Frage an Anna Christmann von Harald K. bezüglich Energie
Guten Tag Frau Christmann,
wie werden Sie zur EEG-Novelle abstimmen?
MfG Kurzweil
Sehr geehrter Herr Kurzweil,
vielen Dank für Ihre Frage. Bei der Abstimmung am 17. Dezember des vergangenen Jahres hat sich die gesamte Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz ausgesprochen. Auch ich habe bei der Abstimmung mit „Nein“ gestimmt. Im Folgenden möchte ich Ihnen meine Entscheidung erklären. Aufgrund der Stimmen der Koalitionspartner CDU und SPD ist die Novelle des EEG jedoch zum 1. Januar diesen Jahres in Kraft getreten.
Der Novellierungsbedarf ist seit langem bekannt. Mit ihrem Gesetz zögert die Bundesregierung die Energiewende jedoch weiter hinaus. Zwar beseitigt sie ein paar kleinere Hemmnisse, u.a. Dank des Drucks von Branchen- und Umweltverbänden sowie auch uns Grünen, sie schafft es aber nicht im Ansatz, den Ausbau der Erneuerbaren zu entfesseln. Somit hat die Bundesregierung die letzte Chance in dieser Legislaturperiode verpasst, noch einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Die Bundesregierung bedient sich außerdem eines Tricks und geht von einem viel zu geringen Stromverbrauch bis 2030 aus. Der Bedarf wird künstlich klein gerechnet, allerdings ohne dass die Regierung etwas für mehr Stromsparen und Effizienz unternimmt. Das ist fatal. Stattdessen wäre ein massiver Ausbau von Erneuerbaren dringend notwendig! Nur damit kann Deutschland die Pariser Klimaziele erreichen und die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft vorantreiben. Auch das EU-Klimaschutzziel für 2030 wird erhöht. Dafür muss auch Deutschland seinen Beitrag leisten. Ein wichtiger Grund mehr, den Erneuerbarenausbau jetzt schneller voranzubringen. Wir brauchen einen vielfach höheren Ausbau von Wind- und Solarenergie, mehr Engagement für Bürgerenergie sowie eine stärkere Entbürokratisierung, um die Klimaziele zu erreichen und die Kohle- und Atomkraftwerke zu ersetzen.
Wir Grüne fordern deshalb:
Erneuerbarenausbau muss endlich entfesselt werden: Jährlicher Ausbau muss sich vervielfachen.
Die beschlossenen Ziele reichen hinten und vorne nicht für einen neuen Ausbauschub der Erneuerbaren und für den Klimaschutz. Auf europäischer Ebene unterstützt die Bundesregierung die Erhöhung des EU-Klimaziels für 2030. Doch auf nationaler Ebene wird der Ausbau der Erneuerbaren nicht konsequent genug vorangetrieben. Stattdessen wurde diese Entscheidung auf das nächste Jahr vertagt. Wir brauchen einen viel stärkeren Ausbau, um nicht weiter kostbare Zeit für den Klimaschutz zu verlieren. Als Beitrag für die Klimaziele muss mindestens doppelt so viel Solarenergie ausgebaut werden wie im EEG vorgesehen, also rund 10 Gigawatt statt 5 GW pro Jahr. Der Ausbau der Windenergie an Land muss sich im Vergleich zum letzten Jahr glatt versechsfachen. Wir fordern 5 GW netto. Ein konkretes Ausbauinstrument hat die Bundesregierung in der Novelle komplett rausgelassen: die von uns geforderte Solarpflicht im Gebäudebereich.
Es bedarf einer realistischen Strombedarfsprognose als Grundlage für den EE-Ausbau.
Beim Erneuerbarenausbau geht es um Klimaschutz und unsere Zukunft – eine zu ernste Angelegenheit, um bei den Grundannahmen zu tricksen. Der künftige Strombedarf muss daher realistisch geschätzt werden, statt Luftnummern zu verbreiten. Trotz Effizienzgewinnen wird der Stromverbrauch steigen, v.a. durch die sog. Sektorkopplung, wonach Ökostrom auch in anderen Sektoren, u.a. Verkehr und Wärme sowie Industrie eingesetzt wird, sowie auch durch die angestrebte Produktion von Wasserstoff. Dieser Bedarf muss offen ermittelt und der notwendige Erneuerbarenausbau entsprechend erhöht werden.
Das EEG muss Perspektiven bieten: Planungssicherheit schaffen und Bürger*innen mitnehmen.
Statt mit der EEG-Novelle ambitionierte Ziele zu setzen und Lust auf die Energiewende zu machen, bremst die GroKo wo sie kann. In letzter Minute – v.a. dank des öffentlichen Drucks von Branchen- und Umweltverbänden sowie auch von uns Grünen – wurden manche Verschlechterungen doch noch verhindert:
- Mit der Novelle werden kleine PV-Anlagen bis zu 30 kWp von der EEG-Umlage befreit. Damit setzt die Bundesregierung aktuelles EU-Recht um, was eigentlich selbstverständlich ist, jedoch nur durch massiven öffentlichen Druck erreicht wurde. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung zur Stärkung der Bürgerenergie. Es bedarf aber mehr, z.B. die ebenfalls in der EU-Erneuerbaren-Richtlinie vorgesehene gemeinschaftliche Eigenversorgung einzuführen, wonach verschiedene Parteien in einem Mehrfamilienhaus gemeinsam eine Erneuerbare-Energien-Anlage betreiben und den Strom aus der Anlage selbst verbrauchen dürfen.
- Für Pionierwindenergieanlagen, die Ende 2020 nach 20 Jahren aus der EEG-Finanzierung fallen, wird eine Zusatzvergütung zugesagt, allerdings nur für einige Monate. Danach soll es für sie ein Ausschreibungsverfahren geben. Das alles soll noch mit einer Verordnung geregelt werden. Damit gibt es nun dank des öffentlichen Drucks überhaupt eine Art von Lösung für diese sog. Ü20-Anlagen – wie auch von uns gefordert. Allerdings ist die weitere Ausgestaltung offen und damit unsicher. Gleichzeitig werden Direktvermarkter schlechter gestellt, die sich rechtzeitig um eine Anschlussfinanzierung gekümmert haben. Daher halten wir eine einfachere Lösung mit einer klaren Übergangsfinanzierung für alle diese Anlagen für zielführender.
- Es wird eine Beteiligungsmöglichkeit für Kommunen an den Einnahmen der örtlichen Windparks geschaffen. Dies ist jedoch keine bundesweit verbindliche und verpflichtende Vorgabe, wie von uns gefordert. Aus dem Gesetzentwurf – wohl auf Druck der immer noch aktiven Kohlelobby in den Regierungsfraktionen - in letzter Minute wieder gestrichen wurde dagegen, dass erneuerbare Energien im öffentlichen Interesse sind und der öffentlichen Sicherheit dienen. Damit hätte man Rechtssicherheit geschaffen für arten- und naturschutzrechtliche Aspekte bei Planungs- und Genehmigungsverfahren. Wieder eine Chance vertan.
Ich hoffe, meine Entscheidung, gegen die EEG-Novelle zu stimmen, konnte ich Ihnen hiermit erläutern.
Mit freundlichen Grüßen,
Anna Christmann