Frage an Anke Domscheit-Berg von Sebastian H. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Domscheit-Berg,
Ich wollte gerne fragen, ob Sie als unsere Bundestagsabgeordnete darüber informiert sind, dass die untere Naturschutzbehörde und die untere Forstbehörde in PM planen in ca einer Woche ca 8000 ha Wald mit dem Nervengift Karate Forst Flüssig per Hubschrauber zu vergiften.
Trotz aller Bedenken, trotz aller regional, landesweit und bundesweit laufenden Bemühungen zum Insektenschutz und zur Artenvielfalt, soll hier auf einer Fläche, so groß wie ein Totalinsektizied eingesetzt werden, dass nachhaltig alle Insekten tötet und den Wald nach Expertenmeinung toxikologisch verseucht hinterlässt.
Das ganze wird gemacht, um die seit Jahren totgesagte Kiefernmonokultur, die unter den jetzigen klimatischen Umständen, nach Expertenmeinung, niemals längerfristig bestehen können wird, für ein oder zwei weitere Jahre zu "retten".
Desweiteren hat die Behörde wohl das Gift (dessen Zulassung Ende 2019 endet, und das sich derzeit in der Abverkaufsphase befindet) schon gekauft und die Entsorgung wäre wohl wesentlich teurer als das Versprühen (an dem die privaten Waldbesitzer zwangsweise finanziell beteiligt werden).
Hier passiert in Ihrer Heimat ein wirklicher Schildbürger Skandal, der allen regional- bis europa und weltweiten Bemühungen zum Insektenschutz extrem entgegenläuft und einem vorkommt wie ein Märchen aus den 80er Jahren.
Es gibt eine Bürgerinitiative, es gibt eine Petition mit bereits mehr als 60 000 unterzeichnern, es wird eine Klage vorbereitet.
aber wir brauchen Hilfe!
Können Sie als unsere Bundestagsabgeordnete uns helfen?
Wissen sie Darüber Bescheid?
Tun Sie etwas?
Ich bitte Sie im Namen aller hier lebenenden Menschen, Familien, insbesondere unserer Kinder, auf die das Nervengift erwiesenermaßen sehr viel stärker wirkt, und Tiere sehr darum in dieser Sache aktive zu werden.
mit den besten Grüßen
basti hofmann
Sehr geehrter Herr Hofmann,
vielen Dank für Ihr Schreiben und ihre Frage auf Abgeordnetenwatch. Als Netzpolitikerin in der Linkspartei habe ich mich mit meiner Kollegin Kirsten Tackmann besprochen, die als landwirtschaftspolitische Sprecherin die Position zusammengefasst hat. Seit ihrer Anfrage haben einige Verbände den Einsatz von Karate Forst vor den zuständigen Verwaltungsgerichten angefochten. Ich begrüße es, dass es hier zu einer gerichtlichen Überprüfung kommt und möchte Ihnen die Position unserer Fraktion darstellen:
DIE LINKE fordert eine Minimierungsstrategie für Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft. Gleiches gilt für den Wald, wobei hier im Gegensatz zum oft routinemäßigen Gebrauch in der Landwirtschaft im Wald Pflanzenschutzmittel schon jetzt nur ausnahmsweise eingesetzt werden. Die Ausbringung auf großen Flächen muss selbstverständlich Sondersituationen vorbehalten bleiben, z. B. eine drohende Vernichtung des Waldes und ein hohes Risiko einer Ausweitung des Problemgebietes. In Schutzgebieten, z. B. Nationalparks, muss die Anwendung ausgeschlossen bleiben.
Aktuell ist der Druck durch diese sogenannten Kalamitäten regional sehr hoch. Großflächige Vernichtung von Wäldern ist bereits eingetreten. Zu solchen Massenvermehrungen von Forstschädlingen tragen verschiedene Ursachen bei. Eine Vorschädigung durch Dürre z. B., aber ganz sicher sind eher Plantagen ähnelnde Wälder mit einer einzigen Baumart und einer Altersklasse besonders gefährdet. Häufig sind die Fehler vor Jahrzehnten gemacht worden, weil Kahlschläge für Reparationsleistungen nach dem II. Weltkrieg z. B. schnell wieder aufgeforstet werden und den Holzbedarf wieder decken sollten. Da das Nachhaltigkeitsprinzip in der Forstwirtschaft erfunden wurde, hängt das vor allem mit den Zwangslagen nach einem verheerenden Krieg zusammen, trotzdem war es ein Fehler und erweist sich heute als schwere Hypothek, denn der Umbau zu vielfältigen, naturnah bewirtschaftete Wälder dauert angesichts des Wachstums von Bäumen viele Jahre und Jahrzehnte. Dass man damit nicht schon weiter ist hat auch damit zu tun, dass die Wilddichten auch in Brandenburg so hoch sind, dass eine Verjüngung der Bestände ohne sehr teure Wildschutzzäune oft gar nicht möglich ist. Unterdessen hat ein Umdenken eingesetzt und es gibt gute Beispiele dafür, wie mit einem guten jagdlichen Konzept selbst eine Naturverjüngung ohne Zaun ermöglicht werden kann, aber auch in den Fällen dauert es Jahre und Jahrzehnte, bis der Wald wirklich gegen Kalamitäten weitgehend geschützt ist und im Fall von Forstschädlingen nur ein paar Bäume und nicht der ganze Wald gefährdet ist.
Um einen Flächenbrand zu verhindern kann deshalb vorläufig in Ausnahmefällen eine Bekämpfung auch zum Schutz der umliegenden Waldflächen und des dort existierenden Ökosystems sinnvoll sein. Chancen und Risiken müssen allerdings sehr genau abgewogen werden, selbstverständlich einschließlich des Schutzes von Anwohnerinnen und Anwohnern, die allerdings durch Massenvermehrungen durch manchen Forstschädling auch bedroht sein können, weil die Raupen z. B. heftige Reaktionen auf der Haut oder in den Atemwegen auslösen können, wie z. B. der Eichenprozessionsspinner.
Gleichzeitig fordern wir natürlich mehr Anstrengungen und Unterstützung für einen Waldumbau und eine naturnahe Waldbewirtschaftung, damit der Wald sowohl den Klimaveränderungen als auch dem Schädlingsdruck oder auch den Waldbrandgefahren besser gewachsen ist. Extremwetterereignisse wie Stürme bis zu Orkanstärke und der Dürresommer 2018 als Zeichen eines beginnenden Klimawandels haben in vielen Regionen dem Wald massiv direkt geschadet. Das trägt nicht nur zur Vorschädigung der Bäume, sondern manchmal auch zu idealen Vermehrungsbedingungen für Forstschädlinge bei, deren Risiko aufgrund fehlender Arten- und Altersvielfalt in vielen Wirtschaftswäldern, insbesondere der Nachkriegszeit anerkannt höher ist als in natürlichen Waldgemeinschaften. Insofern muss die Großflächigkeit des Befalls und das Ausmaß der Auswirkungen als Folge falscher forstlicher Konzepte in der Vergangenheit Mahnung sein für dringend notwendige Korrekturen. Trotzdem müssen alle mit der zumindest kurz- oder mittelfristigen Vernichtung von Ökosystemen und Habitaten umgehen, deren nachhaltig gestaltete Regeneration eine Generationenaufgabe ist. Ein intensiver Gesprächskontakt zu den Behörden vor Ort sowie der Forstwissenschaft kann helfen, einvernehmliche Lösungen zu finden.
Mit freundlichen Grüßen,
Anke Domscheit-Berg