Welche Werte im Sinne von Wertvorstellungen/Idealen sind nach Ihrer Auffassung für die deutsche Gesellschaft besonders charakteristisch und bewahrenswert?
Im Zusammenhang mit der Unterstützung der Ukraine ist in der öffentlich geführten Debatte um Waffenlieferungen oft von der „Verteidigung westlicher Werte“ die Rede. Die Fragestellung wurde durch diese Debatte motiviert. Antworten jenseits dieses Bezuges sind aber ebenfalls sehr willkommen.
Sehr geehrter Herr M.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage vom 16. April 2023.
Meine persönlichen Ideal- und Wertvorstellungen sind natürlich nicht allgemeingültig für die deutsche Gesellschaft, denn vermutlich hat doch jeder Mensch so seine eigene Interpretation davon. Gleichzeitig glaube ich, dass es schon universell geltende Werte gibt, die aber nicht „westlich“ sind, sondern eben universell von vielen Menschen geteilt werden.
Beispielhaft dafür steht der Schutz der Menschenwürde als Artikel 1 im Grundgesetz, als Leitgedanke sozusagen und diese Überzeugung teile ich auch. Die Menschenwürde wird als unverletzlich, unveräußerlich und eben als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt verstanden, und so sollte es auch sein. Genauso sehe ich dass mit den Menschenrechten im allgemeinen, das Recht auf körperliche Unversehrtheit genauso wie Pressefreiheit, Demonstrationsfreiheit und Meinungsfreiheit.
Diese verfassungsgemäßen Punkte halte ich für bewahrenswert, überall auf der Welt. Wenn Staaten allgemeingültige Menschenrechte nicht einhalten, dann muss man das auch kritisieren.
Mit dem Beginn des Krieges hat Russland nicht nur Völkerrecht gebrochen, sondern auch dafür gesorgt, dass bis heute Menschen andere Menschen töten, vergewaltigen, entführen, foltern, verletzen und vertreiben. Absichtlich bombardiert Russland die zivile Infrastruktur und im russ. TV wird erklärt, warum: damit die ukrainische Bevölkerung erfriert und verhungert – ich habe das selbst gehört. Gleichzeitig betreibt Russland eine massive Unterdrückung seiner Opposition, bishin zum Verbot des Wortes „Krieg“ mit Bezug auf die Ukraine, was angesichts der Invasion, der bitteren Schlachten in Mariupol oder Bahmut und vielen anderen Orten der reine Hohn ist. Ich habe mir TV Sendungen des russ. Fernsehens angesehen (ich habe 9 Jahre russ. gelernt), das ist Desinformation in Reinform, wer abweichende Meinungen öffentlich äußert oder dagegen demonstrieren will, wird bestraft. Natürlich will die Ukraine nicht, dass gleiche Verhältnisse auch dort herrschen und weiter Millionen Menschen in Gesundheit und Leben bedroht und weiterhin vertrieben werden.
Für alles das kann man Russland als Aggressor nur verurteilen, aus Solidarität gegenüber ALLEN Leidtragenden: die angegriffenen Menschen in der Ukraine, die Menschen aus Russland, die gegen ihren Willen in einen Krieg geschickt werden oder als Oppositionelle unter Repressalien leiden oder auch Menschen in anderen Teilen der Welt, die indirekt unter den Kriegsfolgen leiden müssen - beispielsweise durch Lebensmittelknappheit oder die Energiekrise. Denn auch in Armut ist ein Leben in Würde nur schwer vorstellbar.
Mit Freundlichen Grüßen,
Anke Domscheit-Berg