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Anna Christmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Torben H. •

Wo sehen Sie die Grenzen der Besteuerung von Topverdienern?

Sehr geehrte Frau Christmann,

Die höhere Besteuerung größerer Einkommen (meist so ab um die 100 Tausend Euro aufwärts) ist eine oft gehörte Forderung Ihrer Partei, die mich immer wieder irritiert. So haben wir doch bereits eine progressive Steuer, d.h. die Steuerlast wächst mit steigendem Einkommen bereits überproportional. Zudem erfolgt die Abgabe von Steuern prozentual, d.h. auch hier steigt der Umfang der Abgabe logischerweise bereits mit der Höhe des Einkommens. Das führt letztendlich dazu, dass die top 6,4% der Top-Verdiener in Deutschland laut einer Untersuchung des iwd aus 2019 bereits für 42% der Einkommenssteuer verantwortlich zeichnen (Quelle: https://www.iwd.de/artikel/einkommensteuer-die-grosse-umverteilung-413662/). Ich verstehe das Konzept, dass man als Staat mit mehr Geld mehr machen kann. Aber wo sehen Sie denn eine Grenze der Besteuerung von Topverdienern? Die Forderung nach mehr hat in einer Welt mit begrenzten Mitteln doch immer eine nachhaltige Grenze.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Hartmann,

vielen Dank für ihre Fragen. Bezüglich der Einkommenssteuerprogression und Einkommenssteuer möchte ich Ihnen ein wenig den Kontext unserer Überlegungen schilden. Das Grundprinzip der progressiven Besteuerung von Einkommen konkurriert natürlich immer mit dem rechtlichen Gleichheitsgrundsatz, folgt jedoch sowohl der Argumentation dass starke Schultern, d.h. Individualpersonen und Haushalte mit hohem Einkommen eine höhere Last einfacher tragen können als solche mit niedrigen individuellen oder gemeinsam veranlagten Einkommen und zudem von kleineren Einkommen der existenzsichere Bedarf von Grundbedürfnissen (Lebensmittel, Miete, Haushaltskosten) gedeckt werden muss.

Zudem war die Steuerprogression in der Vergangenheit bereits höher. So betrug der Spitzensteuersatz unter der CDU-geführten Bundesregierung von Helmut Kohl noch 53%, in den vergangenen zwei Jahrzehnten ist dieser dann auf die bis heute gültigen 42% abgesenkt worden. Zusätzlich wurde der Solidaritätszuschlag für 90% der Einkommen abgeschafft und fällt nun als Einnahme für den Haushalt auch weg.

Gleichzeitig sehen wir die Notwendigkeit, der Mangelwirtschaft der letzten Jahrzehnte ein Ende zu setzen und endlich in die Infrastruktur zu investieren. –Seien es Ausgaben für die Energie- und Verkehrswende, den Ausbau des Breitbandinternets, Forschungsmittel um im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben und auch künftig die nachhaltigen Innovationen für eine klimaneutrale Welt zu entwickeln, seien es – wie jüngst leider zu beobachten – Investitionen in den Schutz vor bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels oder die Bekämpfung von relativer Armut im Sozialstaat, z.B. durch eine Kindergrundsicherung. Zudem haben wir pandemiebedingt eine zusätzliche Neuverschuldung aufgenommen, die sukzessive abgebaut werden muss, wenn wir unseren Kindern nicht noch mehr Schulden übertragen möchten.

Wir sind uns daher sicher, dass es kein ehrliches Angebot ist, auf der einen Seite große Modernisierungsinvestitionen zu versprechen, aber auf der anderen Seite nicht zu sagen, woher die Gelder dafür kommen sollen. Vielleicht haben Sie die Analysen des ZEW gesehen (Steuern: Wer von den Plänen der Parteien profitiert - SZ.de (sueddeutsche.de), nach denen in den Wahlprogrammen der anderen Parteien große Finanzierungslücken durch die Steuervorschläge stecken. Das halte ich für unseriös. Zudem erscheint es mir nicht die richtige Prioritätensetzung, Familien mit geringem Einkommen nur gering zu entlasten und Alleinstehende mit hohem Einkommen im Verhältnis viel stärker. Wir wollen es umgekehrt machen und insbesondere Familien mit geringem Einkommen mehr finanziellen Spielraum verschaffen.  

Wir schlagen dafür einen Einnahmemix vor, der Zukunftsinvestitionen ermöglicht. Zum einen bauen wir unnötige Ausgaben ab, z.B. mit dem Abbau klimaschädlicher Subventionen. Auf der anderen Seite wollen wir mit einer Digitalsteuer Konzerne besteuern, die ihre Gewinne nicht angemessen in Ländern versteuern, in denen sie wirtschaftlich tätig sind. Zudem heben wir den Spitzensteuersatz für Alleinstehende ab einem Einkommen von 100 000 EUR (Paare 200 000 EUR) moderat auf 45% an.

Mit freundlichen Grüßen,
Anna Christmann

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