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Annalena Baerbock
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Tom L. •

Frage an Annalena Baerbock von Tom L. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Frau Baerbock,

das Thema Wählen spitzt sich immer mehr zu. Um meine Entscheidung zu erleichtern habe ich drei Fragen an Sie:

1. Als 26-Jähriger bzw. als Teil von Generation Y und als Teil der unteren/mittleren Mittelschicht bin ich quasi gezwungen, mein Privatvermögen in eine betriebliche -bzw. private Altersvorsorge zu investieren und trotz alledem mein Arbeitnehmerverhältnis im besten Falle bis 67+ weiterzuführen für eine kleine Rente. Es schaudert mich über die Zukunft meiner Generation und allen weiteren nachzudenken. Was kann ich von den Grünen bzw. von Ihnen erwarten, wenn es um die finanzielle Höhe meiner Rente bzw. um mein zukünftiges Rentenalter geht.

2. Man wird beim Thema Grünen sehr oft von dem Thema Geld und Steuern abgeschreckt. Ich weiß, dass Umweltschutz und eine grünere Zukunft seinen Preis hat, aber als jemand aus dem Mittelstand schaut man doch sehr auf seine Finanzen. Müssen wir mit Preissteigerungen von Kraftstoff und weiteren Steuern rechnen?

3. Als jemand der sich seine Unterhaltung von Internet-Streamingdiensten etc. holt, habe ich kein Bedarf an den öffentlich rechtlichen Medien. Besonders wenn das Programm nicht wirklich meiner oder neueren Generationen angepasst ist, sondern ganz klar unseren aktuellen Rentnern zu Gute kommt. Radio ist ein anderes Thema, aber ich denke, dass auch hier meine Generation eine klare Meinung hat. Wir leben in einer modernen Welt wo alles Möglich sein sollte. Eine Trennung von Fernsehen und Radio sollte eine Option sein, sowie dann auch eine Teilung der GEZ gebühren. Ich zahle GEZ gebühren, ohne dass ich gefragt werde, ob ich diese Dienste überhaupt nutzen möchte. Für unsere moderne Gesellschaft sollte man frei Wählen können, was man möchte. Wie stehen Sie zu dem Thema und gedenken Sie etwas daran zu ändern?
Neue Generationen verlangen auch andere Handhabungen der Dinge, die nicht mehr der Modernität angepasst sind.

Ich hoffe mein Kreuz bei Grün machen zu können.

Danke und Gruß

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr L.,

vielen Dank für Ihre Nachricht und bitte entschuldigen Sie die verspätete Antwort.

Zu Ihrer ersten Frage: Wir finden Ihre Sorge um die Zukunft des Rentensystems angesichts des großen Reformbedarfs in der Rente sehr nachvollziehbar. Gleichwohl ist unsere Antwort: Es braucht politische Reformen, die wir angehen wollen, um das Rentensystem langfristig zu stabilisieren. Und es ist sinnvoll, mit betrieblicher und privater Altersvorsorge in jungen Jahren zu beginnen, dann braucht es gerade kein Vermögen, sondern Sie bauen sich über einen langen Zeitraum fürs Alter Vermögen auf.
Für uns hat ein nachhaltiges Rentensystem in der Regierung hohe Priorität. Denn wir wollen die Akzeptanz der gesetzlichen Rente auch in Ihrer und meiner Generation sichern: auch in Zukunft muss auf das Rentensystem Verlass sein. Darum steht im Vordergrund für uns die Aufgabe, das aktuelle Rentenniveau langfristig zu sichern. Dazu braucht es ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die wir angehen werden: wir möchten, dass insbesondere Frauen so arbeiten können, wie sie es wollen (d.h. häufig die Erwerbstätigkeit ausdehnen) unter anderem durch ein Recht auf Rückkehr in Vollzeit; wir werden ein echtes Einwanderungsgesetz schaffen und wir werden die Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer*innen verbessern. Wenn wir den Fachkräftemangel auf diesem Weg entschlossen angehen, dann ist auch die Rente auf lange Sicht sicher und finanzierbar. Zudem wollen wir prekäre Beschäftigung eindämmen, nur gute Löhne führen auch zu einer guten Rente.
Sie sprechen zudem die betriebliche und private Altersvorsorge an. Die wichtigste Einnahmequelle im Alter wird auch in Zukunft für die meisten Menschen in Deutschland die gesetzliche Rente bleiben. Aufgrund der anhaltend niedrigen Geburtenrate und der steigenden Lebenserwartung unserer Gesellschaft kann sie - trotz aller oben genannten Maßnahmen - allein den Lebensstandard im Alter nicht sichern und es ist wichtig, zusätzlich für das Alter vorzusorgen. Die betriebliche Altersvorsorge finanzieren Sie - häufig mit finanzieller Unterstützung des Arbeitgebers - aus Ihrem Einkommen, dies fördert der Staat in erheblichem Umfang durch Steuervorteile und teilweise Befreiung von Sozialabgaben. Wie Sie die private Säule der Altersvorsorge gestalten und zusätzlich sparen möchten, entscheiden Sie selbst, etwa in Form einer eigenen Immobilie, von Aktien oder einer privaten Lebens- oder Rentenversicherung, staatliche Förderung gibt es hier für die Riester-Rente. Dazu ist es - gerade in Ihrem Alter - empfehlenswert, auch mit kleineren Beträgen anzufangen und so langfristig fürs Alters vorzusorgen. Die private Altersvorsorge ist im Grunde nichts anderes ist als eine langfristige Vermögensbildung. Wir Grüne sehen gleichwohl grundlegenden Verbesserungsbedarf auch bei der Betriebsrente und der privaten Altersvorsorge. Die Riester-Rente hat sich als ein völliger Fehlschlag herausgestellt, die Produkte sind teuer und undurchschaubar und haben zum Teil eine geringere Rendite als Omas Sparstrumpf. Deshalb wollen wir sie durch einen öffentlich verwalteten Bürgerfonds ersetzen (Für Menschen mit einem bestehenden Riestervertrag besteht, falls von ihnen gewünscht, Bestandsschutz). Der Bürgerfonds soll ein kostengünstiges Standardprodukt für die zusätzliche Altersvorsorge anbieten, von einer unabhängigen Institution verwaltet werden und nachhaltig anlegen. Ein langfristiger Anlagehorizont und ein breit diversifiziertes Portfolio geben Sicherheit, sodass auf teure Garantien verzichtet und höhere Renditen erwirtschaftet werden können. Die Verbreitung der Betriebsrente wollen wir verbessern und das Standardprodukt des Bürgerfonds auch in der betrieblichen Altersvorsorge nutzen.
Zuletzt zum Renteneintrittsalter. Wir halten an der Rente mit 67 fest. Wir wollen es den Menschen aber leichter machen, selbst darüber zu entscheiden, wann sie in Rente gehen wollen.

Zu Ihrer zweiten Frage: Gerade weil es am Ende immer auf die Finanzen ankommt, ist es so wichtig, dass Preise die ökologische Wahrheit sagen und dass Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit Hand in Hand gehen. Wir sorgen dafür, dass Klimaschutz für alle möglich und bezahlbar ist.
Klimafreundliche, erneuerbare Alternativen müssen in Zukunft billiger sein als fossile, die das Klima schädigen. Mit dem massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien sorgen wir dafür, dass klimafreundlicher Strom immer billiger wird. Fossile Kraftstoffe sollen dagegen auch die Schäden (an Umwelt und Klima) tragen, die sie verursachen. Deshalb ist für fossile Kraftstoffe bereits ein steigender Preis im Zusammenhang mit der CO2- Bepreisung vorgesehen. In dem Maße, wie klimaschonende Alternativen zur Verfügung stehen, wollen wir den CO2-Preis erhöhen. Damit dies sozial gerecht ist, werden wir die Einnahmen aus dem nationalen CO2-Preis vollständig und direkt an die Bürger*innen zurückgeben. Dazu senken wir zum einen den Strompreis (durch eine Senkung der EEG-Umlage) und führen zum anderen ein Energiegeld ein, das jede*r Bürger*in als Rückerstattung pro Kopf erhält. So geben wir alle zusätzlichen Einnahmen transparent an die Menschen zurück und entlasten sie direkt. Das belohnt klimafreundliches Verhalten und es findet ein sozialer Ausgleich im System statt. Wer wenig CO2 emitiert, bekommt unterm Strich mehr raus. Ebenso haben wir auch die zeitlich befristete Anhebung der Entfernungspauschale als Entlastung von Berufspendler*innen mitgetragen, damit der CO2-Preis nicht diejenigen übermäßig belastet, die nicht auf das Pendeln verzichten können und denen derzeit keine klimafreundlicheren Alternativen zur Verfügung stehen.
Im Bereich der Einkommen- und Vermögensbesteuerung setzen wir uns für eine gerechte Beteiligung aller an der Finanzierung des Gemeinwesens ein, in dem wir besonders hohe Vermögen oberhalb von 2 Millionen Euro pro Person mit einer neuen Vermögensteuer an der Finanzierung beteiligen. Im Bereich der Einkommensteuer setzen wir uns für eine gerechte Verteilung der Steuerlast ein und werden Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen durch eine Anhebung des Grundfreibetrags gezielt entlasten. Im Gegenzug wollen wir den Spitzensteuersatz moderat anheben, und zwar für Einkommen von über 100.000 Euro (für Alleinstehende; 200.000 Euro für Paare), dazu wird eine neue Stufe mit einem Steuersatz von 45 Prozent eingeführt. Ab einem Einkommen von 250.000 bzw. 500.000 Euro folgt eine weitere Stufe mit einem Spitzensteuersatz von 48 Prozent.

Zu Ihrer letzten Frage: Sie sprechen da mehrere Aspekte an. Zunächst die Frage, warum Sie zahlen sollen, obwohl Sie das Angebot nicht oder kaum nutzen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist nicht einfach ein Konsumangebot, sondern er hat eine Bedeutung für die Demokratie. Er soll eine Grundversorgung mit Information und Unterhaltung sicherstellen, und er soll dabei unabhängig sein, von Vorgaben der Politik, aber auch von den Interessen von Werbekunden. Das geht nur, wenn er beitragsfinanziert ist, und zwar von allen. Denn nur dann ist er in der Lage, auch teure, aufwändige, schwer am Markt zu finanzierende Programmangebote machen zu können. Auch wenn diese nicht von allen genutzt werden, so profitieren doch am Ende alle davon. Weil nämlich so eine Grundlage für die freie Meinungsbildung gewährleistet ist, die ihrerseits Voraussetzung für eine demokratische Gesellschaft ist. Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich rein nachfragegetrieben finanzieren müsste, wäre die Konsequenz, dass er nur noch solche Inhalte produzieren könnte, die am Markt gut laufen. Genau das ist nicht der Sinn der Sache.
Was die Trennung von Radio und Fernsehen angeht: Nun, bis vor ein paar Jahren war der Haushaltsbeitrag, der damals noch Rundfunkbeitrag hieß, getrennt in einen Teil für Radio und einen Teil für Fernsehen. Mit der zunehmenden Verbreitung von internetbasierten Empfangsgeräten (also weil man auch über das Netz Radio und Fernsehen hören und gucken konnte) ergab diese Trennung nicht mehr viel Sinn, sodass entschieden wurde, die Sache einfacher zu halten und einfach alle für das Gesamtangebot mitzahlen zu lassen. Übrigens sind damit auch die leidigen GEZ-Kontrollen in Privatwohnungen weggefallen, was mir durchaus begrüßenswert erscheint.
Wir hoffen, Sie können das nachvollziehen. Persönliche Freiheit ist ein hohes Gut, aber Sie bezahlen in dieser unserer Gesellschaft auch zum Beispiel für Kindergärten, Autobahnen oder Schulen, die Sie möglicherweise gar nicht nutzen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört für uns durchaus zur Infrastruktur einer modernen und solidarischen Gesellschaft.

Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock

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