Frage an Anna Cavazzini von Ruth P. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Cavazzini,
werden Sie - gesetzt den Fall, Sie werden in das Europaparlament gewählt - unser bestehendes Geldsystem thematisieren? Werden Sie die derzeit über das Zinseszinssystem bestehende Möglichkeit von exponentiellem Wachstum von privatem Vermögen bei gleichzeitiger Verschuldung eines Teils der Bevölkerung in Frage stellen - mit dem Ziel, dieses System abzuschaffen? (Mir haben zum Verstehen der Zusammenhänge die Vorträge auf youtube und die Bücher des Ökonomen Bernd Senf geholfen.)
Mit Dank für Ihr Engagement, freundlichem Gruß und meinen besten Wünschen
R. P.
Sehr geehrte Frau P.,
Vielen Dank für Ihre Antwort. In den letzten Jahren und Jahrzehnten war in der Europäischen Union sowie in vielen Mitgliedstaaten die Auffassung vorherrschend, dass die Ökonomie Vorrang vor dem Politischen hat, dass Regeln und Eingriffe in den freien Markt schädlich sind, dass es nur vom Willen und Vermögen des Einzelnen abhängt, ob sie oder er glücklich wird. Diese Auffassung war blind für die gesellschaftlichen Voraussetzungen, die unsere Leben prägen und die es einigen schwerer und anderen leichter machen. In der Folge ist die Schere zwischen Arm und Reich weit auseinandergegangen. Das ist ein ökonomisches, ein soziales Problem und ein demokratisches Problem: Zu viele leben in Armut, zu viele sind verunsichert, wenden sich enttäuscht ab, verabschieden sich aus der Gesellschaft.
Als Grüne möchten wir das ändern. Auch Vermögende können mehr zu unserem Gemeinwesen beitragen. Wir wollen eine verfassungsfeste, ergiebige und umsetzbare Vermögenssteuer für Superreiche, denn in wenigen Ländern Europas sind die Vermögen so ungleich verteilt wie in Deutschland. Selbstverständlich legen wir dabei besonderen Wert auf den Erhalt von Arbeitsplätzen und die Innovationskraft von Unternehmen. Denn wir wollen, dass alle einen fairen Beitrag leisten, wenn unser Gemeinwesen finanziert wird und Zukunftsinvestitionen getätigt werden.
Zudem wollen wir kleine und mittlere Einkommen durch eine Erhöhung des Grundfreibetrags entlasten. Für Mittelstand, Selbständige und Arbeitnehmer*innen wollen wir das Steuersystem gleichzeitig vereinfachen, um sie dadurch zu entlasten. Genauso will ich nicht, dass sich Superreiche und Spitzenmanager*innen von der Gesellschaft abkoppeln. Zu oft verliert die Vergütung von Manager*innen den Bezug zum eigenen Beitrag und zu den Durchschnittsverdiener*innen. Zukünftig sollen Unternehmen nur noch maximal 500.000 Euro pro Kopf von der Steuer absetzen können. Auch weil Manager*innengehälter zulasten der Allgemeinheit gehen, wenn Unternehmen die Zahlungen als Betriebsausgaben absetzen.
Ich hoffe, ich konnte ihre Frage angemessen beantworten.
Mit freundlichen Grüßen,
Anna Cavazzini