Frage an Anja Weisgerber von Daniel S. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Dr. Weisgerber,
Um es vorweg zu nehmen, ich bin auf Basis meines erworbenen Wissens als Diplombiochemiker ein überzeugter Befürworter der Gentechnik und im besonderen der grünen Gentechnik. Zwar kann diese Aussage selbstverständlich nicht allumfassend gelten, es gibt, dessen bin ich mir bewusst, sicherlich auch Anwendungsmöglichkeiten für die Gentechnik, die einer besonderen moralischen Beurteilung bedürfen. Die Objekte der Veränderung sind schließlich Organismen in ihrer ganzen Komplexität. Und um damit einer "Standardantwort", den Verweis auf unabsehbare Langzeitfolgen vorzugreifen, kann ich wohl bestätigen: Eine 100%ige Absehbarkeit aller Auswirkungen von gentechnischen Veränderungen kann kein Mensch und keine Firma garantieren. Aber Hand aufs Herz, die Entscheidung für die Zulassung von GVOs ist derzeit eine Abwägung der Stellen hinter dem 99,9% und es muss doch grundsätzlich immer eine Beurteilung des Einzelfalls erfolgen, ist doch jede Veränderung, jedes mögliche Produkt so differenziert zu betrachten, wie es eben von seiner Biologie her ist.
Wie stehen Sie zu meinen Aussagen? Welche wissenschaftlichen Bedenken haben Sie! Wäre es nicht transparent, die geltenden Richtlinien als Maßstab für Zulassungsverfahren zu verwenden und die BASF-Amflora-Kartoffel (EFSA:"Sicher wie herkömmliche Kartoffel") endlich zuzulassen? Es können doch nicht aktuelle Umfragen Einflussgrößen der Endscheidung sein, oder? (Würden Sie "Spritschlucker" verbieten?) Wie stellen Sie sich ein Zulassungsverfahren vor, dass doch, wenn nicht moralisch gesellschaftsrelevant, eigentlich nicht politisch beeinflussbar sein soll, oder?
Wollen Sie sich durch die Verlagerung von Entscheidungskompetenzen auf die regionale Ebene unpopulärer Entscheidungsverantwortung entziehen? Es gibt doch dort kein, Ihr Zitat, "besseres Wissen um die örtlichen Besonderheiten, um solch eine weitreichende Entscheidung zu treffen" oder was soll das sein?
Besten Dank und freundliche Grüße,
Daniel Stirnweis
Sehr geehrter Herr Stirnweis,
vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch.de.
Wie ich bereits in meinen vorherigen Antworten zum selben Thema, auf die Sie auch Ihre Frage beziehen, erwähnt hatte, bin ich der Meinung, dass wir uns neuen Technologien – zu denen die Grüne Gentechnik zweifelsohne gehört – nicht verschließen dürfen. Deswegen begrüße ich, dass in diesem Bereich geforscht wird.
Allerdings bin ich der Meinung, dass die Grüne Gentechnik keineswegs eine rein technische Angelegenheit, sondern ein durchaus politisches Thema ist. Viele Bürgerinnen und Bürger sind besorgt, das Thema wird sehr emotional in der Öffentlichkeit diskutiert. Meiner Meinung nach müssen die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger ernst genommen werden und Beachtung finden. Schließlich sind wir als Europäisches Parlament die Vertretung der Bürger und müssen sie bei unseren Entscheidungen mitnehmen und diese Entscheidungen für die Bürger nachvollziehbar machen.
Daher sehe ich auch das von Ihnen angesprochene Zulassungsverfahren kritisch. Die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erstellt ein Gutachten basierend auf Daten, die sie von den entsprechenden Firmen, die eine Zulassung beantragen, erhält. Unabhängige Forschung durch die EFSA selbst wäre zu begrüßen.
Meine Forderung nach mehr regionalem Mitspracherecht basiert auf dem sogenannten Subsidiaritätsprinzip, das besagt, dass politische Entscheidungen möglichst auf der niedrigsten politischen Ebene getroffen werden sollten und nur dann auf einer höheren, d. h. auf der nationalen oder europäischen, Ebene abgehandelt werden sollten, wenn Ziele besser erreicht werden können oder es sich um grenzüberschreitende Probleme handelt. Dies ist auch in Artikel 5 des EG-Vertrags vertraglich festgeschrieben.
Ich bin also durchaus dafür, dass auch weiterhin Forschung im Bereich Grüne Gentechnik stattfindet, aber wir als Volksvertreter können die Ängste der Bevölkerung nicht außen vor lassen.
Mit herzlichen Grüßen
Dr. Anja Weisgerber
MdEP