Frage an Anna Cavazzini von Louis F. v. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Der Verein EsperantoLand e. V. hat im Jahr 2015 seine Vorstellungen zur internationalen Sprache "Esperanto in der Europäischen Union" dargelegt.
tinyurl.com/EsperantoLand-EU
Wir haben darin u. a. festgestellt,
- dass zumindest hunderttausend EU-Bürger Esperanto sprechen (esperantoland.org/de/plu.php?msgid=1242),
- dass die Verwendung von Esperanto international zunimmt (vgl. das zunehmende Angebot von Esperanto-Kursen, z.B. duolingo.com/courses/pt),
- dass China fast täglich Nachrichten in Esperanto veröffentlicht, auf esperanto.china.org.cn.
Zu ergänzen ist heute z. B., dass in Polen Esperanto als Träger der Esperanto-Kultur auf der Liste des immateriellen Kulturerbes eingetragen ist (2014) und dass auch Kroatien die Esperanto-Tradition als immaterielles Kulturgut anerkannt hat (2019; z. B. tinyurl.com/Polen-Esperanto und esperanto.hr/nematerijalno_kult_dobro_esper_2019.pdf).
Wir haben angeregt (s. Dokument),
- dass die EU-Kommission Esperanto als Sprache von EU-Bürgern anerkennt und das Erlernen und die Verwendung des Esperanto dokumentiert,
- dass der Esperanto-Unterricht, das Esperanto-Lernen und die Verwendung des Esperanto ähnlich gefördert werden sollen wie bei anderen EU-Sprachen - bei den offiziellen, halboffiziellen und Minderheitensprachen,
- dass Esperanto als Wahlfach an Schulen und Unis angeboten werden soll (so wie heute schon z. B. in Ungarn),
- dass an Schulen eine oder zwei Unterrichtsstunden über Esperanto angeboten werden sollen,
- dass die EU-Kommission dies koordiniert gemäß ihrer Aufgabe, in Bereichen wie Bildung, Jugend und Kultur eine Koordination der Politik der EU-Mitgliedsländer zu unterstützen.
Was ist Ihre Position zu diesen Anregungen? Sind Sie bereit, uns bei der Umsetzung zu unterstützen und sich bei der EU-Kommission dafür einzusetzen - oder vielleicht eine/r Ihrer Kolleginnen und Kollegen im EU-Parlament?
Nähere Informationen zu Esperanto z. B. auf esperantoland.org/presse
Schon jetzt vielen Dank!
Sehr geehrter Herr v. W.,
zunächst einmal vielen Dank für Ihre umfangreichen Informationen. Sehr
gerne will ich versuchen, Ihre Frage zu beantworten.
Aus meiner Sicht gibt es mindestens drei Gründe, warum man das Erlernen
von Esperanto fördern sollte.
Diese drei Gründe möchte ich Ihnen im Folgenden erläutern:
Der erste Grund: Ich will grenzüberschreitende Bildungsangebote fördern.
In einem anderen europäischen Land die Schule zu besuchen, zu studieren
oder eine Ausbildung oder Praktika zu machen, dort zu leben und zu
lernen, hat heute schon für Millionen Menschen die europäische
Gemeinschaft konkret erfahrbar gemacht. Wenn der Austausch über
nationale Grenzen hinweg zu einem selbstverständlichen Bestandteil der
Bildungsbiografie aller Unionsbürger*innen wird, ist ein wichtiger
Schritt zur Stärkung der europäischen Gemeinschaft geschafft. Bisher
reicht der Horizont von Bildungspolitik jedoch viel zu oft nur bis zur
Landes- oder Staatsgrenze. Eine gemeinsame internationale Sprache wie
Esperanto kann dabei helfen, dieses Problem zu lösen.
Der zweite Grund: Die europäische Idee lebt durch die Inspiration
kultureller Vielfalt, durch das seit nunmehr 70 Jahren weitestgehend
friedliche Miteinander der Europäer*innen und durch die Verständigung
auf Freiheit und Recht als fundamentale Grundwerte. Nur wenn es gelingt,
Europa auch als einen transnationalen Kulturkosmos in gegenseitiger
Wertschätzung seiner verschiedenen kulturellen Identitäten zu begreifen,
kann es seine ökonomische und ökologische Bedeutung in der Welt
nachhaltig weiterentwickeln. Kultur und Kunst sind besonders dazu
geeignet, für die europäische Öffentlichkeit identitätsstiftende
Bindungskräfte zu entfalten und die Institutionen und Regeln eines
nachnationalen Europas mit Leben zu erfüllen. Grüne Kulturpolitik beruht
auf dem Grundverständnis, dass Kultur elementarer Bestandteil
menschlichen (Zusammen-)Lebens ist. Meiner Meinung nach kann Esperanto
als gemeinsame internationale Sprache auch die europäischen
Identitätsstiftung erleichtern.
Der dritte Grund: Das Herz der EU sind ihre Bürger*innen.
Städtepartnerschaften zwischen zwei und mehr Ländern sorgen seit vielen
Jahren dafür, dass sich Menschen näherkommen, über Landesgrenzen hinweg
Freundschaften und gemeinsame Projekte entstehen und der europäische
Gedanke mit Leben gefüllt wird. Wir wollen sie stärken, ihre Erneuerung
wo nötig unterstützen und die europäischen Mittel entsprechend ausbauen.
Programme und Fonds für Kleinprojekte, die die unmittelbare Begegnung
europäischer Bürger*innen fördern, wie Erasmus+, Europa für Bürgerinnen
und Bürger, Kreatives Europa und der Europäische Sozialfonds (ESF)
eröffnen Menschen aus unterschiedlichen EU-Staaten die Chance zu
gemeinsamen Aktivitäten und Projekten und helfen somit bei der
Herausbildung eines europäischen Gemeinschaftsgefühls. Hier kann
Esperanto ebenfalls den grenzüberschreitenden Austausch zwischen den
Ländern unterstützen.
Ich hoffe, dass ich Ihre Frage durch die Erläuterung dieser drei Gründe
beantworten konnte.
Mit freundlichen Grüßen,
Anna Cavazzini