Werden Sie einem Gesetzentwurf zustimmen, der Eigenheimbesitzer zum Austausch der Heizung und/oder zu Sanierungsmaßnahmen am Haus nötigt, um klimapolitische Ziele zu erreichen?
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse am Thema Heizungstausch. Ihre Frage ist zwar in der Theorie mit ja oder nein beantwortbar, aber in der Praxis ist es nicht so einfach, denn der Teufel liegt wie überall im Detail. Deshalb fällt meine Antwort auch etwas länger aus und versucht grundsätzliche Fragen mitzubeantworten und auch den Kontext zu beschreiben.
Wohnen wird für immer mehr Menschen unbezahlbar. Ein Grund dafür sind neben den explodierenden Mieten die steigenden Energiekosten für fossile Brennstoffe. Gleichzeitig ist der Wärme- und Gebäudebereich eine der größten Baustellen beim Klimaschutz in Deutschland und für fast 30 Prozent der Treibhausgase in Deutschland verantwortlich. Der Gebäudesektor hat bislang – wie der Verkehrssektor – nichts zum Erreichen der Klimaziele beigetragen. Deshalb ist das Vorhaben der Bundesregierung grundsätzlich richtig, ab 2024 keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr einzubauen.
Um das Gesetz gibt es jede Menge Hickhack, die Kommunikationspolitik der Ampel und vieler irreführender Informationen, die in der Öffentlichkeit verbreitet werden (gerade was den Aspekt des Zwangsaustausches oder der Höhe notwendiger Sanierungskosten betrifft). Ich bin Fachfrau für Digitalpolitik, habe also Fachleute für das Heizungsthema zu Rate gezogen und auch aus meinem Umfeld erfahren, dass z.B. gar nicht bei allen älteren Häusern beim Umstieg auf eine Wärmepumpe so teure und umfangreiche Sanierungen nötig sind, wie es hier und da zu lesen war. Und natürlich muss man auch berücksichtigen, dass nach einer Sanierung und mit einer umweltfreundlichen Heizung die Betriebskosten ganz erheblich sinken, was natürlich auch Einsparungen bedeutet.
Richtig ist aber ganz sicher, dass für viele Hausbesitzer:innen eine Sanierung nötig ist, wenn bei einem (ohnehin nötigen) Heizungsneukauf eine Wärmepumpe statt Öl/Gasheizung eingebaut wird. Dafür muss es natürlich hinreichende Unterstützung geben für alle die, die sich das gar nicht leisten können. Das hat die Bundesregierung zwar stets versprochen, aber noch liegt mir die finale Fassung des Gesetzes gar nicht vor, also läßt sich die konkrete Folge für verschiedene Fälle noch gar nicht sinnvoll bewerten. Aber für DIE LINKE wird entscheidend sein, wie sozial gerecht das Gesetz ausgestaltet ist.
Die Wärmewende ist eins der wichtigsten Projekte im Kampf gegen die Klimakrise und erfordert eine gesellschaftlich Kraftanstrengung, die aber nicht auf den Schultern der Bürger*innen allein liegen bleiben darf. Wir fordern deshalb neben einem Sozialausgleich für Hausbesitzer:innen, die sich die Umstellung nicht leisten können, außerdem ein Umsteuern insgesamt: Wir brauchen kommunale Wärmeplanung und Sanierungsbeauftragte, um großflächige Beratungsangebote für Bürger*innen zu schaffen und Quartierslösungen zu erarbeiten. Für Mieter*innen und Nutzer*innen kleiner Eigenheime mit geringen und mittleren Einkommen dürfen im geplanten Umbauprozess keine Zusatzkosten anfallen. Diese müssen mit gezielten Förderungen und Maßnahmen unterstützt werden. Das betrifft am stärksten Bezieher*innen von Transferleistungen sowie Rentner*innen. Wenn die Wärmewende zudem mit gut gestalteten Ausbildungsprogrammen einhergeht, wird sie zum Jobmotor.
Für die Umsetzung einer sozial gerechten Wärmewende fordern wir folgende Maßnahmen:
Sanierungen und Heizungstausch sowie die Installation von Solarthermie müssen staatlich gefördert werden. Es ist gut, dass die Förderungen von der Bundesregierung auf 14 Milliarden pro Jahr aufgestockt wurden. Diese Förderungen müssen aber viel zielgerichteter eingesetzt werden. Anstatt pauschaler Förderbeträge von 40 Prozent der Kosten oder bis zu 24.000 Euro pro Wärmepumpe, fordern wir progressiv wirkende Förderprogramme, die sozial gerecht wirken. Viele Eigenheimbesitzer*innen können sich den Heizungstausch und die energetische Sanierung nicht leisten - deshalb wollen wir Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen besonders großzügig unterstützen, sodass die Maßnahmen für sie nicht zur Existenzbedrohung werden. Niemand soll ihr Haus verkaufen müssen, weil sie sich den Heizungstausch und die energetische Sanierung nicht leisten kann. Dafür muss ein großzügig ausgestatteter Härtefallfonds aufgelegt werden.
Statt pauschaler Förderungen fordern wir progressiv wirkende Förderprogramme, die nach Einkommensklassen gestaffelt und unbürokratisch zugänglich sind. In der niedrigsten Einkommensklasse muss ein Großteil der Kosten für den Heizungstausch übernommen werden, in der höchsten Einkommensklasse sollte die Förderung auf null sinken. Es ist eine gesellschaftlich Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich alle eine klimafreundliche warme Wohnung oder ein warmes Haus leisten können – die Kosten für die Sanierung einer 300qm Villa von Millionären oder der Drittwohnung gehören nicht dazu.
Die notwendigen Fördermittel für energetische Sanierungen dürfen nicht als Profit in den Taschen von Immobilienkonzernen landen. Es darf nicht sein, dass sich Immobilienkonzerne wie Vonovia Förderungen in Millionenhöhe bezahlen lassen und dann wiederum Millionen an Dividenden ausschütten. Die Bundesregierung möchte in diesem Jahr die Wohngemeinnützigkeit wieder einführen. Damit wird ein Rechtsrahmen geschaffen, mit dem Förderungen im Gebäudesektor an soziale und ökologische Bedingungen gekoppelt werden können. Vermieter*innen und Wohnungskonzerne, die sich die Kosten energetischer Sanierungen nicht leisten wollen, können unter den Schirm der Wohngemeinnützigkeit schlüpfen. Wir fordern, dass Wohnungskonzerne Zugang zur vollständigen öffentliche Förderung der Kosten für Sanierungen und Heizungstausch erhalten, wenn sie sich im Gegenzug auf die gemeinnützige Bewirtschaftung ihrer Wohnungen verpflichten, mit Mietobergrenzen und der Pflicht zur Reinvestition von Gewinnen. In Verbindung mit der Abschaffung der Modernisierungsumlage wirken diese Förderbedingungen wie eine indirekte Mietpreisbremse und führen damit zu Entlastungen für die Mieter*innen. Vermieter*innen wie kommunale Wohnungsunternehmen oder Genossenschaften, die ohnehin gemeinnützig operieren, wollen wir ebenfalls mit großflächige Förderprogrammen unterstützen.
Die Wärmewende erfordert massive Investitionen in die soziale Infrastruktur. Um dies zu finanzieren, sind zwei Dinge notwendig:
Erstens muss die Schuldenbremse aufgehoben werden, denn die Investitionen im Wärmebereich schaffen die Grundlage für eine sozial- und ökologisch gerechte Wärmeversorgung in den kommenden Jahrzehnten. Daher ist es sinnvoll, die Finanzierung auch auf längere Zeit anzulegen. Es ist sinnbildlich, dass 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr ad hoc ins Leben gerufen werden können, aber bei den notwendigen Investitionen in die öffentlich Daseinsfürsorge gespart wird.
Zweitens: Die Finanzierung der Wärmewende ist auch eine Verteilungsfrage. Die Wärmewende ist finanzierbar, wenn Reiche und Konzerne endlich gerecht besteuert werden. Seit Jahren fordert DIE LINKE die Wiedereinführung der Vermögensteuer, durch die den Ländern und Kommunen jährliche Einnahmen in Höhe von rund 60 Milliarden Euro pro Jahr zugutekommen könnten. Hinzu kommen Re-Finanzierungseffekte aus dem Jobmotor: Alle Ökonom*innen gehen davon aus, dass öffentliche Investitionen sich ca. 1:1 refinanzieren, weil u.a. zusätzliche Lohnsteuern eingenommen werden. Die Finanzierung könnte auch aus den üppigen Übergewinnen der (fossilen) Energiekonzerne erfolgen. Anstatt die Übergewinnsteuer ab Juni wieder auszusetzen, wie es die Bundesregierung plant, könnte diese verlängert werden, um damit einen direkten Beitrag für die ökologische Transformation zu leisten.
Ich hoffe, meine Antwort (auf die Sie leider auch etwas warten mußten), hat Ihnen eine bessere Vorstellung von unserer Politik in dieser Frage gegeben,
Mit freundlichen Grüßen
Anke Domscheit-Berg