunden ist. Überführte Straftäter sind zur Rechenschaft zu ziehen und sollen ihre Strafe auch verbüßen. Bei der Abschiebung von Straftätern muss aber auch beachtet werden, dass internationales und nationales Recht eine Abschiebung in ein Kriegsgebiet und in drohende unmenschliche Behandlung (z.B. Folter, Todesstrafe) verbietet. Die Menschenrechte gelten auch für Personen, deren Taten wir scharf verurteilen.
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock