Sehr geehrter Frau Troff-Schaffarzyk, unterstützen Sie das AfD-Verbot, wenn es zur Abstimmung kommt? Ich halte es für wichtig, dem BVerfG die Möglichkeit einer rechtlichen Prüfung zu geben.
Das würde eine nicht zu unterschätzende normative Kraft entfalten. Die AfD müsste sich in den nächsten Jahren mäßigen, um nicht weitere Verbotsgründe zu liefern.
Das hätte Spaltungspotenzial, weil die Hardliner einen mäßigeren Kurs nicht mittragen dürften.
Vielen Dank für Ihre Antwort schon im Voraus,
mit freundlichen Grüßen,
Arno P.
Sehr geehrter Herr P.
als Teil der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag teile ich die Sorge vieler Menschen über die zunehmende Radikalisierung der AfD. Auch ich sehe deutlich, dass die AfD in vielen Äußerungen und Positionen eine verfassungsfeindliche Haltung einnimmt. Unser Grundgesetz stellt mit Artikel 21 Absatz 2 das Parteiverbotsverfahren als Instrument der wehrhaften Demokratie bereit. Es ermöglicht das Verbot von Parteien, deren Ziele und Verhalten darauf abzielen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen.
Aufgrund der weitreichenden Konsequenzen eines Parteiverbots – wie der Auflösung der Partei und dem Verlust von Mandaten – hat das Verfahren jedoch hohe rechtliche Hürden. Nicht bloß verfassungswidrige Äußerungen, sondern ein planvolles Vorgehen mit Erfolgsaussichten, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen, müssen nachgewiesen werden. Ein Parteiverbotsverfahren setzt also eine umfassende und detaillierte Beweissammlung voraus. Diese Beweise müssen durch die zuständigen Behörden – insbesondere das Bundesamt für Verfassungsschutz – erhoben und ausgewertet werden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet die AfD als Verdachtsfall und nutzt hierzu auch nachrichtendienstliche Mittel. Diese Beobachtungen sind entscheidend, um ein fundiertes Verfahren zu ermöglichen. Solange die Auswertung dieser Erkenntnisse nicht abgeschlossen ist, wäre ein Antrag verfrüht und würde die Erfolgsaussichten eines möglichen Verbots gefährden. Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht selbst würde nach bisherigen Erfahrungen mindestens eineinhalb Jahre dauern. Eine Antragsschrift, die den hohen Anforderungen an Begründung und Beweisführung gerecht wird, kann nicht in wenigen Wochen erstellt werden. Da der Bundestag in wenigen Wochen neu gewählt wird, ist es unrealistisch, dass ein solcher Antrag noch in dieser Wahlperiode beim Bundesverfassungsgericht eingereicht werden könnte.
Wir haben in der vergangenen Woche erneut im Bundestag darüber debattiert, ob ein Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht angestoßen werden soll. Die Antragstellenden haben dabei selbst entschieden, den Antrag nicht zur Abstimmung zu stellen, sondern ihn in die Ausschüsse zu überweisen. Aus diesem Antrag könnte daher rein formell kein Verbotsverfahren in dieser Wahlperiode mehr erwachsen. Dennoch wird die Debatte zeigen, wer im aktuellen deutschen Bundestag sich ebenfalls deutlich gegen die AfD positioniert. Für einen Beschluss, einen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht zu stellen, besteht derzeit mutmaßlich keine Mehrheit im Deutschen Bundestag. Die Fraktionen CDU/CSU und FDP haben ihre Ablehnung eines solchen Vorhabens klar signalisiert. Nach den Ereignissen der letzten Woche ist hier keine umgehende Änderung der Position zu erwarten. Ohne eine breite parlamentarische Unterstützung würde ein Antrag jedoch nicht die nötige politische Substanz besitzen und wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Es bleibt unsere Aufgabe, rechtsextreme Ideologien durch politische Bildung, die Stärkung demokratischer Werte und die Zurückweisung von Verschwörungstheorien zu bekämpfen. Die Bilanz der bisherigen Arbeit zeigt Fortschritte im Schutz der Demokratie und der Stärkung des wehrhaften Rechtsstaats. Parteien, die gegen die demokratische Grundordnung arbeiten, können ihre staatliche Finanzierung verlieren, und Grundrechtsentzüge nach Artikel 18 GG setzen ein starkes Zeichen gegen Missbrauch. Gleichzeitig wurde die finanzielle Unterstützung für verfassungsfeindliche Stiftungen beendet, während die Behörden durch neue Befugnisse gestärkt wurden, um gegen Hass, Hetze und Desinformation vorzugehen. Auf Exekutivebene wurden das Waffenrecht verschärft und rechtsextreme Organisationen verboten, um ihre Strukturen zu zerschlagen. Schließlich wurde die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts durch eine Grundgesetzänderung abgesichert, um populistischen Eingriffen vorzubeugen und die Stabilität des Rechtsstaats zu gewährleisten.
Ich unterstütze auf jeden Fall den Wunsch nach einem Verbotsverfahren gegen die AfD. Aus den oben genannten Gründen jedoch, und auch weil der von Ihnen genannte Antrag ein solches Verfahren nicht mehr anstoßen würde, plädiere ich dafür, die Beweissammlung fortzusetzen und die Erkenntnisse in der nächsten Wahlperiode gründlich zu prüfen, um dann zum richtigen Zeitpunkt die Entscheidung für einen Antrag zur Einleitung des Parteiverbotsverfahrens zu treffen. Wenn das Verbotsverfahren gegen die AfD durchgeführt wird, dann muss es erfolgreich sein. Eine verfrühte Entscheidung dafür gefährdet dessen Erfolgsaussichten. Mehr noch: es droht eine Stärkung der AfD durch deren juristische Legitimierung. Dies muss unbedingt verhindert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Anja Troff-Schaffarzyk, MdB