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Annalena Baerbock
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Frage von Ida M. •

Frage an Annalena Baerbock von Ida M. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht

Sehr geehrte Frau Baerbock,

Hiermit möchte ich Sie gerne nach ihrer Meinung zu der Lage in Lesbos fragen. Deutschland soll ja nach jetztigem Stand ca. 1500 Flüchtlinge aus dem abgebrannten Flüchtlingslager Moria aufnehmen, die meisten anderen EU-Mitgliedsstaaten weigern sich aber oder nehmen nur sehr wenige Flüchtlinge auf. Was würden Sie als Lösungsvorschlag geben um den Menschen dort so schnell wie möglich zu helfen? Ich freue mich auf Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Ida Müller

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Müller,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Die Lage in Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist erschütternd. Das Lager ist in weiten Teilen abgebrannt, rund 13.000 Geflüchtete sind weiterhin obdachlos, ohne Versorgung und wissen nicht weiter. Die Menschen leben unter unwürdigen und gefährlichen Bedingungen auf der Straße. Ihre Versorgung verläuft bis jetzt schleppend. Hilfsorganisationen erhalten teilweise keinen Zugang zu den Betroffenen. Es fehlt an ausreichend Wasser, Nahrungsmitteln und einer adäquaten medizinischen Versorgung, insbesondere auch an Schutz gegen eine weitere Verbreitung von Covid19.

Seit Monaten üben wir Druck auf Union und SPD aus, zu helfen die Menschen in der EU zu verteilen. Die Bundesregierung hat gezögert und sich hinter der Untätigkeit anderer EU-Mitgliedstaaten versteckt.
Wir müssen jetzt helfen, die Menschen zu evakuieren! Deutschland, das gerade den Ratsvorsitz in der EU inne hat, muss jetzt seiner Verantwortung in dieser Position gerecht werden und die sofortige Evakuierung der Geflüchteten und die Aufnahme in Deutschland und anderen europäischen Staaten organisieren. Nach einer medizinischen Erstversorgung vor Ort muss die schnelle Evakuierung der Schutzsuchenden nach Deutschland und europäische Staaten folgen.
Auch die jetzige Ankündigung der Bundesregierung ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein und löst die Probleme in Moria nicht. Natürlich sind wir froh für jeden Menschen, der diesen katastrophalen Umständen entkommen kann. Aber angesichts von rund 4.000 geflüchteten Kindern mit ihren Familien, die sich noch auf Lesbos befinden, ist dies in keiner Weise ausreichend.
Bisher hat die Bundesregierung Hilfe ausgebremst, wo sie nur konnte. Unsere Anträge im Bundestag zur Aufnahme von Geflüchteten von den griechischen Inseln wurden abgelehnt. Bundesländer und Kommunen, die bereit und in der Lage sind, mehr Menschen aufzunehmen, werden von Innenminister Horst Seehofer blockiert. Es gibt Kapazitäten, es gibt den Platz, es gibt eine überaus große Bereitschaft von Ländern und Kommunen sowie der Zivilgesellschaft in Deutschland, zu helfen. Darauf könnte man aufbauen. Aber vor allem CDU und CSU stellen sich bisher taub und blind. Und die SPD kündigt zwar Zustimmung für die Aufnahme von Geflüchteten an, aber bringt bisher nichts durch in der Koalition.

Dennoch: Moria ist kein singuläres Problem, sondern ein Sinnbild der gescheiterten Asylpolitik der Europäischen Union. Auch die Bedingungen der Lager auf den anderen griechischen Inseln Chios, Samos, Leros und Kos sind katastrophal. Von der Europäischen Union ursprünglich zur schnellen Weiterverteilung konzipiert, wurden sie durch die EU-Türkei-Vereinbarung für die Mehrheit der Geflüchteten zur Sackgasse. Kaum jemand konnte sie Richtung griechisches Festland oder in andere EU-Staaten verlassen. Statt der im Jahr 2017 zugesagten Aufnahme von 160.000 Menschen aus Griechenland und Italien wurden nur knapp 35.000 Menschen tatsächlich in andere EU-Staaten umverteilt. Die gegenwärtige Überlastung Griechenlands ist auch eine Folge nicht eingehaltener Zusagen der Europäischen Union. Die Regierungen in Rom und Athen fühlen sich seit Jahren vom Rest Europas mit den Herausforderungen der Bootsflüchtlinge allein gelassen. Die verbrannten Trümmer von Moria sind die Trümmer eines Systems, das wir so nie wieder aufbauen dürfen. Die EU muss an ihren Außengrenzen Rechtsstaatlichkeit und Humanität für Schutz und Perspektive suchende Menschen garantieren. Dafür braucht es nachhaltige und verlässliche Strukturen in der europäischen Asylpolitik.

Unsere kompletten Forderungen finden Sie in unserem aktuellen AutorInnenpapier hier: https://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/integration/pdf/200915-AP_Menschenwuerde_im_Mittelpunkt.pdf „Die Menschenwürde im Mittelpunkt – für einen rechtsstaatlichen Neubeginn der Europäischen Asylpolitik“

Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock

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