Frage an Anja Weisgerber von Till K. bezüglich Finanzen
Thema: steuerliche Benachteiligungen privater Anleger - Altersvorsorge in Gefahr
Ich schreibe Ihnen heute, da die CDU/CSU entgegen früherer Äußerungen, dem Gesetzesvorschlag von Herrn Scholz, am Ende letzten Jahres, doch zugestimmt hat - und dies mit weitreichenden Folgen. Die Auswirkungen sind m.E. vielen noch nicht klar, anders kann auch die Verabschiedung des Gesetzes nicht erklärt werden - außer, dass keinerlei Fachleute im Steueranbahnungsprozess zuvor beteiligt gewesen waren.
Das Gesetz, welches in aller Stille durchgewunken wurde, und gegen Zocker angedacht ist, trifft auch Anleger und Bürger, die die Altersvorsorge im Sinn haben. Leider von der Großen Koaltion beschlossen! Die steuerliche Anrechenbarkeit aufgrund von Totalausfällen erlittenen Verlusten werden also ab 2021 ausgeschloßen. Hier werden auch private, langfristige Anleger von Aktien und Anleihen, getroffen. So werden künftig von Totalverlusten bedrohte Anleger, allein aus fiskalischen Gründen gedrängt Verluste zu realisieren, damit diese noch angerechnet werden können (gedeckelt auf 10.000 Euro). Dies ist sowohl steuerlich als auch wirtschaftlich vollkommen absurd und nicht im Ansatz nachvollziehbar. Auch der BFH vertritt in seinen einschlägigen Entscheidungen die gegensätzliche Position. Die Große Koaltion fordert eine gerichtliche Klärung heraus, da diese der bisherigen Steuergesetzgebung widerspricht und vermutlich auch verfassungsrechtlich nicht haltbar ist. Interssenverbände/Petitionen sind schon hellhörig und aktiv geworden.
Ein Beispiel: Ein Anleger erzielt Gewinne von 40.000 Euro. Dem stehen Verluste in Höhe von 30.000 Euro gegenüber (schließlich ist die Börse keine Einbahnstraße und Verluste gehören zum Investieren dazu). Bisher würde die Differenz, also 10.000 Euro versteuert werden müssen. In 2021 können nur noch maximal 10.000 Euro Verlust angerechnet werden: damit sind dies im Beispiel dann 30.000 Euro, die versteuert werden.
Krasser wird es, wenn beispielsweise die Höhe der Gewinne gleich der Verluste sind, also bis dato keine Steuerlast anfällt. Gewinn 40.000, Verlust 40.000. Hier wurde nichts verdient, dennoch muss der Anleger 30.000 Euro versteuern! Ein Beispiel, wenn die Gewinne niedriger als die Verluste ausfallen erspare ich mir. Ich brauche hier wohl kaum erwähnen, dass damit die Aktienkultur in Deutschland, die ohnehin kaum existiert, weiter zurückgehen wird - dies widerum ist für die notwendige private Altersvorsorge ein Nackenschlag. Außerdem sind durch das Gesetz auch Arbeitsplätze und Unternehmen gefährdet, denn die Anzahl der Wertpapierkunden der Banken und Broker werden zurückgehen (es rentiert nicht mehr bzw. die Angst, trotz Verlusten auch noch Steuern zahlen zu müssen, ist gegeben).
In keinem anderen Bereich der Besteuerung (Unternehmen ...) wird derart vorgegangen. Geht auch nicht, sonst wäre Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig bzw. auch kein Unternehmer mehr bereit Unternehmensgründungen vorzunehmen. Wie kann eine derartige Ungerechtigkeit ab 2021 in die Steuerpraxis übergehen?
Wie stehen Sie zur geänderten Steuergesetzgebung? Werden Sie ggf. ihre Bedenken (sofern vorhanden) dem entsprechenden Gremium ihrer Fraktion darlegen?
Sehr geehrter Herr Kleinlein,
vielen Dank für Ihre E-Mail zur Verlustverrechnung bei Termingeschäften, die ich gerne beantworte.
Die Berücksichtigung von Totalverlusten aus bestimmten privaten Kapitalanlagen wurde im Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2875) neu geregelt. Diese neue Regelung des § 20 Absatz 6 Satz 5 EStG sieht vor, dass Verluste aus Termingeschäften, insbesondere aus dem Verfall von Optionen, nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit Erträgen aus Stillhaltegeschäften ausgeglichen werden können. Dabei ist die Verlustverrechnung auf jährlich 10.000 Euro beschränkt. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von 10.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Stillhalteprämien verrechnet werden. Die Verluste können nicht mit anderen Kapitalerträgen verrechnet werden. Die Regelung findet für Verluste aus Termingeschäften, die nach dem 31. Dezember 2020 eintreten, Anwendung.
Der besagte § 20 Abs. 6 EStG sollte bereits im Elektromobilitätsgesetz (JStG 2019) ergänzt werden, wurde aber dort nach wochenlangen zähen Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner SPD herausgenommen. Die SPD wollte im Rahmen des JStG 2019 sogar eine komplette Nichtberücksichtigung dieser Verluste: Bei den Termingeschäften sollte durch eine komplette gesetzliche Nichtberücksichtigung eines Optionsverfalls die bis 2016 geltende Finanzverwaltungspraxis gesetzlich manifestiert werden und die BFH-Rechtsprechung vom 12. Januar 2016 (BStBl. I 2017 II, S. 264) überschrieben werden. Danach wären Verluste dann in Gänze nicht anzuerkennen gewesen, wenn der Steuerpflichtige eine Option bei Fälligkeit verfallen lassen würde. Das konnten wir verhindern. Die jetzige Lösung ist ein Kompromiss: Die Verluste werden anerkannt, aber nur bis zu einer Höhe von 10.000 Euro. Damit wollten wir zumindest die Kleinanleger davor schützen, einen Totalverlust durch beispielsweise einen Forderungsausfall komplett nicht geltend machen zu können.
Die Unionsfraktion spricht sich grundsätzlich gegen die Nichtberücksichtigung von Verlusten im Rahmen des § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 EStG aus und hat in den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner auch entsprechend argumentiert: Wie wir auch schon nach dem Beschluss im Finanzausschuss öffentlich formuliert haben, halten wir eine vollständige Gleichbehandlung von Gewinnen und Verlusten - unabhängig davon, ob Totalverlust oder einfacher Verlust - weiterhin für sachgerecht. Wir mussten aber mit dem Koalitionspartner einen Kompromiss finden, dem wochenlange Verhandlungen vorausgegangen waren. Ansonsten hätte dieser möglicherweise alle weiteren, wichtigen Steuergesetze blockiert. Unser Koalitionspartner wollte Totalverluste steuerlich überhaupt nicht anerkennen und bestand zunächst rigoros auf einem Nichtanwendungsgesetz zur neuen BFH-Rechtsprechung.
Die Regelung ist dank der Hartnäckigkeit der Unionsfraktion aber zumindest besser als die bis 2016 bestehende Verwaltungsauffassung und auch besser als das Vorhaben des Bundesfinanzministers, die steuerliche Anerkennung von Totalverlusten vollständig auszuhebeln.
Sehr geehrter Herr Kleinlein, ich werde die von Ihnen angeführten Argumente jedoch gerne aufnehmen und nochmal auf unseren Koalitionspartner zugehen. Wie zuvor bereits beschrieben, gilt die Beschränkung bei Termingeschäften und Optionsgeschäften erst nach dem 31.12.2020. Damit haben wir noch etwas Zeit für neue Verhandlungen.
Wir als Union hoffen, dass wir auch mit Ihren Argumenten den Koalitionspartner nochmal umstimmen können. Es wäre sicher gut, wenn Sie sich auch nochmal an SPD-Abgeordnete wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Anja Weisgerber