Frage an Anke Domscheit-Berg von Sandra S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Domscheit-Berg,
Wie stehen Sie zu Corona-Maßnahmen?
Insbesondere: Maskenpflicht, Testpflicht, Lockdown, Schule, Impfungen, Reisen, Inzidenzen
Was wäre Ihrer Ansicht nach die beste Strategie im Umgang mit dieser Krise?
Vielen Dank!
Ihre Sandra Schlotmann
Sehr geehrte Frau S.,
die Pandemie beschäftigt mich als LINKE auch sehr und natürlich möchten vermutlich alle Menschen wieder zu einem völlig normalen Leben zurückkehren, denn niemand mag Einschränkungen wie Testpflichten oder Maskenpflicht. So lange es jedoch nach wie vor hohe Übertragungsrisiken gibt, ist in Innenräumen noch in vielen Fällen eine Maskenpflicht und/oder eine Testpflicht erforderlich, denn Covid 19 ist nach wie vor eine gefährliche Krankheit, an der bereits fast 100.000 Menschen in Deutschland gestorben sind. Dazu kommen mehrere Hunderttausend Long Covid Fälle mit schwerwiegenden Langzeitfolgen für die Betroffenen. Manche Menschen können sich aus medizinischen Gründen nicht impfen oder haben ein geschwächtes Immunsystem und sind daher besonders gefährdet. Auch in meinem Umfeld gibt es solche Menschen und ich bin froh, dass sie durch das Einhalten von Corona-Maßnahmen einigermaßen geschützt werden. Außerdem haben wir durch die Maßnahmen bisher eine extreme Überlastung des Gesundheitswesens und viele Zehntausende Corona-Tote verhindern können, wir hätten jedoch noch mehr Menschenleben retten können, wenn früher auf die Empfehlungen von Wissenschaftler:innen z.B. zum Maske-Tragen gehört hätte. Eine Überlastung des Gesundheitswesens ist auch jetzt noch möglich, wenn man z.B. sämtliche Einschränkungen komplett aufhebt. Die Delta-Variante des Covid-19 Virus ist so hoch ansteckend, dass alle Ungeimpften sich sehr schnell anstecken würden und ein gewisser Prozentsatz käme ins Krankenhaus und würde am Ende so viele Kapazitäten binden, dass auch bei einem Unfall oder Herzinfarkt keine adäquate Hilfe mehr möglich wäre. Und so eine Situation kann niemand wollen.
Um wieder alle Freiheiten erhalten zu können, ist es daher notwendig, so schnell wie möglich, so viele Menschen wie möglich (aber immer auf freiwilliger Basis) zu impfen. Denn Impfen ist das effektivste Mittel zur Eindämmung der Pandemie, um Menschenleben zu retten und schwere Krankheitsverläufe zu verhindern. Die Impfung eines großen Teils der Bevölkerung ist die Voraussetzung, um die pandemiebedingten Folgen im Gesundheitssystem und die grundrechtlich sensiblen Einschränkungen (wie z.B. sog. „Lockdowns“) schnellstmöglich zurückfahren zu können und die ökonomischen und sozialen Kosten der Pandemie zu reduzieren. Einen echten Lockdown wie in anderen Ländern hatten wir ja in Deutschland gar nicht, aber auch unsere weniger strengen Formen des Lockdowns bedeuteten erhebliche Einschränkungen des sozialen Lebens und brachten viele Menschen z.B. in Kultur, Tourismus und Gastgewerbe in Existenznot. Die Lasten waren dabei keineswegs gerecht verteilt, manche Branchen oder auch Kinder waren überdurchschnittlich eingeschränkt, andere fast gar nicht. Hilfen kamen oft ungenügend, zu spät oder waren nicht passend.
Um die Corona Krise langfristig zu bewältigen, ist jedoch auch ein viel größerer weltweiter Impffortschritt notwendig. Denn so lange in anderen Ländern immer noch Millionen Menschen infiziert werden, kann das Virus ständig neu mutieren und irgendwann schützen dann vielleicht unsere Impfungen nicht mehr vor einer solchen Mutante.
Die Pandemie kann nicht in einzelnen Ländern oder Kontinenten bekämpft werden, sondern nur global. Deshalb müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, ärmeren Ländern den Zugang zu Impfstoffen zu ermöglichen. Daher befürworte ich die Freigabe der Patente, um die globalen Herstellungskapazitäten zu erhöhen, aber auch die Abgabe günstiger oder kostenfreier Impfstoffe aus den Industrieländern an ärmere Länder.
Auch der öffentliche Gesundheitsdienst muss gestärkt werden. Denn der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) wurde über Jahre kaputt gespart, Personalmangel und schlechte Ausstattung waren die Folge. Das rächt sich nun. In der Corona-Krise zeigen sich die Probleme eines Gesundheitssystems, das über Jahre auf Wettbewerb und Profit getrimmt wurde. Es wird immer offensichtlicher, dass ein grundsätzlicher politischer Kurswechsel in unserer Gesundheitsversorgung notwendig ist. Gerade die Pandemie zeigte auch, wie schlecht die Prozesse der Gesundheitsämter digitalisiert wurden.
Zudem zeigt sich, dass die Impfbereitschaft auch eine soziale Frage ist, denn je geringer das Einkommen und je höher die Armut, desto geringer die Impfquote. Kurzfristig müssen daher mit mobilen Teams, mit den Sozialverbänden, den Sozialstationen und aufsuchenden Angeboten die Zugangshürden zu Impfungen gesenkt werden. Außerdem braucht es mehr und bessere Aufklärung, um Desinformationen rund um Impfungen zu begegnen. Eine Impfpflicht lehnt die LINKE jedoch ab.
Sollte ein weiterer eingeschränkter Lockdown notwendig werden (wovon ich nicht ausgehe), muss er jedoch solidarischer gestaltet werden. Dazu hatte DIE LINKE bereits in einer früheren Phase der Pandemie ein Konzept vorgelegt:
https://www.die-linke.de/start/nachrichten/detail/fuer-einen-solidarischen-lockdown/ .
Herzliche Grüße und bleiben Sie gesund!
Anke Domscheit-Berg