Frage an Anja Schulz von Carsten C. bezüglich Soziale Sicherung
Hallo Frau Schulz,
Ich habe gelesen, das Sie neutral sind gegenüber dem Thema Altersarmut und Rentenerhöhung . Wie stehen Sie denn generell dem Thema gegenüber ?
Ist es nicht sinnvoller das Renteneintrittsalter flexibel zu gestalten, denn nicht alle Berufe sind bis ins hohe Alter durchführbar, aufgrund gewisser Belastungsparameter, wie z.B. auch die rasende Digitalisierung.
Ist es nicht auch sinnvoller, das bestehende Rentenmodell so zu reparieren, das es wieder gut funktioniert, anstatt irgendwelche Dubiosen ADD ons zu kreieren, an denen nur Vericherungen und deren Mitarbeiter verdienen....?!
LG C. C.
Sehr geehrter Herr Conrad,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Rentenpolitik.
Aufgrund des demografischen Wandels steht unser heute bestehendes Rentensystem tatsächlich vor großen Herausforderungen. Zukünftig werden immer mehr Rentner immer weniger Arbeitnehmern gegenüberstehen. Für ein umlagefinanziertes System ist das ein Problem. Es gibt eigentlich in der aktuellen Form nur die Möglichkeit, die Alterseintrittsgrenze zu erhöhen, die Beiträge zu erhöhen oder das Rentenniveau zu senken. Alles hätte schwerwiegende Folgen.
Ich spreche mich daher für ein flexibles Renteneintrittsalter ab dem 60. Lebensjahr aus. Ein starres Renteneintrittsalter wird den sich ändernden Lebensentwürfen bereits heute nicht mehr gerecht. Denn es macht selbstverständlich einen Unterschied, ob ich als Maurer oder Krankenpfleger oder als Ingenieur oder Bürokaufmann arbeite. Die körperlichen und geistigen Anforderungen sind grundverschieden. Ein flexibles Renteneintrittsalter schafft Freiraum. Ich möchte keinen starre Altersgrenze, die immer weiter nach oben gesetzt wird. Daher soll künftig jeder ab 60 Jahren selber entscheiden, wann er in Rente geht. Wer früher in Rente geht bekommt selbstverständlich weniger, als derjenige, der später in Rente geht. Entscheidend dabei ist, dass die gesetzliche Rente und private Vorsorgebausteine über dem Niveau der Grundsicherung liegen. Wichtig ist ebenso, dass nicht diejenigen, die länger arbeiten, steuerlich bestraft werden für ihre entsprechend höhere Rente.
Die Hinzuverdienstgrenzen sollen ab diesem Zeitpunkt ebenfalls wegfallen. Oft wollen ältere Arbeitnehmer nicht sofort komplett in den Ruhestand eintreten, sondern gerne in Teilzeit weiterarbeiten. Derzeit werden sie hierfür finanziell bestraft und müssen mit Rentenkürzungen leben. Das macht das Arbeiten unattraktiv. Durch den Wegfall entsteht mehr Flexibilität und Unabhängigkeit.
Außerdem soll die Altersvorsorge nach einem Baukastenprinzip organisiert werden, denn bei aller Flexibilität der Renteneintrittsgrenzen, wird die gesetzliche Rente künftig eine Basis darstellen. Die Menschen werden immer älter und beziehen entsprechend länger Rente. Das würde zur Steigerung der Beitragssätze führen und das wollen wir vermeiden. Es muss daher selbstverständlich sein, dass jeder auf kapitalgedeckter Basis eigene Vorsorge betreibt. Die Produkte sollen verbraucherfreundlicher werden. Es muss einfacher werden Produkte miteinander vergleichen zu können. Derzeit sind viele Lebensversicherer gezwungen vornehmlich in festverzinsliche, vermeintlich sichere Anlagen zu investieren. Die bringen in der heutigen Niedrigzinsphase allerdings kaum Ertrag. Daher soll die Vorsorge künftig auf eine breitere Basis gestellt werden. Es muss auch möglich sein beispielsweise in Aktien oder Unternehmensbeteiligungen zu investieren.
Vor allem muss sich private Vorsorge lohnen und darf keinesfalls dazu führen, dass derjenige benachteiligt wird, der sich von seinem hart erarbeiteten Verdienst etwas für die Zukunft abspart. Eine Anrechnung auf die Grundsicherung für Menschen, deren gesetzliche Rente gering ist, darf nicht sein, sondern muss immer „on top“ sein. Ein Alleinerziehender in Teilzeitarbeit, jemand der längerfristig arbeitslos war oder einen Beruf mit geringem Einkommen hatte erhält in der Regel eine geringere gesetzliche Rente. Wer in diesen und weiteren Fällen freiwillig vorsorgt, sollte davon profitieren und mehr haben als derjenige, der nichts anspart. Alles andere wäre ungerecht und nimmt außerdem jeden Anreiz für private Vorsorge.
Ein entscheidender Punkt muss die Tatsachse sein, dass sich die Erwerbsbiografien bereits heute und auch in der Zukunft weiter ändern werden. Es ist nicht mehr üblich in einem Betrieb seine Ausbildung zu machen und dort bis zum Renteneintritt zu arbeiten. Im Gegenteil, es gibt Wechsel vom Arbeitnehmer zum Unternehmer, von Teilzeit zu Vollzeit oder die Möglichkeit, eine komplette Auszeit zu nehmen. Hier muss gewährleistet sein, dass keinerlei Nachteile für die getroffene Altersvorsorge entstehen. Ein Arbeitnehmer, der sich für die Riesterrente entscheidet und nach eigen Jahren selbstständig macht sollte weiterhin gefördert werden. Auch die betriebliche Altersvorsorge sollte diesen Fall abdecken. Umgekehrt genauso.
Aus meiner beruflichen Tätigkeit weiß ich, wie wichtig auch eine Absicherung für Selbstständige ist. Oft wird der Bereich der eigenen Altersabsicherung von Selbstständigen auf die „Lange Bank“ geschoben, weil lieber in andere Bereiche investiert wird, um das Unternehmen zu vergrößern. Das kann dann dazu führen, dass am Ende kaum eine Altersvorsorge aufgebaut wurde und Grundsicherung beantragt wird. Das ist ungerecht allen Arbeitnehmern gegenüber, die verpflichtet sind, einen prozentualen Anteil ihres Einkommens in die GRV zu zahlen. Daher sollen Selbstständige zukünftig für eine Basisabsicherung im Alter verpflichtend vorsorgen, damit sie nicht auf Grundsicherung angewiesen sind. Welche Versorgungsform hierzu gewählt wird, bleibt den Selbstständigen überlassen.
Ein guter Baustein der privaten Vorsorge ist die betriebliche Altersvorsorge, die gestärkt werden soll. Der Wechsel des Arbeitgebers und die Mitnahme des Altersvorsorgevertrages soll einfacher möglich sein.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen so einen guten Überblick über unsere Konzepte zur künftigen Rentenpolitik geben.
Mit freundlichen Grüßen
Anja Schulz