Frage an Anke Domscheit-Berg von Uwe U. bezüglich Familie
Was halten sie von der Idee des Erziehungsgehalt?
Sehr geehrter Herr U.,
vermutlich meinen Sie mit Erziehungsgehalt so etwas wie ein Betreuungsgeld und das befürworte ich nicht, weil es finanziell begünstigt, dass Mütter zu hause bleiben - weil sie Geld dafür bekommen, nicht weil es für sie oder für die Kinder besser so ist. Es gab Auswertungen dazu, als es das Betreuungsgeld gab. Die Ergebnisse zeigten, dass gerade Kinder aus materiell schlechter gestellten Familien, aus Familien mit Migrationshintergrund und aus bildungsferneren Familien ihre Kinder dann seltener in öffentliche Kinderbetreuung geben. Das verstärkt aber dann den ohnehin in Deutschland schon europaweit größten Benachteiligungseffekt für den Bildungserfolg dieser Kinder. Für diese Kinder schränkt das Zukunftschancen ein und das möchte ich nicht. Ich möchte auch nicht, dass sich Frauen aus Armut für ein Betreuungsgeld entscheiden und deshalb zuhause bleiben und sich damit langfristig Armutsrisiken für sie erhöhen, durch Benachteiligungen beim Wiedereinstieg, niedrigere Löhne, weniger Aufstiegschancen und durch kürzere Beitragszeiten, die zu niedrigeren Renten führen.
Ich möchte alle Familien dadurch entlasten, dass Bildung ab Kindergarten kostenfrei zugänglich ist (Kindertagesstätten sind für mich nicht nur Betreuungs- sondern auch Bildungseinrichtungen) und auch sonst Kinder weniger Kosten für ihre Eltern verursachen, durch mehr entgeltfreie Angebote - von Nahverkehr bis Kultur. Das begünstigt dann besonders solche Familien, die heute von Armut bedroht sind oder in Armut leben.
Ich möchte auf diese Weise mehr echte Wahlfreiheit für Mütter und Väter, denn heute gibt es viel mehr Väter und Mütter, die darüber klagen, dass es nicht ausreichend Kinderbetreuungsplätze gibt, dass die Zeiten nicht passen, dass sie zu teuer sind, die Betreuungsschlüssel unbefriedigend sind, etc. Alle diese Mißstände müssen behoben werden. Ich möchte Vereinbarkeit auch auf andere Weise erleichtern: durch einfacheren Zugang zu Teilzeit und einfachere Rückkehr zu Vollzeit, durch höhere Mindestlöhne und eine niedrigere Vollzeitstundenzahl. Ich möchte natürlich auch, dass in Familien unbezahlte Arbeit besser aufgeteilt wird, dazu braucht es einen gesellschaftlichen Kulturwandel, das kann man nicht per Gesetz vorschreiben. Aber wenn beide Eltern sich die Erziehungsarbeit teilen und z.B. eine Zeitlang in Teilzeit arbeiten, dann ist Vereinbarung viel leichter und Kinder haben mehr von ihren Eltern, weil die externen Betreuungszeiten kürzer sein können. Ich würde es auch sehr begrüßen, wenn die Elternzeit häufiger hälftig aufgeteilt würde, denn sehr kleine Kinder sind am besten zuhause aufgehoben. Wenn jedes Elternteil 7 Monate zuhause bleibt, ist für beide der Ausstieg überschaubar kurz, der Wiedereinstieg leichter möglich und das Kind hat 14 Monate lang Betreuung zuhause.
Allerdings bin ich auch explizit für ein Bedingungsloses Grundeinkommen, das faktisch eine Art Bezahlung für alle unbezahlte Arbeit ist und dazu gehört dann natürlich auch Erziehungsarbeit. Um Eltern von Kindern besser zu stellen, möchte ich aber auch ein höheres Kindergeld und mittelfristig eine Kindergrundsicherung. Beides ist unabhängig davon, wo die Kinder betreut werden. Zusätzliche Kosten für eine externe Betreuung sollten natürlich nicht anfallen, aber das schrieb ich ja schon, dass Zugang zu Kinderbetreuung entgeltfrei sein sollte.
Ich hoffe, ich habe Ihre Frage damit hinreichend beantwortet,
mit freundlichen Grüßen,
Anke Domscheit-Berg