Frage an Anja Weisgerber von Stefan M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Weisgerber,
mit Unverständnis und Kopfschütteln haben wir, im privaten wie im geschäftlichen Umfeld, zur Kenntnis nehmen müssen, dass Frau Merkel ein 500 Mrd. € Paket zur wirtschaftlichen Unterstützung der Südländer einschl. Frankreich geplant hat. Die Mittel belasten den Etat Deutschlands mit zusätzlich 135 Mrd. über viele Jahre und sollen quasi als kostenfreie Zuschüsse diesen Ländern überlassen werden.
Die ökonomische Vernunft scheint aus unserer Sicht nun vollends abhanden gekommen zu sein.
Wir wissen noch nicht ansatzweise, wie tief wir selbst in die Rezession stürzen werden und was uns dieser Lockdown weiterhin für Einkommens- und Vermögensverluste beschweren wird, aber schon muss Frau Merkel wieder mit Geld, von deutschen Steuerzahler hart erarbeitet, die Welt retten. Wir finden das unverantwortlich und absurd. Es ist nicht zum Wohle des Volkes, für das Frau Merkel einmal einen Amtseid geleistet hat. Es wird keine dauerhaften positiven Auswirkungen für die „Unterstützten“ bringen sondern unsere Staatsfinanzen weiter zerrütten und den deutschen Steuerzahler zusätzlich schwer belasten. Die Gelder werden zum Nachteil unserer Kinder und Kindeskinder verpulvert.
Da können wir nur hoffen, dass die Länder wie Österreich, Niederlande, Schweden und Dänemark hart und stark bleiben, diesem Irrsinn nicht zuzustimmen.
Wie steht die CSU zu diesem Plan von Frau Merkel?
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre E-Mail zum Thema Wiederaufbaufonds, zu der ich gern Ihnen meine Gedanken mitteilen möchte.
Klar ist, wie kaum ein anderer Mitgliedstaat in der Europäischen Union profitiert Deutschland von einem funktionierenden Binnenmarkt. Mehr als die Hälfte aller Exporte aus Deutschland gehen in andere europäische Mitgliedstaaten. Eng verflochtene europäische Lieferketten sind eine Selbstverständlichkeit in fast allen Wirtschaftsbereichen.
Die Corona-Pandemie fordert die europäische Wirtschaft wie nie zuvor seit dem Ende des 2. Weltkrieges heraus. Aufgrund unserer soliden Haushaltspolitik in den vergangenen Jahren können wir unsere Wirtschaft schnell und umfassend unterstützen. Mehr als die Hälfte aller von der Europäischen Kommission bewilligten Beihilfen (51%) wurden von Deutschland beantragt und kommen damit der Unterstützung unserer Wirtschaft zugute. Kein anderer EU-Mitgliedstaat kann sich annährend eine Unterstützung der Wirtschaft in dieser Form leisten.
In den nächsten Wochen und Monaten geht es um die Neuausrichtung der europäischen Wirtschaft. Es ist daher unser ureigenes Interesse, dass wir die Krise in Europa gemeinsam bewältigen. Denn klar ist: Nur ein wirtschaftlich starkes Europa kann die zunehmenden globalen Herausforderungen erfolgreich bewältigen. Die Bundeskanzlerin und der französische Staatspräsident haben dazu mit ihrer Initiative für einen 500 Milliarden Wiederaufbau-Fonds einen wichtigen Impuls gesetzt. Am Mittwoch wird die Europäische Kommission ihren Vorschlag zum Mehrjährigen Finanzrahmen (2021-2027), in den die neuen Fondsmittel integriert werden sollen, vorlegen.
Deutschland ist bereit einen größeren Beitrag zur europäischen Solidarität zu leisten. Bei den bevorstehenden Verhandlungen sind für uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion folgende Leitlinien von besonderer Bedeutung.
1. Konditionalität. Die Finanzmittel sind ausschließlich für Programme von gesamteuropäischem Interesse einzusetzen. Sie müssen klar einem europäischen Mehrwert dienen: Den Binnenmarkt wettbewerbs- und widerstandsfähiger machen. Mit dem Fonds sollen daher Zukunftsinvestitionen im Bereich der Digitalisierung, Forschungsförderung und für Technologien für eine nachhaltige Wirtschaft ermöglicht werden. Die Vergabe der Mittel ist darüber hinaus klar zu binden an eine ehrgeizige Reformbereitschaft und solide Wirtschaftspolitik der Empfängerstaaten. Es ist die Chance, Reformen auf den Weg zu bringen, die sonst nur schwer durchzusetzen wären. Für uns gibt es darüber hinaus auch beim Thema Rechtsstaatlichkeit keine Kompromissbereitschaft.
2. Umfassende Bedarfsanalyse. Um über die Verteilung der Finanzmittel aus dem Wiederaufbaufonds entscheiden zu können, ist eine umfassende und objektive Bedarfsanalyse notwendig. Wer benötigt wieviel Geld wofür? Die Ausgestaltung des Verteilschlüssels ist entscheidend. Welche Regionen und Mitgliedstaaten sollen begünstigt werden?
3. Umfängliche Kontrollmechanismen. 500 Mrd. Euro zusammen mit den 540 Mrd. Euro aus den bereits auf den Weg gebrachten Hilfsinstrumenten der Europäischen Investitionsbank, dem Europäischen Stabilitätsmechanismus und dem SURE-Kurzarbeitergeld sowie der über 1 Billion Euro für den kommenden europäischen Haushalt 2021-2027 sind enorme Summen. Wir müssen die Kontrolle sicherstellen, damit die Bürger verstehen, wo das Geld herkommt und wo es hingeht. Daher brauchen wir umfängliche Kontrollmechanismen, damit Missbrauch verhindert und eine Zweckbindung im europäischen Interesse sichergestellt wird.
4. Zuschüsse oder Kredite? Das ist hier die Frage. Kritiker des deutsch-französischen Vorschlags argumentieren, dass das Geld, das in Form von Zuschüssen und nicht in Form von Krediten fließen soll, einfach in den Haushalten der Empfängerstaaten versickern wird. Dabei ist wichtig zu betonen: Der Wiederbaufonds sieht einen „verbindlichen Rückzahlplan“ vor. Deutschland haftet mit seinem Anteil von rund ein Viertel. An dieser Stelle sei auch angebracht, dass eine ausschließliche Kreditvergabe eine noch stärkere Verschuldung in vielen Mitgliedstaaten zur Folge hätte. Bereits angeschlagene Länder würden zu noch schlechteren Bedingungen Geld am Finanzmarkt erhalten, als zuvor.
5. Ausnahmecharakter. Es muss klar sein, dass der Wiederaufbaufonds auf die Überwindung der Folgen der Corona-Pandemie beschränkt sein muss. Dauerhafte Transfers zwischen den Mitgliedstaaten und eine unbegrenzte Haftung sind mit den europäischen Verträgen und mit der europapolitischen Grundhaltung der Union unvereinbar. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Lockerung der Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts und der europäischen Beihilferegeln so schnell wie möglich wieder aufgehoben wird. Nur mit einer soliden Haushaltsführung können wir mittel- und langfristig unsere europäische Wirtschaft erfolgreich aufstellen.
Sehr geehrter Herr Müller, gerade in Deutschland gibt es eine hohe Zustimmung für mehr Europa in Krisenzeiten. Die Menschen wissen genau, dass Deutschland mit seiner starken Industrie und hohen Wettbewerbsfähigkeit in den Bereichen Technologie und Innovation auf ein starkes Europa mehr denn je angewiesen ist. Gerade jetzt müssen wir gute Antworten auf die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des Projekts Europa finden. Es geht um Prioritäten und auch institutionelle Reformen. Wir brauchen eine faire und offene Analyse: Was läuft gut in Europa und wo müssen wir uns besser aufstellen? Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion wollen wir daher den Prozess der „Konferenz über die Zukunft Europas“ intensiv unterstützen.
Ich wünsche Ihnen weiterhin bleibende Gesundheit.
Herzlichst,
Ihre
Anja Weisgerber