Frage an Anna Gosche von Thomas H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Frau Gosche,
Nicht erst seit der aktuellen Debatte habe ich Befürchtungen was das Gelingen einer “multikulturellen” Gesellschaft angeht (ethnische Unruhen in LA, Paris usw.). Ich frage mich, inwieweit wir in Hamburg Integration so gestalten können, dass sie auch tatsächlich gelingt.
Wie wollen Sie das Entstehen von Ghettos in Hamburg durch Stadtplanung verhindern? Wie ich in einer Phoenix Diskussion zur Kölner Moschee gesehen habe, ist ein angeführtes Gegenargument, dass durch solche Großbauten gerade Ghettobildung mit gefördert wird.
In vielen Schulen haben wir einen Migrantenanteil von weit über 50%. Müsste man so etwas nicht gezielt verhindern? Herr Prof. Peter Struck (Erziehungswissenschaftler an Uni HH, nicht der SPD Bundestagsabgeordnete) hat dazu geschrieben, dass ein Migrantenanteil von unter 25% pro Klassenverband anzustreben sei, weil das ansonsten negative Auswirkungen haben könnte auf Integration, Gruppenbildung, Lernverhalten usw.
Ich würde von Ihnen auch gerne wissen, wie Sie zu der beschleunigten Abschiebung von ausländischen Intensivtätern (Jugendliche und Erwachsene) stehen? Bei denen liegt ja nun definitiv kein Integrationswille vor und auch kein Bekenntnis zur deutschen Gesellschaft mit ihren Werten, selbst wenn sie hier aufgewachsen sind.
Sehr geehrter Herr Hertzsch,
vielen Dank für Ihre interessante Frage.
Entgegen Ihrer genannten Befürchtungen bin jedoch der festen Überzeugung, dass eine multikulturelle Gesellschaft in Hamburg (bereits) gelingt und auch in Zukunft gelingen kann, und sogar gelingen muss.
Denn die deutsche Gesellschaft schrumpft sichtlich und gerade auch aus diesem Grund sind wir mit Blick auf den demographischen Wandel auf Migranten und Migrantinnen (auch hier in Hamburg) angewiesen.
Ich stimme Ihnen jedoch zu, dass wir im Bereich der Ausländer- und Migrationspolitik zur Zeit in Hamburg Defizite haben.
Daher fordert die FDP Hamburg, allen hier lebenden Menschen gleiche Bildungs- und Einstiegschancen in unsere Gesellschaft zu gewähren, damit sie mit ihrer spezifischen Identität ein fester Bestandteil einer zukunftsweisenden liberalen Bürgergesellschaft werden können. Nicht Assimilation, sondern ein gegenseitiges Aufeinanderzugehen, gegenseitiges Verständnis, aber auch Akzeptanz unserer Rechts- und Werteordnung sowie das Erlernen der deutschen Sprache sind dabei Grundvoraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben.
Außerdem ist eine gute Berufsausbildung die Ausgangsbasis für eine qualifizierte Beschäftigung, für einen beruflichen Aufstieg und somit für eine gesellschaftliche Integration. Die berufliche Ausbildung ausländischer Jugendlicher ist nach wie vor mangelhaft. Ein wesentlicher Grund dafür besteht in den gravierenden Unterschieden im Bildungsabschluss deutscher und ausländischer Schüler.
Die FDP Hamburg will sich aus diesem Grund dafür einsetzen, dass
• größere Anstrengungen unternommen werden, die Ausbildungssituation von Jugendlichen aus Zuwandererfamilien zu verbessern, um ihnen eine berufliche Perspektive zu bieten;
• vermehrt Eltern mit Migrationshintergrund in das Sprachförderangebot der Schulen eingebunden werden;
• bereits in der Schule noch mehr Informationen über Ausbildungsplätze und so genannte Schnupperwochen (Praktika) von ausbildenden Betrieben angeboten werden;
• gemeinsam mit der Hamburger Wirtschaft, der Handelskammer und Handwerkskammer und den öffentlichen Behörden Angebote für mehr Ausbildungsplätze und neue Berufsgruppen, die den Lernausgangslagen besser gerecht werden, entwickelt werden; Außerdem ist die Einbürgerung Ausdruck gelungener Integration. Sie schafft die Voraussetzungen für einbürgerungswillige Migranten, am gesellschaftlichen und politischen Leben teilhaben zu können und alle Rechte und Pflichten eines Staatsbürgers zu übernehmen. Der feierliche Einbürgerungsakt mit einem öffentlichen Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung sollte nicht nur ein formaler Akt sein, sondern Ausdruck der Verbundenheit und Identifikation mit unserem Land.
Herr Hertzsch, ich hoffe, dass ich Ihnen auf diese Weise eine Antwort auf Ihre Frage geben konnte.
Herzliche Grüße
Ihre
Dr. Anna Gosche