Frage an Anke Domscheit-Berg von Daniel K. bezüglich Wirtschaft
Befürworten Sie die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens und warum? Sehen Sie es auch als Ermächtigungsbasis für eine zukunftsweisende nachhaltige Gemeinwohlökonomie bzw. globale Humane Marktwirtschaft?
Hallo D. K.,
Ich setze mich seit langem für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein, weil ich mich beruflich mit der Zukunft der Arbeit und den Folgen technologischer Entwicklungen befasse und überhaupt keine Alternative dazu sehe. Die digitale Revolution braucht eine soziale Revolution und zu der gehört ein Bedingungsloses Grundeinkommen unbedingt dazu. Wertschöpfung wird immer weniger über Löhne verteilt, denn Roboter oder Software erhalten keinen Lohn, zahlen keine Lohnsteuer und auch keine Sozialbeiträge für Kranken-, Pflege- oder Rentenversicherung. Da aber auch künftig Menschen alt, krank oder Pflegefälle werden, braucht es künftig andere Verteilmechanismen, um unser Sozialsystem zu erhalten aber auch um die Würde des Menschen in einer Welt zu sichern, in der nicht (mehr) jede*r eine bezahlte Erwerbstätigkeit hat. Hartz 4 ist schon jetzt entwürdigend, in Zukunft wird es erst Recht keine Antwort auf die sozialen Herausforderungen unserer Zeit sein.
Ich glaube sowohl an die Machbarkeit als auch an die vielfältigen positiven (Neben-) Wirkungen eines BGE. Mich im Bundestag für das BGE einzusetzen, ist einer der Gründe, warum ich mich überhaupt entschieden habe, in die Politik zu gehen. Auf meiner Website ( http://ankedomscheitberg.de/?p=3058 ) habe ich meine Position zum BGE etwas ausführlicher beschrieben, ich kopiere das einfach mal hierher:
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Wenn ich höre, dass sich die CDUCSU in ihr Wahlprogramm hineingeschrieben hat, dass sie bis 2025 Vollbeschäftigung erreichen will, dann möchte ich wahlweise hysterische Lach- oder Weinkrämpfe bekommen. Wer so ein Ziel formuliert, hat entweder keine Ahnung, wie sehr die Digitalisierung unsere Arbeitsmärkte verändern wird, oder täuscht uns mit Absicht – ich finde eigentlich beides gleich schlimm. In den letzten Jahren ist das durchschnittliche Arbeitsvolumen pro Nase bereits von etwa 35 auf nur noch 30 Stunden gesunken. Das heißt bei steigenden Beschäftigtenzahlen, dass ein (bisher noch) gleichbleibendes Arbeitsvolumen sich einfach nur breiter verteilt. Blöd nur, dass wir aber immer noch eine 40 Stunden Woche haben und jede*r fünfte Arbeitnehmer*in in einem prekären Beschäftigungsverhältnis arbeitet, so dass viele zwar arbeiten, aber davon nicht leben können. Also werden sie Aufstocker*in und müssen entwürdigendes Hartz 4 beantragen.
In Zukunft werden sich die Verhältnisse aber weiter verändern. Autonome Autos werden kommen, ganz egal, ob es bis dahin noch 5 oder 10 oder 15 Jahre dauert – sie werden kommen. Dann aber werden 800.000 Berufskraftfahrer*innen arbeitslos, und Fahrschullehrer*innen, und die Menschen in Personalabteilungen, die diese knappe Million Beschäftigter verwaltet hat. Chatbots werden Mitarbeiter*innen in Callcentern ersetzen, 3D Drucker werden Bauarbeiter*innen ersetzen, Roboter werden Industriearbeit erledigen (in China gibt es schon sogenannte “Dunkle Fabriken”, in denen nur noch Roboter arbeiten, weshalb man kein Licht mehr dort braucht) und künstliche Intelligenz wird Jobs in Banken, Büros und Anwaltskanzleien ersetzen. Das passiert alles nicht in den nächsten vier Jahren, aber es kommt auf uns zu und schneller, als die meisten von uns erwarten.
Es ist überhaupt kein Problem, wenn Roboter oder Software unsere Arbeit machen, die Befreiung vom Zwang, die eigene Arbeitskraft verkaufen zu müssen, ist schließlich großartig. An Langeweile werden wir auch dann nicht leiden, denn der durchschnittliche Mensch will aktiv und nützlich sein. Schon jetzt werden in Deutschland doppelt so viele Stunden unbezahlt wie bezahlt geleistet, aber oft können Menschen nicht das tun, was sie am liebsten und/oder am besten können, sondern das, wofür sie von irgendwem Geld bekommen, weil sie Geld verdienen müssen, um am Leben teilzuhaben. So werden wir erpressbar und fiese Arbeitgeber finden auch zu den unzumutbarsten Arbeitsbedingungen Menschen, die für sie arbeiten – weil sie müssen. Wir brauchen soziale Systeme, die unsere Würde sichern und uns nicht mehr erpressbar machen. Wir brauchen vor allem soziale Systeme, die auch in der oben beschriebenen neuen Arbeitswelt noch funktionieren. Unsere heutigen Systeme können das nicht, denn Roboter erhalten keinen Lohn, auf den sie Sozialbeiträge und Steuern zahlen. Wertschöpfung wird folglich immer weniger über Löhne verteilt werden und dann ist absehbar, dass es zu einem Kollaps kommt, wenn wir uns nichts Neues ausdenken. Jede industrielle Revolution hat eine soziale Revolution hervorgebracht, früher entstanden Sozialversicherungen und Rentensysteme, heute brauchen wir etwas Anderes (zusätzlich) und das ist das Bedingungslose Grundeinkommen. Es gibt keinen Mangel an Wertschöpfung, schon gar nicht in der Zukunft. Es gibt nur ein Verteilungsproblem und das ist lösbar.
Aber ein BGE läßt sich nicht von heute auf morgen einführen, deshalb braucht es politische Weichenstellungen, für die wir keine Zeit verlieren dürfen. Eine Enquete Kommission zum Beispiel, die das ganze Thema mal mit ausreichend Ressourcen untersucht und zwar mit Blick auf das WIE der Umsetzung. Und Piloten in Deutschland, denn nichts geht über Praxis. Ich möchte mich intensiv dafür einsetzen, die Idee des BGE im Bundestag zu verbreiten.
PS: ich weiß natürlich, dass es eine Grundeinkommenspartei gibt, die für das gleiche wirbt, aber sie wird mit hoher Sicherheit an der 5% Hürde scheitern und die LINKE wird das nicht, mit anderen Worten, bei mir ist eine Wählerstimme pro BGE sicherer aufgehoben.
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Zur Teilfrage nach einer zukunftsweisenden, nachhaltigen Gemeinwohlökonomie bzw. einer globalen Humanen Marktwirtschaft möchte ich ergänzen:
Ich sehe aus oben genannten Gründen gar keine Alternative zum BGE, glaube aber darüber hinaus, dass ein solches Grundeinkommen viele positive Nebeneffekte hat. Einer dieser Effekte ist, dass Arbeitnehmer nicht mehr erpressbar sind bei unzumutbaren oder generell schlechten Arbeitsbedingungen. Heute müssen viele Menschen die unerträglichsten Arbeitsbedingungen hinnehmen, weil ihre Arbeitgeber ausnutzen, dass ihnen sonst Sanktionen und eine Kürzung von Hartz 4 droht. Hartz 4 ist aber bereits ein Existenzminimum, das ohnehin nicht zum Leben reicht, eine Kürzung ist daher oft keine Option - also muss man Jobs annehmen, die unzumutbar sind. Mit einem BGE muss niemand mehr solche Jobs machen, denn die Existenz ist gesichert. Wenn die Erpressbarkeit von Arbeitnehmer*innen wegfällt, müssen Arbeitgeber ihre Arbeitsbedingungen verbessern und vor allem schlechte Arbeit besser bezahlen. Heute wird oft die unangenehmste Arbeit besonders schlecht bezahlt (z.B. Reinigungskräfte, Fleischindustrie etc.). Das BGE wirkt also als Macht verschiebend - zugunsten der arbeitenden Bevölkerung. Im Ergebnis wird die Marktwirtschaft humaner werden. Der Effekt wirkt vermutlich stärker, als alle heutigen Gewerkschaften zusammen :-)
Dem Gemeinwohl dient ein BGE außerdem, denn viele Menschen würden sich mehr für gemeinnützige ZWecke engagieren, wenn sie sich das leisten könnten. Ich traf neulich eine junge Frau, die seit einigen Jahren einen Eine-Welt-Laden betreibt, ihn aber vermutlich aufgeben muss, weil er zwar schwarze Zahlen schreibt, aber nicht genug, um ihre Existenz zu sichern. Sie träumt von einem BGE, denn dann könnte sie einfach diese Aufgabe weiter machen, die sie erfüllt und für Menschen in Entwicklungsländern faire Einkommensmöglichkeiten schafft. Auch aus dem Umfeld der Flüchtlingshilfe kenne ich z.B. ehrenamtliche Deutschlehrerinnen, die sagen, dass sie gern mehr Deutsch unterrichten würden, aber die Zeit nicht dafür haben, weil sie irgendeine Erwerbstätigkeit annehmen müssen, um ihr Leben finanzieren zu können.
mit freundlichen Grüßen,
Anke Domscheit-Berg